Rücktritt war offenbar schon im Juli geplant

Bistum Chur: Generalvikar Josef Annen tritt zurück

Veröffentlicht am 22.10.2020 um 11:58 Uhr – Lesedauer: 5 MINUTEN

Zürich ‐ Eigentlich sollte er bleiben, bis ein neuer Bischof gefunden ist. Jetzt hat der Generalvikar für die Schweizer Kantone Zürich und Glarus, Josef Annen, aber seinen Rücktritt verkündet. Dieser Schritt hat nicht alle überrascht.

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Der katholische Generalvikar der Schweizer Kantone Zürich und Glarus, Josef Annen, tritt zurück. Der 75-Jährige gebe sein Amt aus gesundheitlichen Gründen Ende Oktober ab, teilte das Bistum Chur am Mittwoch mit.

Ursprünglich hatte Annen demnach bereits Ende Juli seinen Posten aufgeben wollen, Bischof Peter Bürcher, Apostolischer Administrator des Bistums Chur, habe ihn aber gebeten, die Aufgaben weiterzuführen, bis die Bischofsnachfolge geregelt sei. Annen habe sich daraufhin bereit erklärt, die Aufgabe weiterhin wahrzunehmen, "sofern ihm die nötige Gesundheit gegeben sei".

Bischof übernimmt Aufgaben

Bürcher habe "die Demission mit Verständnis, aber auch mit Bedauern angenommen", heißt es in der Mitteilung. Er danke Annen für die vielen Jahre des priesterlichen Dienstes "in der Sorge um das Wohl der Gläubigen und der Kirche im Bistum Chur".

Bis zur Amtsübernahme durch einen neuen Bischof soll die Verantwortung für das regionale Generalvikariat Zürich/Glarus nun von Bischof Bürcher selbst übernommen werden. Dieses Vorgehen diene dazu, über die Nachfolge Annens "zum jetzigen Zeitpunkt keine faktische Vorentscheidung zu treffen", schreibt das Bistum. Das Generalvikariat mit Sitz in Zürich hat die Verantwortung über alle Pfarreien in den Kantonen Zürich und Glarus. Der regionale Generalvikar vertritt in diesen beiden Kantonen den Bischof von Chur.

Bild: ©Bistum Chur

Er habe den Rücktritt Annens "mit Verständnis, aber auch mit Bedauern angenommen": der Apostolische Administrator im Bistum Chur, Bischof Peter Bürcher.

Der ehemalige regionale Generalvikar für die Urschweiz, Martin Kopp, äußerte Verständnis für Annens Rücktritt. "Leider kann es mich nicht erstaunen, dass Josef Annens Kräfte am Ende sind. Ebenso wenig erstaunte mich, dass er eine Reha antreten musste. Ich hatte das schon viel länger erwartet", sagte er dem Online-Portal "kath.ch". "Ich war in der genau gleichen Situation: Meine Kräfte waren ebenso zerschlissen." Bischof Bürcher sei mit der fristlosen Entlassung Kopps allerdings einem Rücktritt zuvorgekommen.  

Laut Kopp hatten Josef Annen und er geplant, im Sommer 2020 gemeinsam zurückzutreten. "Der Verschleiß an psychischen Kräften im Amt, vor allem aber im Bischofsrat, war enorm. Das hat an uns beiden gezehrt, dies war unverkennbar."

In einem am Dienstag veröffentlichten Brief an die Mitarbeiter des Bistums hatte Bischof Bürcher sich bereits gegen eine "kleine, aber lautstarke Gruppe von Personen, die zum Teil in der Sendung des Bistums stehen" gewehrt, die versucht hätten "Stimmung zu machen". Dabei hätten sie Methoden angewandt, "die nicht dem Dialog, sondern der politischen Druckausübung dienen", so Bürcher. Das sei in der Kirche "etwas Ungehöriges, das spaltet und verletzt". Gemeint ist die Petition "Solidarität mit Dr. Martin Kopp: Wir distanzieren uns vom Entscheid von Peter Bürcher", den ihm eine Gruppe Katholiken - verbunden mit einer Pilgerreise nach Chur - Mitte Juni übergeben wollte.

Tiefe Risse im Bistum vor nächster Bischofswahl

Seit Jahren kommt das Bistum Chur nicht zur Ruhe. Die Risse im Bistum Chur, zu dem neben stark ländlichen Kantonen auch die finanzstarken Katholiken der Metropole Zürich gehören, begannen Ende der 80er Jahre unter dem äußerst konservativen heutigen Erzbischof von Vaduz, Wolfgang Haas, gegen den viele Churer Katholiken Sturm liefen. Haas war – unter Umgehung der Rechte der Diözese – on Papst Johannes Paul II. direkt ernannt worden und stieß durch seine Haltung und Personalentscheidungen das an Mitbestimmung gewöhnte Kirchenvolk vor den Kopf.

Haas' Nachfolger Amedee Grab gelang es, die Wogen zwischen Bischof und Gläubigen weitgehend zu glätten, doch unter seinem konservativen und polarisierenden Nachfolger Vitus Huonder brachen viele Konflikte wieder auf. Nachdem Papst Franziskus 2019 Huonders Amtsverzicht aus Altersgründen akzeptiert hatte, wurde der frühere Bischof von Reykjavik, Peter Bürcher, zum Apostolischen Administrator ernannt. Auch er eckte an, als er Mitte März den beliebten Generalvikar Martin Kopp absetzte – weil dieser sich angeblich illoyal verhalten und öffentlich zur anstehenden Bischofswahl positioniert hatte. Die Empörung über die Entlassung war groß. Kopp sieht sich als Opfer einer "gezielten Demütigung" und einer Intrige der Bistumsleitung – namentlich des Generalvikars Martin Grichting und des Medienbeauftragten Giuseppe Gracia. (cbr)