Kirchensteuereinnahmen sinken wegen Pandemie-Maßnahmen

Kirchen rechnen mit Milliardenverlusten durch die Corona-Krise

Veröffentlicht am 15.11.2020 um 12:23 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Die Corona-Pandemie bekommen die Kirchen auch finanziell zu spüren: Nicht zuletzt wegen Kurzarbeit und den Einkommensrückgängen von Selbstständigen werden die Kirchensteuereinnahmen sinken. Damit verstärkt sich ein sowieso prognostizierter Trend.

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Die Kirchen in Deutschland verlieren in der Corona-Krise voraussichtlich mehr als eine Milliarde Euro an Steuereinnahmen. Laut einer Umfrage der "Welt am Sonntag" gehen sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche von einem Kirchensteuereinbruch in diesem Jahr um mindestens acht Prozent aus. Das wäre ein mindestens doppelt so starker Einbruch wie in der Finanzkrise 2009, als die Steuereinnahmen der Kirchen um vier Prozent zurückgingen.

Die Kirchen kämen demnach 2020 zusammen noch auf Kirchensteuereinnahmen von maximal 11,69 Milliarden Euro nach 12,71 Milliarden Euro 2019. Damals entfielen 6,76 Milliarden Euro auf die katholische und 5,95 Milliarden Euro auf die evangelische Kirche.

Der Leiter der Finanzabteilung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Carsten Simmer, sagte der Zeitung, er gehe derzeit für die EKD von acht bis elf Prozent Rückgang der Kirchensteuereinnahmen aus. Durch die Corona-Krise beschleunigten sich die ohnehin für die kommenden Jahre erwarteten finanziellen Verluste der 20 Landeskirchen.

Fast zehn Prozent Einbruch

Für die katholische Kirche hat die Zeitung die 27 Bistümer einzeln befragt und aus 16 davon Antworten erhalten. Deren Prognosen bewegen sich demnach zwischen einem Rückgang von 4 Prozent in Münster und Passau und einem Minus von 13 Prozent in Würzburg. Die Mehrzahl der Bistümer, die eine konkrete Prognose abgegeben hatten, rechne mit Mindereinnahmen zwischen acht und zehn Prozent. Das Bistum Eichstätt sprach von einem "signifikanten Einbruch", Limburg von einem Rückgang im "oberen einstelligen Prozentbereich".

"Wie es bis zum Jahresende aussieht, hängt stark davon ab, ob und wie die erneuten Corona-bedingten Einschränkungen und der zweite Lockdown die regionale Wirtschaft weiter treffen", sagte der Finanzdirektor des Bistums Passau, Josef Sonnleitner.

Dossier: Kirchensteuer: Was passiert mit dem Geld?

Die Kirchen in Deutschland finanzieren sich weitgehend über die Kirchensteuer. Was aber passiert mit der Abgabe? Und warum gibt es die Kirchensteuer überhaupt? Fragen, die das Dossier beantwortet.

Die endgültige Höhe der Steuereinnahmen richtet sich in diesem Jahr vor allem danach, wie viele Menschen in Kurzarbeit sind und wie stark die Einnahmen von Freiberuflern und Kleinunternehmern sinken. Kirchensteuer zahlen nur Kirchenmitglieder, die auch lohn- und einkommensteuerpflichtig sind; das ist gut ein Drittel aller Mitglieder. Die Steuer beträgt in der Regel neun Prozent der Lohn- und Einkommensteuer, in Baden-Württemberg und Bayern acht Prozent.

Rückgänge ohnehin erwartet

Die Corona-Pandemie beschleunigt die ohnehin erwarteten Rückgänge bei den Kirchensteuern. Aus einer Studie von 2019 geht hervor, dass die Kirchen in Deutschland 2060 nur noch etwa halb so viele Mitglieder haben werden wie heute. Der Studie zufolge sollten sich auch die finanziellen Möglichkeiten der Kirchen bis dahin etwa halbieren.

Das Recht auf die Erhebung von Kirchensteuern leitet sich aus dem 137. Artikel der Weimarer Reichsverfassung her. Dort heißt es: "Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben." Kirchen dürfen, müssen aber keine Kirchensteuer erheben, die orthodoxen Kirchen verzichten beispielsweise darauf.

Für Religion Geld zu bezahlen, hat eine lange Tradition. Schon im Alten Judentum gibt es eine Tempelsteuer und gewisse Entgelte für kultische Feiern. Ähnliches gibt es heute noch mancherorts im Katholizismus, wenn etwa für die Feier von Taufen oder Hochzeiten von den Gemeinden sogenannte Stolgebüren erhoben werden. (cph/KNA)