Franziskus verändere Kirche auch ohne offizielle Korrekturen der Lehre

Halík über Homosexuelle: Papst vollzieht Revolution der Barmherzigkeit

Veröffentlicht am 05.11.2020 um 13:47 Uhr – Lesedauer: 

Prag ‐ Nach Ansicht des tschechischen Theologen Tomáš Halík verändert Papst Franziskus das Leben der Kirche von innen her – auch ohne offizielle Korrekturen der kirchlichen Lehre. Das zeige sich einmal mehr an seinen Äußerungen über homosexuelle Paare.

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Der tschechische Priester und Theologe Tomáš Halík hat die Äußerungen von Papst Franziskus zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften als "Revolution der Barmherzigkeit" gelobt. In einem Dokumentarfilm hatte Franziskus sich jüngst für das Recht homosexueller Paare auf staatliche Absicherung ausgesprochen. Damit habe der Papst auf positive Weise die "Welt schockiert" – und dass alleine dadurch, dass er wie ein "normaler Mensch des 21. Jahrhunderts" spricht, "der Vernunft hat und das Herz auf dem rechten Fleck", so schrieb Halík in einem Gastbeitrag für das Münsteraner Forum für Theologie und Kirche, der am Mittwoch außerdem auf dem theologischen Onlineportal "feinschwarz" veröffentlich wurde.

Halík gehört zu den bekanntesten theologischen Stimmen eines bekenntnisstarken, aber im gesellschaftlichen Diskurs der Gegenwart verwurzelten Christentums. Er ist Professor für Philosophie und Soziologie an der Karlsuniversität Prag und arbeitete während des Kommunismus als im Geheimen geweihter Priester in der so genannten Untergrundkirche. Seine Bücher wurden in zahlreiche Sprache übersetzt und erreichen gerade in Deutschland Bestauflagen.

Franziskus verändert das kirchliche Leben von innen

In seinem Umgang mit gleichgeschlechtlich liebenden Menschen zeige Papst Franziskus eine Haltung, die sich auch in anderen Themen durch sein gesamtes Pontifikat ziehe. "Dieser Papst ändert nicht geschriebene Normen, er zerstört nicht äußere Strukturen – er ändert jedoch die Praxis, das Leben. Er verwandelt die Kirche nicht von außen, sondern viel gründlicher: geistlich, von innen", so Halík. Dieses Vorgehen betrachtet der tschechische Theologe als wichtige Opposition gegen konservative Kräfte in der Kirche, die eine "kompromisslose Treue zum Buchstaben des Gesetzes" forderten und damit genau jene Haltung einnähmen, "gegen die Jesus ein Leben lang gekämpft" habe.

Die lehramtliche Bewertung von Homosexualität bezeichnet Halík als "inkonsequente Kompromisspositionen", die "zu jenen 'Konserven' gehören, deren Haltbarkeitsdatum längst abgelaufen ist". Über diese Thematik hinaus kritisiert der Theologe einen nicht "kleinen Teil der Christen", die heute "einen so entleerten positiven Glaubensinhalt" hätten, "dass sie ihre 'christliche Identität' auf einem 'Kulturkrieg' aufbauen, auf einem Krieg gegen Kondome, gegen Abtreibungen, gegen Partnerschaften von Homosexuellen". Solchen Gruppen fühle er sich mitunter fremder als manchem Atheisten, weshalb Halík in seinem Beitrag eine neue Ökumene zwischen "denkenden Menschen, sowohl unter den Gläubigen, als auch unter den Ungläubigen" fordert. (mfi)