Wie Reinhard Horn Kindern musikalisch den Glauben vermittelt
Seine Songs "atmen" die biblischen Texte: Reinhard Horn ist ein vielfach ausgezeichneter Kinderliedermacher. Der 64-Jährige ist überzeugt, dass man Kinder gerade über die Musik und das Singen für christliche Themen sensibilisieren kann.
Frage: Herr Horn, warum haben Sie sich gerade die Nische der christlichen Kindermusik ausgesucht?
Horn: Die Musik und ich haben uns sehr früh kennengelernt. Ich glaube, ich war zwei, drei Jahre alt. Damals haben wir beschlossen, wir bleiben das ganze Leben lang zusammen. Richtig los ging das dann über unsere Kirchengemeinde. Als Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrtausends die Gottesdienste jugendgerechter werden sollten, fragte mich unser Jugendkaplan, ob ich nicht für Musik in den Gottesdiensten sorgen könnte, da ich Klavier spielen konnte. Mit unserer Musikgrppe "Kontakte" haben wir dann später Tourneen durch die ganze Welt unternommen und waren bei allen Kirchen- und Katholikentagen. Für Kinder habe ich damals noch nicht so viel komponiert. In den 90ern merkte ich dann – damals wurden unsere Kinder größer –, dass es viel Spaß macht, mit ihnen zusammen Musik zu machen. Zudem waren in den 90er Jahren die Themen, die mir wichtig waren – Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung – nicht ganz oben auf der Liste.
Frage: Wie vermitteln Sie denn Kindern in Ihren Liedern den Glauben?
Horn: Es geht viel um Resonanz, was in den letzten Jahren durch die Gehirnforschung belegt wurde: Was ich ausstrahle oder sende, wird von den Kindern aufgegriffen. Wenn ich von dem begeistert bin, was ich glaube, was ich singe, was ich tue, dann wird das bei den Kindern dieselbe Resonanz auslösen. Mit Musik geht das wunderbar, indem man vorsingt, nachsingt und Geschichten erzählt, die so eine emotionale Verdichtung bekommen. Viele Erzieherinnen und Erzieher sowie Lehrerinnen und Lehrer sagen mir, die Kinder hätten über meine Lieder die Geschichten der Lieder präsent. Ein Beispiel: Ich habe ein Lied zur Schöpfung geschrieben: "Gott hat die ganze Welt gemacht." Zu jedem Schöpfungstag gibt es eine Bewegung, die die Kinder darstellen – wie zum Beispiel Himmel, Tag und Nacht, Pflanzen, Tiere. Die Lehrer und Erzieher berichteten, dass die Geschichte durch das Lied ganz präsent war: Sobald das Lied kommt, wissen die Kinder, worum es geht.
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Frage: Und wenn man auf die Texte blickt, wie fassen Sie den Glauben darin? Senden Sie eher eine unterschwellige Botschaft oder benennen Sie konkret zum Beispiel Gott?
Horn: Die Texte atmen ja die biblischen Texte, in denen explizit von Gott gesprochen wird. Sie atmen natürlich auch soziale Themen, wie die Bedeutung von Freundschaft. Ich hebe nicht den religionspädagogischen Zeigefinger in die Luft und sage: "Achtung! Jetzt sprechen wir über Gott!" Es ist für mich eine immanente Erzählung, mit den Kindern über Gott und die Welt nachzudenken. Bei meinen Konzerten gibt es Bewegungslieder wie "Lachen, Singen, Tanzen", was dann zum nächsten Lied, beispielsweise über Noah und den Regenbogen führt. Da gibt es keine Trennung von weltlich und religiös, sondern alles hat eine spirituelle Dimension.
Frage: Ist Kindern – insbesondere den jüngeren – nicht egal, ob sie "Backe Backe Kuchen" oder etwas von Gott singen?
Horn: Lieder sind Geschichten. Im dem Wort "Geschichte" steckt ja das Wort "Schicht" drin: Das heißt, gute Geschichten – beispielsweise die Schöpfungsgeschichte – haben eben diese unterschiedlichen Schichten, sodass man je nach Lebenssituation oder Entwicklungsschritt Antworten auf das findet, was das Leben gerade stellt – wie in Märchen. Nehmen wir als Beispiel eine außerbiblische Geschichte: den kleinen Prinzen – den werde ich als Kind völlig anders lesen als Erwachsener. Ich finde als Erwachsener andere Dinge darin – aufgrund meiner Lebensbiografie oder -erfahrung – als ein Kind. Ich denke, das gilt genauso für religiöse Texte oder Geschichten, die eben diese unterschiedlichen Schichten anbieten. Der große Reichtum dieser Geschichten ist, dass man sie nicht auf bestimmte Art verstehen muss, sondern die Lebenssituation entscheidet, welche Bedeutung sie für einen entwickeln.
Frage: Welche Themen sprechen die Kinder an?
