Mentoring-Programm: "Mehr Frauen in Leitung machen einen Unterschied"
Von der Mentee zur Projektleiterin: Bis Juni 2020 nahm Theologin Stephanie Feder am Programm "Kirche im Mentoring – Frauen steigen auf" des Hildegardis-Vereins teil – nun leitet sie das Projekt, das im dritten Durchgang Frauen auf Führungspositionen in der katholischen Kirche vorbereiten will. Im Interview erzählt sie von Erfahrungen und ersten Erfolgen. Sie erklärt auch, warum Frauen sehr wohl etwas in der katholischen Kirche erreichen können – und warum die Vatikan-Instruktion zu Pfarreireformen weniger ein Hindernis für das Programm darstellt.
Frage: Frau Feder, bis Juni waren Sie selbst Mentee. Welche Erfahrungen bringen Sie dadurch jetzt als neue Projektleiterin von "Kirche im Mentoring" mit?
Feder: Der große Vorteil ist, dass ich das Programm aus der Teilnehmer-Perspektive kenne. Diejenigen vom Hildegardis-Verein, die "Kirche im Mentoring" entwickelt haben, konnten das Programm nicht an sich selbst erfahren. Ich weiß nun aber, welche Referentinnen und Referenten mich weitergebracht haben, welche Seminareinheit gut für meine berufliche Entwicklung waren und ich habe Ideen, welche Programmpunkte wir künftig anders umsetzen können.
Frage: 64 Frauen starten in diesem Durchgang in die Tandemgruppen. Das ist im Vergleich zu den zwei Runden in den Vorjahren ein großer Anstieg. Wo, denken Sie, kommt der Erfolg her?
Feder: Aus der Perspektive als Mentee denke ich, dass es Zeit brauchte, bis sich das Programm in den Bistümern so durchsetzen konnte, dass Frauen es wahrnehmen. Inzwischen ist es aber glücklicherweise so, dass fast alle Bistümer und viele kirchliche Organisationen teilnehmen und dass es unter deren Mitarbeiterinnen genügend interessierte Frauen gibt. Es gibt immer mehr positive Geschichten von ehemaligen Teilnehmerinnen. Dadurch sehen andere Frauen, dass das Programm ihnen helfen kann, sich stärker zu machen, sich zu vernetzen und die eigene Karriere zu entwickeln.
Frage: Welche Erfolge konnten Sie aus den vergangenen Jahren bereits verbuchen?
Feder: Die Frage ist: Woran messen wir den Erfolg für die Frauen? Ich glaube, jede einzelne Teilnehmerin sieht, was sich für sie an Möglichkeiten ergeben hat. Außerdem konnten inzwischen mehrere Frauen in den Bistümern in Führungspositionen aufsteigen. Ein weiterer Erfolg ist, dass bereits 94 Frauen teilgenommen haben und dass das Interesse weiter wächst. Uns ist wichtig, dass kleinere Bistümer wie Magdeburg überhaupt eine Teilnehmerin schicken können. Es sind aber auch große Bistümer dabei, wie Köln, Paderborn oder München, die regelmäßig mehrere Frauen schicken. „Kirche im Mentoring“ ist aber kein Programm, das von heute auf morgen wirkt, sondern es ist mittelfristig orientiert: Wir gehen nicht davon aus, dass Frauen im nächsten Jahr sofort aufsteigen. Im Mentoring-Jahr sollen sie sich vorbereiten, in ein Netzwerk hineinkommen, auf das sie zurückgreifen können, und lernen, für sich selbst Entscheidungen zu treffen: Wo möchte ich hin? Was ist der richtige Arbeitsplatz für mich? Wo kann ich meine Talente einbringen?
„Generell ist es möglich, an vielen Stellen aufzusteigen. Das sehen wir gerade im verwaltungstechnischen Bereich in Generalvikariaten und Ordinariaten. Da können Frauen zur Hauptabteilungsleiterin oder – wie zuletzt in München – zur Amtschefin aufsteigen. Da ist noch sehr viel Potenzial nicht ausgeschöpft.“
Frage: Das Programm will Frauen darauf vorbereiten, in höhere Positionen einzusteigen. Kann frau in der katholischen Kirche denn wirklich etwas erreichen?
Feder: Das ist eine Frage der Perspektive. Generell ist es möglich, an vielen Stellen aufzusteigen. Das sehen wir gerade im verwaltungstechnischen Bereich in Generalvikariaten und Ordinariaten. Da können Frauen zur Hauptabteilungsleiterin oder – wie zuletzt in München – zur Amtschefin aufsteigen. Da ist noch sehr viel Potenzial nicht ausgeschöpft. Eine andere Frage ist natürlich, wie Frauen im pastoralen Bereich aufsteigen können. Dadurch, dass Bistümer sich mit dem Thema Gemeindeleitung intensiver beschäftigen, rückt die Frage stärker in den Fokus.
Frage: Das Programm nehmen auch viele Frauen aus dem pastoralen Bereich wie Gemeindereferentinnen wahr. Wo Sie die Gemeindeleitung erwähnen: Inwiefern ist das bei Ihnen ein Thema und bereiten Sie die Frauen auch darauf mit bestimmten Inhalten vor?
