Pariser Marienerscheinungen jähren sich zum 190. Mal

Auftrag der Gottesmutter? Der Siegeszug der "Wundertätigen Medaille"

Veröffentlicht am 27.11.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Paris ‐ Als die Vinzentinerin Catherine Labouré von ihren Visionen berichtete, glaubte ihr zunächst niemand. Doch die in ihrem Auftrag geprägte "Wundertätige Medaille" verbreitete sich rasant. Das ist die Geschichte der Marienerscheinungen – und ihres Erbes.

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Mutter Teresa von Kalkutta wünschte sich, dass jeder Jugendliche eine besitzen sollte, und wer sie sich an bestimmten Tagen von einem Priester auflegen lässt, kann dadurch einen vollkommenen Ablass erwerben: Die sogenannte "Wundertätige Medaille" erfreut sich bei vielen Gläubigen weltweit größter Beliebtheit. Sie wird von ihnen als Schutzzeichen um den Hals, in der Hosentasche oder im Geldbeutel getragen. Auf den millionenfach verbreiteten, ovalen Medaillen ist ein Bild der Jungfrau Maria eingeprägt. Die Darstellung geht auf eine Reihe von Erscheinungen der Gottesmutter in Paris zurück, die sich in diesem Herbst zum 190. Mal jähren.

"Lass nach diesem Muster eine Medaille prägen. Alle, die sie mit Vertrauen tragen, werden den besonderen Schutz der Muttergottes erfahren", soll die Erscheinung der jungen Vinzentinerschwester Catherine Labouré am 27. November 1830 aufgetragen haben. Catherine wurde 1806 als achtes Kind eines burgundischen Landwirts geboren und trat mit 24 Jahren in die Gemeinschaft der Töchter der christlichen Liebe in Paris ein. In der Nacht vom 18. auf den 19. Juli desselben Jahres, dem Gedenktag des hl. Vinzenz von Paul, auf den sich die Gemeinschaft der Vinzentinerinnen beruft, habe sie ein Kind aus dem Schlaf geweckt. Als sie ihm in die Kapelle des Klosters folgte, sei ihr dort die Gottesmutter erschienen und habe ihr eine wichtige Mission angekündigt, berichtete Schwester Catherine der Ordensoberin und ihrem Beichtvater. Beide schenkten den Erzählungen der jungen Novizin jedoch zunächst keinen Glauben.

Zweite Erscheinung der Gottesmutter

Als sich die geistige Erfahrung am 27. November während ihrer abendlichen Meditation wiederholte, beschrieb Catherine die Erscheinung ausführlicher: Maria habe sich ihr auf einer Weltkugel stehend in einem hellen Kleid und mit leuchtenden Ringen an der Hand gezeigt. Außerdem sei sie von einem ovalen Spruchband mit den Worten umgeben gewesen: "O Maria, ohne Sünde empfangen, bitte für uns, die wir unsere Zuflucht zu dir nehmen". Nachdem Catherine nach zweijähriger Prüfung immer noch an dem vermeintlich himmlischen Auftrag zur Verbreitung der Bildmedaillen festhielt, erwirkte ihr Beichtvater beim Bischof von Paris die Erlaubnis zur Prägung.

Allein in den folgenden vier Jahren sollen zweieinhalb Millionen Exemplare der kleinen Plakette verteilt worden sein. Die rasante Verbreitung erklärt sich wohl durch sich mehrende Gerüchte über Heilungen während einer damals grassierenden Cholera-Epidemie: Die Vinzentinerinnen hatten die Medaillen insbesondere an Infizierte in den Krankenhäusern ausgegeben. Durch das Auflegen dieses Schutzzeichens und die Anrufung Marias im Gebet soll es damals zu zahlreichen wundersamen Genesungen gekommen sein. Infolge der Erzählungen über diese Ereignisse mehrten sich auch die Bekehrungen in der Bevölkerung von Paris, weshalb die Plakette schnell den Beinamen "Wundertätige Medaille" erhielt. Auch die Dogmatisierung der Lehre von der "immaculata conceptio", der unbefleckten Empfängnis Mariens durch Pius IX. im Jahre 1854 dürfte zur weiteren Verbreitung des kleinen Wunderanhängers beigetragen haben – schließlich wird die Gottesmutter darauf ebenfalls als "ohne Sünde empfangen" bezeichnet wird.

Bild: ©Par Mbzt/CC BY-SA 3.0

Die Kapelle der Pariser Vinzentinerinnen in der Rue du Bac: Hier soll die Gottesmutter der Novizin Catherine Labouré am 27. November 1830 den Auftrag zum Prägen der "Wundertätigen Medaille" erteilt haben. Die Reliquien der heiligen Ordensschwester werden unter dem rechten Seitenaltar der Kapelle aufbewahrt.

Die etwa zwei Zentimeter große Medaille wurde 1832 von dem Goldschmied Adrien Vachette nach den detaillierten Beschreibungen Schwester Catherines entworfen: Die Vorderseite des kleinen ovalen Anhängers zeigt die Jungfrau Maria mit Heiligenschein und wallendem Umhang. Sie steht auf einer Erdkugel; unter ihren Füßen windet sich eine Schlange als Sinnbild des besiegten Bösen. Von den leicht ausgebreiteten Händen gehen Strahlen aus, von denen die Erscheinung gesagt haben soll, sie seien ein "Sinnbild der Gnaden, die ich über jene ausgieße, die mich darum bitten". Das Marienbild ist von einem ovalen Spruchband mit dem kurzen Bittgebet an die Gottesmutter umgeben, meist in französischer Originalsprache.

Auf der Rückseite der Medaille, die Catherine ebenfalls in ihrer Vision beschrieben worden sein soll, ist im Zentrum ein mit dem Kreuz geziertes "M" eingeprägt. Darunter finden sich das mit der Dornenkrone umschlungene Herz Jesu und das von einem Schwert durchbohrte Herz Mariens; alles umgeben von einem Kranz aus zwölf Sternen. Die Medaille ist heute oft in einen Rosenkranz eingearbeitet, kann aber auch an einer dünnen Kette oder lose in der Tasche getragen werden. Einzelne Exemplare können über die Homepage der deutschen Vinzentinerinnen kostenlos bezogen werden, darüber hinaus gibt es in Kirchenkatalogen und im Onlinehandel die unterschiedlichsten Ausführungen zu kaufen.

Schwester Catherine arbeitete die restliche Zeit ihres Lebens in einem Altenheim. Erst kurz vor ihrem Tod im Jahre 1876 erfuhren ihre Mitschwestern, dass sie es war, die den Auftrag zum Prägen der Medaillen gegeben hatte. Sie wurde 1933 selig und 1947 durch Papst Pius XII. heiliggesprochen, der sie als "Heilige des Schweigens" zu bezeichnen pflegte. Ihr Gedenktag ist ihr Todestag, der 31. Dezember. Die Reliquien der Heiligen werden in der Klosterkapelle der Pariser Vinzentinerinnen in der Rue du Bac verehrt und sind ein beliebtes Pilgerziel. Die Visionen der hl. Catherine Labouré zählen zu den vom Vatikan in ihrer Übernatürlichkeit anerkannten Marienerscheinungen. Anlässlich ihres 190. Jubiläums weihte Papst Franziskus Anfang des Monats in Rom eine entsprechende Marienstatue, die ab Dezember während einer einjährigen Wallfahrt durch ganz Italien getragen werden soll.

Von Moritz Findeisen