Pfarrer: Würde mir Segnung homosexueller Paare nicht verbieten lassen
Ein Gottesdienst in München, in dem Schlagersänger Patrick Lindner und sein Partner im Beisein eines Pfarrers Ringe getauscht haben, hat vor einigen Tagen für viel Aufregung gesorgt. Er habe als Gemeindepfarrer noch nie mit offen homosexuellen Menschen Kontakt gehabt, sagt der Dresdner Pfarrer Christoph Behrens im Interview. "Da haben wir als Kirche ganze Arbeit geleistet, dass homosexuelle Menschen gar nicht auf die Idee kommen, sich an einen Seelsorger zu wenden." Seit Juni ist Behrens einer der Beauftragten für Homosexuellen-Seelsorge im Bistum Dresden-Meißen. Er erklärt, warum er die Aussagen des Katechismus zu dem Thema für "einfach peinlich" hält.
Frage: Pfarrer Behrens, der Limburger Regens Christof May hat in einer im Internet übertragenen Predigt gesagt, er wolle das homosexuelle Paar nicht länger im Wohnzimmer segnen müssen, sondern es in der Mitte der Gemeinschaft der Kirche sehen. Wie reagieren Sie als Seelsorger, wenn ein homosexuelles Paar Sie um einen Segen bittet?
Behrens: Ich würde es mir nicht verbieten lassen, ein homosexuelles Paar zu segnen. Ich sehe es als meinen Auftrag, Menschen mit Gott in Verbindung zu bringen und nicht die Türen zu schließen, sondern sie zu öffnen.
Frage: Eine konkrete Anfrage eines homosexuellen Paares, sie zu segnen, haben Sie also noch nicht bekommen?
Behrens: Nein. Ich warte eigentlich mal darauf (lacht).
Frage: Wie könnte so eine Segnung denn konkret aussehen?
Behrens: Ich bin ein kreativer Mensch und würde mir etwas überlegen, das zu den Menschen passt, schön ist und eine Botschaft zum Ausdruck bringt. Das allerwichtigste ist, dass das Paar im Mittelpunkt steht, das diesen Segen möchte. Aus deren Lebensgeschichte könnte man also eine kleine Liturgie entwickeln. Dass sowas geht, habe ich in der Pastoral schon öfter erlebt, ob mit Kindern oder jetzt in der Krankenhausseelsorge mit Sterbenden. Für alle Beteiligten muss es schön, menschlich und einladend sein. Um es fromm auszudrücken: Es muss um das Reich Gottes gehen. Aber eine Vorlage würde ich dafür kaum nehmen, sondern das aus der jeweiligen Situation heraus entwickeln.
Frage: Sie würden also auch nicht davor zurückschrecken, so einen Segen in einer Kirche zu sprechen?
Behrens: Ich würde das sogar empfehlen. Verstecken würde ich so einen Segen nicht wollen. Und ich würde auch gar nicht so viel nachfragen – auch nicht den Bischof. Der hat mir freie Hand gegeben und mich beauftragt. Was das angeht bin ich also ganz locker.
Frage: Bischof Heinrich Timmerevers hat die Gemeindereferentin Carola Gans und Sie im Juni mit der Seelsorge für homosexuelle Menschen beauftragt. Warum wurden gerade Sie ausgewählt und wie hat sich das entwickelt?
Behrens: Einer unserer Personaler sagte zu mir: "Wir wissen, wie Sie in der Seelsorge mit Menschen umgehen. Deshalb haben wir an Sie gedacht." Wir wurden beauftragt als Ansprechpartner, das ist also kein pastoraler Auftrag im Sinne einer Sendung. Seitdem haben wir begonnen, Kontakte zu knüpfen und unsere Adressen weiterzugeben. Viele Begegnungen hatten wir deshalb leider noch nicht. Aber langsam kommt alles etwas ins Rollen. Was wir aber schon gemerkt haben ist ein großes Vertrauen und eine große Freude, dass ein Bischof mit ihnen reden möchte. Bischof Timmerevers hatte in Dresden ein Treffen des "Christlich schwul-lesbischen Stammtisches" besucht und war von den Menschen und ihren Lebensverläufen sehr beeindruckt und hat deswegen gesagt: "Hier müssen wir etwas tun."
