Kurz nach Auseinandersetzung um Pacelliallee

Initiative fordert Umbenennung der Berliner Martin-Luther-Straße

Veröffentlicht am 30.09.2020 um 13:19 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Erst Eugenio Pacelli, jetzt Martin Luther: In Berlin fordert eine Initiative erneut die Umbenennung einer Straße. Diesmal geht es um die Martin-Luther-Straße in Schöneberg. Die ersten Reaktionen aus der Politik sind aber eindeutig.

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Kurz nach der Debatte um eine mögliche Umbenennung der Berliner Pacelliallee hat eine Initiative jetzt die nächste Straße in der Hauptstadt ins Visier genommen. Wie die Berliner "tageszeitung" (taz) am Mittwoch berichtete, fordert eine Gruppe von Aktivisten die Umbenennung der Martin-Luther-Straße im Ortsteil Schöneberg. Der Reformator habe "in seiner Zeit für ausgebeutete Menschen, Minderheiten und Frauen eine sehr negative Rolle gespielt und – wo immer es ging – Öl ins Feuer der Auseinandersetzungen gegossen und bitterbösen Hass gesät", zitierte die "taz" aus einem Papier der Gruppe. Und weiter: "Zudem ist sein Name Symbol für obrigkeitsstaatliche Hörigkeit bis ins Preußische Kaiserreich hinein. Für die Menschen unserer Zeit ist sein Name nicht erinnerungswürdig!"

Gruppe fordert Umbenennung zugunsten von Prista Frühbottin

Die Gruppe fordert laut der Zeitung in einem Schreiben an SPD, Grüne und Linke in der Bezirksverordnetenversammlung von Schöneberg die Umbenennung der Straße zugunsten von Prista Frühbottin. Diese war am 29. Juni 1540 als Opfer der Hexenverfolgungen in Wittenberg, einer der bekanntesten Wirkungsstätten Luthers, gemeinsam mit ihrem Sohn hingerichtet worden.

Die Martin-Luther-Straße ist eine wichtige Nord-Süd-Achse, die sich auf einer Länge von 2,3 Kilometern durch Schöneberg zieht. Neben der jüngsten Debatte um die Pacelliallee hatte es in Berlin in der Vergangenheit wiederholt heftige Diskussionen um Straßenumbenennungen gegeben – etwa im "Afrikanischen Viertel" im Ortsteil Wedding und mit Blick auf die Mohrenstraße in Mitte. Diese soll laut einem im August gefassten Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung von Mitte nach dem ersten bekannten schwarzen Philosophen Deutschlands in Anton-Wilhelm-Amo-Straße umbenannt werden.

Parteien lehnen Initiative zur Umbenennung offenbar ab

Die jetzt gestartete Initiative zur Umbenennung der Martin-Luther-Straße dürfte allerdings kaum erfolgreich sein. Linke und SPD reagierten laut "taz" bereits ablehnend, die Grünen äußerten sich skeptisch. Der Linken-Bezirksvorsitzende Alexander King wird in der Zeitung mit den Worten zitiert: "Wir halten Straßenumbenennungen nicht in jedem Fall für geeignet, um ein kritisches Bewusstsein von der eigenen Geschichte zu gewinnen." Man unterstütze das "Anliegen, eine kritische Sicht auf Martin Luther zu verbreiten", aber nicht eine Umbenennung der Straße.

Die Diskussion um die Pacelliallee war Mitte September aufgekommen, nachdem zwei Berliner Historiker eine Petition zur Umbenennung der nach dem späteren Papst Pius XII. (1939-1958) benannten Straße gefordert hatten. Die Petition, die bislang rund 900 Unterstützer gefunden hat, hatte eine erregte Debatte ausgelöst, in der sich unter anderem der  Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, und die Apostolische Nuntiatur, die diplomatische Vertretung des Heiligen Stuhls in Deutschland, mit Stellungnahmen zu Wort gemeldet hatten. (stz)