«Ich bin immer kleiner als mein Lied»

"Kleiner als mein Lied"

Veröffentlicht am 01.11.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Kirche

Amsterdam ‐ Unter Hollands Geistlichen - egal ob katholischer oder reformierter Konfession - kursiert seit vielen Jahren eine Frage: "Warom hebt uw uit mijn huis een Oosterhuis gemaakt?", übersetzt: "Warum hast Du aus meinem Haus ein Oosterhaus gemacht?" Natürlich ist diese Formulierung leicht als Abwandlung der berühmten Worte Jesu bei der Tempelreinigung zu verstehen, und dementsprechend könnte man dahinter einen Vorwurf vermuten.

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In Wirklichkeit handelt es sich um ein scherzhaft vorgebrachtes Kompliment. Denn in fast allen Kirchen Hollands erfreuen sich die Lieder von Huub Oosterhuis einer so großen Beliebtheit, dass die Gotteshäuser fast zu "Oosterhäusern" geworden sind. Am Freitag feiert der niederländische Dichter und Liturgiereformer seinen 80. Geburtstag.

Oosterhuis war Jesuit, katholischer Priester und seit 1965 Pfarrer der Amsterdamer Studentengemeinde. Diese "Studentenekklesia" war stark vom Zweiten Vatikanischen Konzil beeinflusst und verstand sich früh als eine Werkstatt für die Erneuerung der Liturgie. Der eigenständige Weg führte in der Folge zu Auseinandersetzungen mit der Bistumsleitung, bis sich die Studentenekklesia seit 1970 vom Bistum löste und als Basisgemeinde fortexistierte. Oosterhuis führte die Gemeinde weiter, auch nachdem er 1969 aus dem Jesuitenorden ausgetreten war und später heiratete. Seine Texte und Lieder sind trotzdem auch in der katholischen Kirche sehr beliebt.

Prominent im Gotteslob

Bis heute umfasst Oosterhuis' Werk mehr als 30 Bücher, seine Lieder und Gottesdienste sind auf 25 CDs versammelt. Seine Texte wurden in viele Sprachen übersetzt. In das Evangelische Gesangbuch haben drei, ins neue Gotteslob der katholischen Kirche in Deutschland fünf Lieder Eingang gefunden. "Ich steh vor Dir mit leeren Händen, Herr" oder "Herr, unser Herr, wie bist Du zugegen" gehören hierzulande zum festen Liedgut und sind - trotz einiger Widerstände - dort weiterhin vertreten. Auch Übertragungen geistlicher Texte des niederländischen Theologen sind dort zu finden, wie der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann, Vorsitzender der zuständigen Unterkommission der Deutschen Bischofskonferenz, erklärte. Diese seien "vielen Menschen ans Herz gewachsen".

Windmühlen und Tulpenfelder in Holland.
Bild: ©Lsantilli/Fotolia.com

Windmühlen und Tulpenfelder in Holland.

Die Person Oosterhuis ist hinter seinem Werk immer stark zurückgetreten - ganz im Sinne des Autors, der diese Haltung mit den Worten "Ich bin immer kleiner als mein Lied" auf eine einprägsame Formel gebracht hat. Bei großen Auftritten verzichtete er auf jedes Pathos, etwa, als er bei der Beisetzung seines Freundes, des niederländischen Prinzen Claus, die Trauerrede hielt. Nicht zufällig fällt der Beginn seines literarischen Wirkens in die Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es ist dessen Anspruch, die Zeichen der Zeit zu erkennen und das Evangelium in die Gegenwart zu tragen, der Oosterhuis' literarische und liturgische Arbeit an bestimmte. "Wir streben eine Liturgie an", schrieb er schon 1962, "die dem modernen Leben nicht wie eine unverständliche Welt gegenübersteht, sondern die ihre Worte und Handlungen mindestens ebenso sehr am heutigen existenziellen Erleben wie am Stil der Tradition ausrichtet."

Keine leichte Kost

Dabei ging es ihm nie um größtmögliche Popularität. Seine Texte sind keine leichte Kost. Es sind formstrenge Werke, die auf der Grundlage einer genauen Bibelexegese entstanden und ein genaues Hinhören verlangen. Ein gefälliges Arrangement und forcierte Popularität sucht man hier vergebens. Nicht nur ein Großteil des neuen geistlichen Liedguts der 1970er und -80er Jahre, auch die weit verbreiteten neueren Kirchenlieder aus dem Thurmair-Umfeld wirken im Vergleich zu seinen Werken inhaltsarm, unverbindlich und oft banal.

Im Mittelpunkt seiner Texte steht der unerlöste, ungeborgene Mensch auf der Suche nach Gott, der - wie ein alttestamentarischer Psalmbeter - Gott gegenüber auch Distanz und Unverständnis ausdrücken darf, wie etwa in Oosterhuis' wohl bekanntestem Lied "Ich steh vor Dir mit leeren Händen, Herr": "Seit Menschen leben, rufen sie nach Gott, mein Los ist Tod, hast du nicht andern Segen? Bist du der Gott, der Zukunft mir verheißt? Ich möchte glauben, komm mir doch entgegen."

Von Guido Bee (KNA)