Frage: Welche Unterstützung bekommen Sie dafür aus Ihrer Bistumsleitung?
Behrens: Ich spüre jegliche Unterstützung aus dem Ordinariat. Auch der Bischof hat uns in einem eigenen Gespräch dafür gedankt, dass wir uns einsetzen. Diese moralische Unterstützung haben wir also und mehr brauche ich nicht.
Frage: Wundert es Sie, dass das in Dresden-Meißen erst jetzt jemanden mit der Seelsorge für homosexuelle Menschen beauftragt?
Behrens: Im Osten geht das manchmal ein bisschen langsamer (lacht). Aber wir sind stolz darauf, dass wir das hier nun offensiv angehen und so wie ich Bischof Timmerevers verstehe, ist das auch ein Thema, für das er auf der Ebene der Bischofskonferenz kämpfen wird. Ich denke nicht, dass das bloß Makulatur ist, sondern Überzeugung. Er hat bei seinem Wechsel vom Westen in den Osten vermutlich auch die Erfahrung gemacht, dass wir vor ganz anderen Fragen stehen. Wenn hier nichts passiert in der Kirche, wenn sich nichts bewegt und wir nicht aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, dann existieren wir irgendwann einfach nicht mehr. Und das möchte er nicht riskieren.
Bischof Timmerevers befürwortet Segnung homosexueller Paare
"Ich weiß durchaus, dass eine Integration von Homosexuellen und mein jetziges Bemühen darum in unserer Kirche nicht von allen mitgetragen wird": Dresdens Bischof Heinrich Timmerevers plädiert für eine Neupositionierung der katholischen Kirche beim Umgang mit Homosexualität.Frage: Welche Fehler meinen Sie?
Behrens: Ich persönlich bin als Gemeindepfarrer kurioserweise nie mit dem Thema konfrontiert worden und es hat sich nie jemand mit einem seelsorglichen Anliegen an mich gewandt oder mich als Pfarrer einfach angesprochen. Da haben wir als Kirche ganze Arbeit geleistet, dass homosexuelle Menschen gar nicht auf die Idee kommen, sich an einen Seelsorger zu wenden.
Frage: Der Katechismus spricht davon, dass homosexuelle Neigungen in sich nicht in Ordnung und in keinem Fall zu billigen sind …
Behrens: Solche Aussagen sind aus meiner pastoralen und theologischen Sicht einfach nur peinlich. Man kann nur hoffen, dass diesen Unsinn nicht zu viele Menschen lesen. Was Psychologen und andere Wissenschaftler mittlerweile herausgefunden haben, scheint überhaupt keine Rolle zu spielen und es gibt keinen Willen, sich aufklären zu lassen. Das ist einfach peinlich.
Frage: Was ist vor diesem Hintergrund Ihr Ziel als Seelsorger für Homosexuelle?
Behrens: Es geht nicht bloß darum, dass wir um Ehe oder Segen streiten, sondern dass wir Menschen beistehen, die in Not sind und die Kirche brauchen. Dass jemand ihnen zuhört und sie begleitet. Dabei geht es nicht nur um christliche Gruppen homosexueller Menschen, sondern gerade hier in Sachsen auch um den Kontakt zu Nicht-Christen. Wenn die Menschen in dieser Community im Bistum Dresden-Meißen wüssten, dass sie mit ihren Sorgen und Anliegen zur katholischen Kirche gehen können, dann hätten wir schon viel erreicht. Das ist mein Herzensanliegen.
Frage: Fürchten Sie für Ihre Arbeit irgendwelche Konsequenzen?
Behrens: Nein. Das würde mich auch nicht weiter stören, weil ich eher ein Kämpfertyp bin. Wenn ich von einer Sache überzeugt bin und erkannt habe, dass es richtig und wichtig ist, habe ich keine Angst vor den Konsequenzen. Wenn wir an Gottes Schöpfung glauben und daran, dass er alles gut gemacht hat, dann muss ich auch dafür sorgen, dass der Gedanke Gottes in der Welt leben kann. Und obwohl wir ein sehr kleines Bistum sind, haben wir bisher keinerlei Anfeindungen für unsere Arbeit bekommen – obwohl wir das befürchtet hatten. Das ermuntert uns auch zu sagen: Wir sind auf dem richtigen Weg.