Englische Bischöfe zu Missbrauchs-Studie: Haben Opfern nicht zugehört
Nach der Veröffentlichung eines staatlichen Untersuchungsberichts über Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche in England und Wales haben die Bischöfe auf die darin enthaltenen Vorwürfe reagiert. "Wir entschuldigen uns bei allen Opfern und Überlebenden, die nicht richtig angehört oder von uns nicht richtig unterstützt wurden", hieß es am Mittwoch in einer gemeinsamen Stellungnahme des Vorsitzenden und des stellvertretenden Vorsitzenden der Bischofskonferenz von England und Wales, Kardinal Vincent Nichols und Erzbischof Malcolm McMahon. "Indem wir denen, die gelitten haben, demütig zuhören, können wir zur Heilung der Wunden des Missbrauchs beitragen und von den am unmittelbarsten Betroffenen lernen, wie wir die Schutzstandards, Richtlinien und Verfahren der Kirche verbessern müssen."
Die Studie sei ein "wichtiger Moment auf unserem Weg der Sicherstellung von Schutzmaßnahmen", heißt es weiter. Der Bericht werde bei der Vollversammlung der Bischöfe in der kommenden Woche eingehend geprüft, "damit wir überlegen können, wie wir die Ergebnisse dieser wichtigen Untersuchung in das Leben und die Arbeit der Kirche integrieren können, um Kinder und gefährdete Menschen konsequent zu schützen".
War Nichols das Ansehen der Kirche wichtiger?
Der 147-seitige Bericht war am Dienstag vorgestellt worden und beruht auf öffentlichen Anhörungen. Unter anderem wird darin Kardinal Nichols, Erzbischof von Westminster, beschuldigt, in einer dieser Anhörungen versäumt zu haben, "persönliche Verantwortung" zu übernehmen oder "Mitgefühl mit den Opfern zu zeigen". Zudem habe er "anscheinend das Ansehen der Kirche" über seine Pflicht gegenüber den Opfern sexueller Übergriffe gestellt.
Insgesamt katalogisiert der Bericht Fälle aus den vergangenen 50 Jahren. Demnach erhielt die Kirche in England und Wales zwischen 1970 und 2015 über 900 Beschwerden bezüglich 3.000 Fällen von Kindesmissbrauch gegen mehr als 900 Personen. Im gleichen Zeitraum habe es 177 Strafverfahren gegeben, die zu 133 Verurteilungen geführt hätten. Zudem legt die Studie nahe, dass sexueller Missbrauch durch Geistliche kein Phänomen der Vergangenheit ist: Seit 2006 habe die Kirche über 100 Anschuldigungen pro Jahr gemeldet.

Im Fokus der Kritik: Kardinal Vincent Nichols, Erzbischof von Westminster und Vorsitzender der Bischofskonferenz von England und Wales.
Die Autoren des Berichts fordern die Bischofskonferenz und die Ordenskonferenz in England und Wales nachdrücklich auf, jeweils ein "führendes Mitglied" zu benennen, das für die Schutzmaßnahmen gegen Missbrauch verantwortlich sein soll. Außerdem müsse eine verpflichtende Ausbildung für diejenigen, die mit Kindern oder Missbrauchsopfern arbeiten, sowie "einen klaren Rahmen für den Umgang mit Fällen der Missachtung". Unter Bezugnahme auf can. 1395 des Kirchlichen Gesetzbuchs werden die Bischöfe zudem aufgefordert, den Heiligen Stuhl zu ersuchen, "die kanonischen Verbrechen im Zusammenhang mit sexuellem Kindesmissbrauch als Verbrechen gegen das Kind umzuformulieren".
Kritik am Vatikan
Gleichzeitig wird in der Studie Kritik am Heiligen Stuhl laut. So habe der Vatikan nur "sehr begrenzte Informationen" bei der Untersuchung zur Verfügung gestellt, von denen ein Großteil bereits öffentlich bekannt sei. "Die begrenzte Reaktion des Heiligen Stuhls in dieser Angelegenheit zeugte offensichtlich nicht von der Bereitschaft, Maßnahmen zu ergreifen. Für diese mangelhafte Zusammenarbeit fehlt jegliches Verständnis", heißt es wörtlich.
Gegenüber britischen Medien hat Kardinal Nichols unterdessen dementiert, dass sein kürzlich bei Papst Franziskus eingereichtes Rücktrittsgesuch in Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Untersuchungsberichts stehe. Dies habe lediglich mit seinem Alter zu tun, da er am 8. November 75 geworden ist und deshalb gemäß can. 401 des Kirchlichen Gesetzbuch verpflichtet war, den Papst um die Entbindung von seinem Amt zu bitten, betonte der Kardinal. "Ich habe eine sehr unmissverständliche Antwort erhalten, und zwar, dass er mir sagt, ich solle hier im Amt bleiben", so Nichols. (mal)