Kolumne: Mein Religionsunterricht

Thema Gewalt im Religionsunterricht: Die Komfortzone verlassen

Veröffentlicht am 09.10.2020 um 16:00 Uhr – Lesedauer: 

Kusel/Bonn ‐ Das Thema Gewalt kommt immer wieder im Religionsuntericht vor. Aber wie soll man diesem für viele Schüler eher weniger interessanten Inhalt neues Leben einhauchen? Berufsschullehrer Maximilian Golumbeck macht einen Vorschlag.

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Thema Gewalt im Berufsschulunterricht: Das hat doch jeder schon mal in Reli gemacht, oder? Wenn ich Schülerinnen und Schüler der Berufsschule zu Beginn des Schuljahres nach ihren Erfahrungen mit dem Religionsunterricht frage, fällt die Antwort häufig etwa so aus: "In Religion haben wir eigentlich immer über solche Dinge wie Gewalt gesprochen und, dass man friedlich miteinander umgehen soll." Der Unterton sagt mir: Begeisterung hört sich irgendwie anders an. Ein abgedroschenes Thema also, das zum einen der Lehrplan für dieses Schuljahr vorsieht, ich zum anderen aber auch persönlich sehr wichtig finde? Es überrascht sicher nicht, wenn ich jetzt schreibe, dass das Thema in der Berufsschule keinesfalls abgedroschen ist.

Wie kann eine lebendige Auseinandersetzung gelingen?

Meine Schülerinnen und Schüler, die ihre Ausbildung im Büromanagement absolvieren, haben das Thema im allgemeinbildenden Unterricht bereits in irgendeiner Form behandelt. Doch auch im Berufsschulunterricht, den die Auszubildenden im Alter von 17 Jahren, mit 20, 25, oder auch im fortgeschrittenen Erwachsenenalter besuchen, haben sie Anknüpfungspunkte zu diesem spannenden und zugleich sensiblen Thema: Streitereien unter Arbeitskollegen, Gewalt gegen Beschäftigte, Mobbing am Arbeitsplatz. Hier ist zu betonen, dass die Anknüpfungspunkte eher theoretischer Natur sind. Das bedeutet, die Klasse nimmt das Thema als für sich als sehr relevant wahr, sie bringt aber (zum Glück!) kaum persönliche Erfahrungen mit Gewalt im beruflichen Kontext mit.

Mich beschäftigt im Vorfeld die Frage, wie eine möglichst lebendige Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt gelingen kann und es leuchtet mir ein, dass diese Unterrichtsreihe eine besonders sorgfältige Planung erfordert. Das Tafelbild zur christlichen Nächstenliebe mit anschließender Vertiefung, dass Menschen barmherzig miteinander umgehen sollen, gehört in die Unterrichtsreihe rein, doch bei dieser theoretischen Einsicht soll das Projekt nicht enden. Ich entscheide mich für ein Rollenspiel.

Bild: ©

Ein Rollenspiel kann auch den Religionsunterricht auflockern, doch dazu bedarf es einer guten Vorbereitung durch Lehrer und Schüler.

Nach einer etwas ausführlicheren theoretischen Einführung ins Thema erarbeiten Schülergruppen verschiedene Szenarien, in denen eine Konfliktsituation aus dem Alltag zu Tage tritt. Anschließend legen sie gemeinsam den Ablauf der Handlung fest und verteilen die für das Rollenspiel notwendigen Aufgaben. Die Schülergruppen haben daraufhin Zeit, das Rollenspiel zu proben, bevor es in der Klasse aufgeführt wird. Dem Schauspiel folgt eine ausführliche Reflexion im Klassenverband. 

Grenzen sind auch in Projektarbeit wichtig

Der Vorteil des Rollenspiels liegt auf der Hand: Den Schülerinnen und Schülern der Berufsschule wird ermöglicht, in Täter- und Opferrolle einzutauchen und Konsequenzen eines bestimmten Verhaltens hautnah zu erfahren. Doch ein Rollenspiel birgt auch Gefahren, insbesondere wenn es um gesellschaftlich sensible Themen geht: Kann die Klasse die Situation im Rollenspiel von der Wirklichkeit klar trennen? Führt das Nachspielen von negativen Verhaltensweisen auch letztlich zur gewünschten intensiven Reflexion, wie Gewalt verhindert werden kann? Das Rollenspiel wird unter den Unterrichtsmethoden auch gerne als Königsdisziplin bezeichnet. Entsprechend herausfordernd ist die praktische Umsetzung, gerade wenn es um ein gesellschaftlich sensibles Thema geht. Neben der sorgfältigen Planung des Ablaufs ist – so glaube ich – unbedingt zu berücksichtigen: 1. Ich muss von der Eignung der Lerngruppe für ein solches Projekt überzeugt sein. Das heißt, die Lerngruppe hat mir bereits in anderen Zusammenhängen gezeigt, dass sie Rollenspiel und Wirklichkeit klar trennen kann. 2. Im Vorfeld der Projektarbeit muss die Lehrkraft Grenzen setzen. Dazu gehört, dass sowohl natürlich physische Gewalt im Rollenspiel als auch beleidigende Worte, die ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Akzeptanz überschreiten, nicht verwendet werden dürfen.

Es bleibt zu fragen: Lohnt sich denn der Aufwand in der didaktisch-methodischen Vorbereitung? Was nehmen die Schülerinnen und Schüler mit? Ich ziehe nach dieser spannenden Unterrichtseinheit eine positive Bilanz, auch aufgrund der positiven Resonanz in der Klasse. Dabei fiel die Begeisterung über ein Rollenspiel zum Thema Gewalt zu Beginn eher verhalten aus und erst im Laufe der Unterrichtsreihe ließ das
engagierte Arbeiten am Unterrichtsthema deutlich erkennen, dass das Thema keinesfalls abgedroschen ist. Ein Rollenspiel fordert von Schülerinnen und Schülern, eine Komfortzone zu verlassen, aufzustehen, aktiv zu werden und sich in eine neue Rolle einzufinden. Es braucht also häufig seine Zeit, bis die Klasse in die Methode des Rollenspiels hineingefunden hat. Gelingt es aber, die Lerngruppe für ein solches Rollenspiel zu begeistern, so kann auch ein Thema, welches gelegentlich als abstrakt und repetitiv angesehen wird, im Unterricht neu aufleben.

Von Maximilian Golumbeck

Der Autor

Maximilian Golumbeck ist Religionslehrer am Kaufmännischen Berufsbildungszentrum (KBBZ) Neunkirchen/Saar.

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