Malteser wählen neuen Großmeister: Wer infrage kommt, wie gewählt wird
Heute wählt der Malteserorden eine neue Leitung. Der bisherige Großmeister Fra' Giacomo Dalla Torre war im Alter von 75 Jahren verstorben. Politisch ist der Orden ein eigenes Völkerrechtssubjekt. Der "Außenminister", Großkanzler Albrecht von Boeselager (71), erklärt im Interview, wie die Wahl abläuft - und vor welchen Herausforderungen die weltweit tätigen Malteser und ihre Mitstreiter angesichts der Corona-Pandemie stehen.
Frage: Herr von Boeselager, wer kann Nachfolger von Großmeister Giacomo Dalla Torre werden?
von Boeselager: Ein Professritter, der schon länger die Ewigen Gelübde von Armut, Keuschheit und Gehorsam abgelegt hat.
Frage: Wer wählt?
von Boeselager: Der aus rund 50 Personen bestehende Große Staatsrat. Wir gehen davon aus, dass am Samstag wohl 40 Mitglieder des Rates in Rom anwesend sind.
Frage: Wie läuft die Wahl ab?
von Boeselager: Bereits vor der eigentlichen Wahl treffen sich die Professritter und entscheiden, ob sie eine Terna, also eine Dreierliste, vorschlagen. In den ersten drei Wahlgängen ist der Staatsrat an diese Liste gebunden; danach ist das Gremium frei in seiner Entscheidung. Die Zahl der Wahlgänge ist nicht begrenzt. Gewählt ist, wer als erster 50 Prozent plus eine Stimme auf sich vereinigen kann.
Frage: Und der ist dann der neue Großmeister.
von Boeselager: Oder der Statthalter, wenn die Amtszeit des neuen Leiters nur auf ein Jahr begrenzt werden soll.
Frage: Eine andere Personalie sorgte jüngst für Wirbel: der Abgang von Kurienkardinal Angelo Becciu. Der war auch Beauftragter des Papstes für die Malteser. Was bedeutet das für den Orden?
von Boeselager: Auf unsere Arbeit hat sich der Rückzug nicht ausgewirkt. Becciu ist nicht Teil der Ordensregierung, sondern der Repräsentant des Papstes beim Orden.
Frage: Aber der Kardinal sollte die Reformen bei Verfassung und Kodex prüfen, der zentralen Rechtsquelle des Ordens.
von Boeselager: Die Vorschläge stehen, und der Kardinal hatte wohl auch schon angefangen, diese zusammen mit Kirchenrechtlern zu prüfen. Das lag natürlich erst einmal auf Eis. Am Wochenende hat der Papst allerdings den zukünftigen Kardinal Silvano Tomasi zum neuen Delegaten ernannt. Mit ihm wird zu besprechen sein, wie nun weiter zu verfahren ist.
Frage: Worum geht es bei den Reformen?
von Boeselager: Etwa darum, wie die Regierung der Malteser künftig aussehen soll. Der Heilige Stuhl muss aber lediglich jene Teile unserer Verfassung genehmigen, die den Malteserorden als religiösen Orden betreffen. Da geht es insbesondere um die Professritter, also die Mitglieder des Ersten Standes.
Frage: Was genau ist das Problem?
von Boeselager: Nachdem der französische Kaiser Napoleon Malta erobert hatte, wurde das Eigentum des Ordens konfisziert. Das hatte zur Folge, dass der Orden ab Beginn des 19. Jahrhunderts seine Professritter nicht mehr finanziell unterstützen konnte, sie sich also einen zivilen Beruf suchen mussten. Inzwischen jedoch ist unsere Gemeinschaft wieder so gewachsen, dass es wünschenswert wäre, wenn die Mehrheit des Ersten Standes wieder vollständig in den Werken des Ordens tätig würde.
Frage: Könnte der Orden aber nicht schon die Teile der Reform in Kraft setzen, für die es nicht der Zustimmung des Heiligen Stuhls bedarf?
von Boeselager: Das wäre mit Blick auf Verfassung und Kodex wenig sinnvoll. Davon unabhängig hat es schon eine ganze Menge Veränderungen gegeben. Bei Finanzwesen und Compliance, aber auch bei der Berücksichtigung von Frauen in Entscheidungsfunktionen.
Frage: In Deutschland erscheint dieser Tage ein Buch des Publizisten Constantin Magnis über die Malteser. Darin ist von einem "Machtkampf" zwischen Maltesern und dem Vatikan die Rede. Was ist da dran?
von Boeselager: Nichts, insofern es keine Auseinandersetzung zwischen dem Orden an sich und dem Vatikan gab. In der Tat haben wir eine schwierige Zeit erlebt, die mit dem Rücktritt des damaligen Großmeisters Matthew Festing Anfang 2017 endete. Grund dafür war unter anderem eine Auseinandersetzung zwischen ihm persönlich und seiner direkten Umgebung mit dem Vatikan.
Frage: Inwiefern beeinflusst Corona die Arbeit der Malteser?
von Boeselager: In jeder Hinsicht, angefangen vom Betrieb unserer Altenheime und Krankenhäuser in Deutschland bis hin zu Schulspeisungen von Kindern in Afrika. Manche Angebote mussten wir umstellen, manche sogar einstellen. Ermutigend ist, wie unglaublich konstruktiv unsere Mitglieder, Mitarbeiter und freiwilligen Helfer mit der Situation umgehen.
Frage: Wie läuft die Regierungsarbeit der Malteser derzeit ab?
von Boeselager: Ganz viel geht per Videokonferenz. Aber das stößt an Grenzen. Der direkte zwischenmenschliche Kontakt ist nicht ersetzbar.
Frage: Wie steht es um den Dialog mit dem Islam, gerade angesichts der jüngsten Attentate in Frankreich?
von Boeselager: Das unterstreicht die Dringlichkeit eines Gesprächs zwischen den Religionen - wobei unsere Ansprechpartner niemals derlei Anschläge rechtfertigen würden. Bei unserer Initiative geht es um ein gemeinsames Dokument zu Prinzipien der humanitären Hilfe. Doch auch hier sorgt die Pandemie leider für Verzögerungen. Wir hoffen, dass wir bald ein gemeinsames Papier vorstellen können.
Frage: Die Not ist in vielen Ländern auch ohne Corona groß. Wo schauen die Malteser gerade besonders hin?
von Boeselager: Ein wachsender Schwerpunkt unserer Tätigkeit ist der Nahe Osten, vor allem der Libanon. Das Land steht nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut vor dem Zusammenbruch. Mit Unterstützung der Bundesregierung und anderen Organisationen versuchen wir - neben humanitärer Hilfe - lokale Infrastrukturmaßnahmen und Projekte in der Landwirtschaft zu fördern.
Frage: Schließt das auch ein diplomatisches Engagement auf Regierungsebene mit ein?
von Boeselager: Nein, wir wollen möglichst unabhängig und effizient arbeiten. Die Malteser sind eine der wenigen Organisationen, die mit allen Seiten im Land reden können. Das soll auch so bleiben.