Feder: Wir gehen bedarfsspezifisch vor und machen das immer davon abhängig, welche Frauen in den einzelnen Gruppen dabei sind. Wie muss also das Programm sein, damit sie bestmöglich davon profitieren? Es ist uns wichtig, nicht nach pastoralen Mitarbeiterinnen und denen in der Verwaltung zu unterscheiden, sondern die zwei Gruppen sollen ergänzend miteinander lernen. Wir arbeiten mit einem Gremium aus Vertreterinnen und Vertretern der teilnehmenden Bistümer zusammen, das überlegt, welche aktuellen Themen es gibt und worauf die Mentees besonders vorbereitet werden müssen. Ein Schwerpunktthema ist da, sich mit den Bedarfen der pastoralen Mitarbeiterinnen zu befassen, weil sie – das weiß ich aus Erfahrung – andere Impulse brauchen als in der Verwaltung tätige Frauen. In unseren Seminaren haben alle Teilnehmerinnen viel Raum, um eigene Fragen oder Herausforderungen zu artikulieren, die sie an der je individuellen Stelle ergeben.
Frage: Es ist also auch eins Ihrer Ziele, Frauen auf die Gemeinde- oder Pfarreileitung vorzubereiten?
Feder: Ja, zumindest ist es das, was uns die Bistümer mitteilen. Wir bereiten die Frauen vor, weil die Bistümer sie dafür auswählen. So etwa das Bistum Osnabrück, das mit den sogenannten Pfarrbeauftragten konkret das Mentoring-Programm nutzt, um Frauen auf ihre Aufgabe als Hauptamtliche, die eine Pfarrei oder Pfarreiengemeinschaft leiten, vorzubereiten.
Frage: Der Vatikan hat mit seiner Pfarreien-Instruktion diese Modelle ja mehr als nur in Frage gestellt. War das für Sie oder auch andere Frauen im Programm eine Demotivation?
Feder: Das ist, glaube ich, eher eine kirchenpolitische Frage, die für uns zunächst nicht von allzu großer Relevanz ist, weil wir nur auf das reagieren, was uns die Bistümer weitergeben. Wenn das Bistum Osnabrück uns beispielsweise rückmeldet, eine Frau auf die Rolle einer Pfarrbeauftragten vorzubereiten, dann ist das der spezifische Bedarf des Bistums und dann nehmen wir das in unser Programm auf.
Frage: Trotzdem klingen Begriffe wie Priesterin, Bischöfin und selbst Diakonin ziemlich nach Zukunftsmusik. Was ist Ihre oder die Motivation der anderen Frauen?
Feder: Ich denke, es gibt viele Möglichkeiten, als Frau in der Kirche zu agieren und aufzusteigen. Ich habe viele motivierte Frauen erlebt und muss sagen: Wenn die katholische Kirche dieses Potenzial nutzt, hat sie großartige Zukunftsaussichten. Von daher ist das für uns nicht die zentrale Frage. Wir motivieren Frauen dazu, in ihren Bereichen konkret Verantwortung und Leitung zu übernehmen und wir bereiten sie auf das vor, was in ihrem realen kirchenpolitischen Kontext zurzeit möglich ist.
Frage: Welchen Effekt hätte es, wenn mehr Frauen in Führungspositionen in der Kirche aufsteigen, auch unter dem Aspekt der Pfarrei- und Gemeindeleitung?
Feder: Mehr Frauen in Leitung machen einen Unterschied – in der Pastoral genauso wie in Ordinariaten und Generalvikariaten. Der Effekt würde sich beispielsweise in vielfältigen Leitungsformen zeigen: Bei mehr Frauen in Führungspositionen würden mehr Leitungsstellen geteilt. Studien zeigen, dass sich die Teilung von Leitung positiv auf die das ganze Arbeitsteam auswirkt, weil Prozesse transparenter sind und Entscheidungen gemeinsam getroffen werden. Für viele Mitarbeitende, nicht nur für Frauen, könnte sich auch die Work-Life-Balance verbessern, wenn Chefinnen, die Kinder haben und in Partnerschaften leben, neben ihrer beruflichen Tätigkeit auch noch einen anderen Fokus haben. Die Talente von Frauen zu nutzen, gerade im Bereich der Leitung, ermöglicht, dass vielfältige Leitungsformen ausprobiert und überhaupt erst einmal sichtbar werden. Wie Kardinal Marx bereits 2017 gesagt hat, wäre es geradezu verrückt, auf die Begabungen von Frauen zu verzichten.
Es ist aber auch wichtig, dass nicht nur darauf geschaut wird, was Frauen einbringen, sondern auch was die kirchlichen Organisationen beisteuern können, damit Frauen Leitung übernehmen möchten. Sie müssen Voraussetzungen schaffen, wie etwa die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Möglichkeit, mit neuen Leitungsmodellen zu experimentieren.
Frage: Wenn wir in die Zukunft blicken, in welche Richtung entwickelt sich das Mentoring-Programm?
Feder: Ich habe hier im Hildegardis-Verein sehr gute Grundlagen vorgefunden. Als Mentee hat mich das Programm und alles, was mit dazugehört, begeistert. Mich hat überzeugt, dass man für ein Jahr eine gute Begleitung erfährt. In Zukunft könnte das E-Learning ein wichtiger Aspekt sein. Jetzt in der Corona-Zeit hat das nochmal an Bedeutung gewonnen. Mit E-Learning habe ich mich schon früher auseinandergesetzt, deswegen werden wir überlegen, welche digitalen Formate es geben kann. Ich selbst bin Theologin, was auch ein Unterschied zu meiner Vorgängerin ist. Da wäre es mein Ansinnen, dem Programm eine gewisse Spiritualität und theologische Fundierung mitzugeben.