Horn: Ich habe immer einen kleinen inneren Notizblock dabei, damit merke ich mir, wenn ein Kind eine besondere Redewendung nutzt oder sagt, welches Thema ihm wichtig ist. Letztens war ich zum Beispiel in einem Museum. Dort wurden Bilder meiner Enkelkinder ausgestellt, weil sie in der Corona-Zeit Bilder für eine bessere Welt gemalt haben. Und wenn man dann durch die Ausstellung geht und sieht, was Kinder für Ideen für eine bessere Welt haben, denkt man: Sie haben einen klaren Weltblick. Fast überall kam vor: kein Plastik, kein Autoverkehr, keine Flugzeuge, mehr Zeit füreinander haben, Kinder spielen mit Erwachsenen und Eltern. Das finde ich sehr bemerkenswert.
Frage: Wie reagieren die Kinder etwa bei den Konzerten auf Ihre Musik?
Horn: Unmittelbar und direkt. Ich habe in der Corona-Zeit zwei Konzerte gespielt. Die Kinder dürften mitsingen – es war ein Open-Air-Konzert – doch sie sollten auf ihrem Platz bleiben und nicht aufstehen. Einem vierjährigen Kind zu erklären, dass es nicht tanzen oder sich bewegen darf, wenn Musik kommt, macht keinen Sinn. Kinder greifen Musik sofort auf, gehen in die Bewegung und spüren die Resonanz. Ich gebe ja auch Impulse, welche Bewegung sie machen können, und das greifen die Kinder sofort auf.
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Frage: Wenn Sie auch so offen von Gott singen und religiöse Inhalte vermitteln, wurde Ihnen da auch schon mal vorgeworfen, die Kinder missionieren zu wollen?
Horn: Witzigerweise sprechen die Medien manchmal davon, meine Lieder seien ihnen zu "pädagogisch", es müsse "cool und hip" sein. Ich habe nichts gegen "cool und hip" – im Gegenteil. Aber es geht um "Authentizität": Ich erzähle die Lieder eben auf meine Art und ich weiß von vielen Kindern, die mit diesen Liedern aufgewachsen sind und sie für sich aufgenommen haben als "Soundtrack" ihrer Kindheit.
Frage: Haben Sie ein Beispiel?
Horn: Ich habe 2007 mit der Umweltorganisation "BUND" ein Klimamusical für Kinder geschrieben: "Eisbär, Dr. Ping und die Freunde der Erde". Mittlerweile wurde es über 3.000 Mal aufgeführt, weil wir es so angelegt haben, dass Schulen und Kindergärten es eigenständig aufführen können. Seit letztem Jahr engagiere ich mich bei "Grandparents for Future" und "Artists for Future". Und so bin ich bei einigen Demonstrationen mit meinen Liedern aufgetreten. Im Gespräch mit den Jugendlichen erzählte ich, dass ich eben vor mehr als zehn Jahren dieses Klima-Musical geschrieben habe. Da guckten sie mich mit großen Augen an: "Das mit dem Eisbären und dem Pinguin? Das haben wir damals in der Grundschule gemacht und seitdem sind wir an dem Thema dran." Da habe ich gedacht: "Wow, wenn meine Lieder und meine künstlerische Arbeit bewirken können, dass etwas in die Herzen von Kindern und Jugendlichen eingepflanzt wird, dass sie sich engagieren für eine bessere Welt: Mehr kann man nicht erreichen!"
Horn: Wie geht es einem christlichen Kinderliedermacher in Corona-Zeiten?
Horn: Das ist für uns – egal, ob wir nun christliche oder andere Lieder schreiben – eine harte Zeit; die Kultur und die Künstler hat es massiv getroffen. "First out – last in!": Wir waren die ersten, die alles stoppen mussten und werden wohl die letzten sein, die wieder zu einem Konzert einladen können. Durch Online-Konzerte haben wir versucht, uns ein wenig zu retten. Retten heißt aber nur, dass man nicht vergessen wird, da die Konzerte bei YouTube ja kostenlos sind. Ich bin auch pessimistisch, wenn wir auf das kommende Jahr zugehen: Mal sehen, ob der Ökumenischen Kirchentag stattfinden kann. Wir bieten für Erzieher, Lehrer und Gemeindepädagogen Online-Seminare zu verschiedenen Themen an: Ostern, Erntedank, Weihnachten: Wie kann ich das in Kitas, Schulen und in der Gemeinde gestalten – auch unter den Einschränkungen von Corona, mit weniger Singen, dafür vielleicht mit etwas anderem, etwa Rhythmusinstrumenten und spielerischen, szenischen oder pantomimischen Elementen.
Ich habe einen großen Wunsch an alle, die mit Kindern unterwegs sind: Ich weiß, dass es im Moment ein Singverbot gibt, aber bitte lasst unsere Kinder nicht "sang- und klanglos" aufwachsen. Wir müssen uns erinnern, dass Musik zu unserem Großwerden dazugehört – denn Musik ist ein "Gottes-Geschenk"!