Christkönig: Jesus – kein Märchenkönig, sondern einer von uns

Als Märchenkönig wird er oft bezeichnet: Ludwig II. von Bayern. Märchenkönig, weil er ein bisschen wie im Märchen gelebt hat, weil er ein Herrscher war, der vor allem auf die Selbstrepräsentation großen Wert gelegt hat. Und wer schon einmal eines seiner Bauwerke besucht hat - ob Neuschwanstein, Herrenchiemsee oder Linderhof -, der fühlt sich tatsächlich ein bisschen hineinversetzt in ein Märchen. Prunkvoll ist in diesen Schlössern alles ausgestattet, und so manchen Besucher gehen gar die Augen über, man die vielen Eindrücke erst einmal verarbeitet werden müssen. Kein Wunder, dass sich auch sich neuzeitliche Märchenschreiber wie Walt Disney gerne an diesen Motiven bedient haben.
So ein Märchenkönig ist Jesus von Nazareth gewiss nicht. Selbstrepräsentation oder gar der Hang zu einem exaltierten Auftreten waren ihm gänzlich fremd. Und ein Schloss zu bauen, wäre ihm auch nie in den Sinn gekommen, betont er doch immerhin, dass der Menschensohn nicht einmal einen Stein hat, wo er den Kopf zum Schlafen hinlegen kann.
Jesu Leben hat wenig mit Märchen gemein
Mit Märchen hat das alles relativ zu wenig zu tun. Vielmehr bekommt man einen recht nüchternen Blick auf die Realität, wenn man das Leben Jesu betrachtet. Von Zöllnern und Dirnen erzählen die Evangelien immer wieder, von Menschen, die ganz am Rand der Gesellschaft stehen. Mit ihnen solidarisiert sich Jesus; die Kranken und Ausgestoßenen lädt er zum Mahl an seinen Tisch ein. Er macht sich zu einem von ihnen und düpiert dabei all jene, die sich selbst für das Establishment der Gesellschaft halten. Provozierend ist das und herausfordernd zugleich. Nicht nur für die Zeitgenossen damals, sondern auch und besonders für uns heute.
Der letzte Sonntag im Jahreskreis stellt uns Jesus als König vor Augen. Aber so wirklich königlich ist das alles überhaupt nicht, was wir über ihn wissen: Sein ärmliches Leben als Wanderprediger und sein grausamer Kreuzestod lassen rein gar nichts von seiner Königswürde erahnen. Jesus ist eine andere Art von König.
Im 25. Kapitel des Matthäusevangeliums, dem Abschnitt über das Weltgericht, der in diesem Jahr am Christkönigssonntag für die Liturgie vorgesehen ist, legt Jesus selbst dar, wie sein Königsein zu verstehen ist: Der König der Herrlichkeit ist einer, dem man unter den Hungrigen, den Nackten, den Kranken, den Gefangenen begegnen kann. Dort kann man ihn antreffen, wo Menschen in Not sind, wo sie um ihr Leben und ihr Ansehen ringen. Sein Königtum baut sich von den Geringsten her auf: Der Menschensohn hat seinen Platz bei den Ärmsten der Armen, dort lässt er sich finden, dort kann man ihm begegnen.
Der Christkönigssonntag durchkreuzt unsere menschlichen Vorstellungen. Christus, der Auferstandene, ist erhöht zur Rechten des Vaters, er ist das Haupt der neuen Schöpfung. Aber er ist deswegen nicht abgehoben, er ist kein König, der in seiner selbsterschaffenen Märchenwelt lebt. Obwohl und gerade weil er am Kreuz erhöht ist, ist er der König, dem man inmitten des menschlichen Alltags auf die Spur kommen kann. Er ist ein nahbarer König, einer, der alles Leid dieser Welt zu seinem eigenen macht und uns dadurch erlöst.
Jesu Königtum hat kein Ende
"Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute", so heißt es im Märchen. König Ludwig II., der in diesem Jahr 175 Jahre alt geworden wäre, ist nach seiner Entmündigung ums Leben gekommen. Die Umstände des Todes scheinen manchen bis heute rätselhaft. Selbst ein Märchenkönig hat eben nicht das ewige Leben, auch wenn ihm diese Vorstellung vielleicht gefallen hätte.
Ganz anders der König, den wir am Christkönigssonntag feiern: Weil er gestorben und auferstanden ist, deswegen lebt er noch heute. Deswegen hat sein Königtum kein Ende, weil er gestern, heute und morgen derselbe ist. Christus ist kein Märchenkönig, der sich seine eigene, fantastische Welt erschaffen hat. Er teilt die Lebenswelt der Menschen, er wird einer von uns. Er nimmt alles Leid dieser Welt auf sich und macht es zu seinem eigenen. Deswegen feiern wir Christus als König, weil er unser Leben lebt bis hinein in den Tod - und durch den Tod hindurch zum neuen, ewigen Leben.