Plötzliche Eile bei der Bischofswahl in Chur
An diesem Montag tagt im Schweizer Bistum Chur - für alle sehr überraschend - das Domkapitel, um einen neuen Bischof zu wählen. Offenbar wurde man selbst von den Ereignissen überrannt: Das Ordinariat weist auf der Bistums-Homepage nicht auf das Ereignis hin. Auch findet sich nirgends ein (sonst üblicher) Gebetsaufruf für ein gutes Gelingen der Wahl. Vor der Abstimmung begaben sich am Morgen einzelne Domherren für ein persönliches Gebet in die Kathedrale. Danach gingen sie hinüber ins Ordinariat, wo die Wahl stattfindet.
Dem Luzerner Kirchenhistoriker Markus Ries ist diese Eile unheimlich. Eigentlich stellt eine Bischofswahl ein bedeutendes Ereignis dar - vor der es, so Ries, auch eine öffentliche sogenannte Votivmesse mit dem besonderen Anliegen der Wahl geben müsste. "Weil der Heilige Stuhl diese Bischofswahl an sich gezogen hat und die Nuntiatur in Bern das Szepter übernommen hat, wurde die Tradition außer Kraft gesetzt", sagt der Historiker.
Nach dem gemeinsamen Gebet von Domkapitel und Gläubigen müssten letztere nach der Tradition in der Kathedrale bleiben und mit ihrem Gebet die Wahl begleiten. Danach würde der gewählte Bischof dem Kirchenvolk in der Kathedrale vorgestellt. In Chur ist aber alles anders. Der Name des gewählten Bischofs geht nach Rom; der Papst muss ihn bestätigen und der Gewählte die Wahl annehmen. Dann erst kann der Name veröffentlicht werden. Und das kann dauern. Der Wahltermin in Chur wurde am Wochenende über die Medien bekannt. Eine offizielle Einladung an die Gläubigen gab es nicht.
Schon bei vergangenen Wahlen ging in Chur vieles schief, das dem Bistum und auch dem Vatikan später schmerzhaft auf die Füße fiel. 1988 - Bischof Johannes Vonderach war damals 72 Jahre alt - ernannte Papst Johannes Paul II. den erst 40-jährigen Churer Bistumskanzler Wolfgang Haas zum Koadjutor mit Nachfolgerecht. Das Wahlrecht des Domkapitels war damit umgangen - und ein jahrelanger Konflikt begann.
Haas wurde 1990 mit Vonderachs Pensionierung automatisch Bischof, wogegen die Katholiken Sturm liefen, denn der vom Vatikan direkt Ernannte stieß durch konservative Haltung und Personalentscheidungen die an Mitbestimmung gewöhnte Herde vor den Kopf. Nach jahrelangen Konflikten versetzte Johannes Paul II. den heute 72-jährigen Haas im Dezember 1997 ins eigens neu geschaffene Erzbistum Vaduz im Zwergstaat Liechtenstein.
Aushebelung des Wahlrechts?
Nach einem Jahrzehnt, in dem Haas' Nachfolger Amedee Grab viele der entstandenen Gräben zuschütten konnte, verlief die Wahl 2007 zumindest äußerlich so, wie für das Bistum Chur vorgesehen: also mit einer Liste aus Rom ("Terna"), aus der das Domkapitel einen Kandidaten auswählen kann. Der einstige Kölner Kardinal Josef Frings (1887-1978) sagte freilich einmal über dieses Verfahren: "Auf der Dreierliste stehen ein Neger [sic!], ein Chinese und der, der es werden soll." So war es auch 2007 in Chur, als zwei im Bistum Unbekannte benannt waren - und der konservative Generalvikar Vitus Huonder. Domkapitular Franz Stampfli wertete dies als faktische Aushebelung des Wahlrechts - weil eigentlich keiner der drei wählbar gewesen sei.
Wer diesmal auf der Liste steht, ist unbekannt. Ventiliert wurden in den vergangenen Monaten viele Namen, darunter auch praktisch die gesamte konservative Führungsriege aus der Amtszeit Huonders (2007-2019). Dass der vatikanische Nuntius Thomas Gullickson einen solchen Kandidaten bevorzugt, gilt in der Schweiz als ein offenes Geheimnis. Viele im Bistum wünschen sich einen neuen Bischof, der es wie der 2019 gestorbene Benediktiner Grab verstünde, die Wogen in der Diözese zu glätten.
UPDATE: Dreierliste offenbar abgelehnt
Offenbar ist es am Montag zu keiner Bischofswahl im Bistum Chur gekommen. Wie das Schweizer Portal kath.ch berichtet, lehnte das Churer Domkapitel die Liste der Bischofskandidaten (Terna) ab. "Die Liste war nicht akzeptabel", sagte ein Insider demnach zu kath.ch. Nun müsse Papst Franziskus eine neue Liste vorlegen. (tmg)
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