Woelki: "Einzelpersonen" sollen Missbrauchsgutachten einsehen können
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki will nun doch einen Einblick in das bisher unveröffentlichte Missbrauchsgutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) ermöglichen. Man ziehe in Betracht, den Bericht nach Veröffentlichung des in Auftrag gegebenen neuen Gutachtens für "interessierte Einzelpersonen, insbesondere Betroffene oder Journalisten im rechtlich möglichen Rahmen" zugänglich zu machen, teilte das Erzbistum Köln am Freitagabend mit. Woelki äußerte sich bei einer Videokonferenz im Rahmen einer Sitzung des Kölner Diözesanpastoralrats.
Gegenüber den Konferenzteilnehmern sagte der Erzbischof, dass es kein leichter Entschluss gewesen sei, das Gutachten nicht zu veröffentlichen. "Wir mussten uns mit ernstzunehmenden Warnungen renommierter Juristen auseinandersetzen, die zu einem vernichtenden Urteil kamen“, so Woelki. Darüber habe er sich nicht einfach hinwegsetzen können. Gleichzeitig versicherte er, dass er entgegen der öffentlichen Meinung das WSW-Gutachten nicht kenne und somit auch nicht unter Verschluss halte: Es sei einzig den Anwälten zur Kenntnis gegeben.
Erzbistum richtet Aufarbeitungskommission ein
Zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle wird das Erzbistum Köln laut Generalvikar Markus Hofmann eine unabhängige Kommission einrichten. Dazu werde derzeit mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung ein "Fahrplan" abgestimmt, erklärte Hofmann gegenüber dem Diözesanpastoralrat. Hierzu werde auch Kontakt mit der NRW-Landesregierung aufgenommen. Damit setze das Erzbistum eine Vereinbarung zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und dem Missbrauchsbeauftragten Johannes-Wilhelm Rörig um. Dieser habe den Schritt "ausdrücklich begrüßt".
Kardinal Woelki erneuerte sein Angebot an den Betroffenenbeirat des Erzbistums, dieser könne nach Fertigstellung des neuen Gutachtens auch Einblick in das WSW-Gutachten erhalten. "Wir bieten das den Mitgliedern des Betroffenenbeirats an, damit sie sich ein umfassendes Bild der Aufklärungsarbeit machen können", erklärte der Erzbischof. Auch die noch einzurichtende unabhängige Aufarbeitungskommission soll demnach Einsicht erhalten. Auch bei dem neuen Gutachten, dass er in Auftrag gegeben hat, "bleibe es das unveränderte Ziel, dass Verantwortlichkeiten untersucht und festgestellt werden und dass Namen genannt werden", so Woelki.
Die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln sorgt momentan für bundesweite Diskussionen. Ende Oktober hatte die Erzdiözese in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit dem Betroffenenbeirat mitgeteilt, dass das Gutachten über den Umgang mit Missbrauchsfällen der Münchner Kanzlei wegen "methodischer Mängel" nicht veröffentlicht werde. Diese Mängel hätten andere Juristen bei einer Überprüfung bestätigt. Die Kanzlei selbst weist diese Vorwürfe jedoch zurück. Stattdessen beauftragte das Erzbistum den Kölner Strafrechtler Björn Gercke, eine neue Untersuchung vorzulegen. Die beiden Sprecher des Betroffenenbeirats gaben ihre Zustimmung zu der Verfahrensweise eigenen Aussagen zufolge unter Druck und traten aus dem Gremium aus. Zuletzt kritisierte auch der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung Rörig Kardinal Woelkis Vorgehen. "Es deutet vieles darauf hin, dass Kardinal Woelki mit Blick auf Betroffenenbeteiligung, Transparenz und Unabhängigkeit von Aufarbeitung einen massiven Fehler begangen hat", sagte Rörig. Dagegen würdigte er das Vorgehen des Aachener Bischofs Helmut Dieser. Er hatte ebenfalls Westpfahl Spilker Wastl mit einem Missbrauchsgutachten beauftragt und dieses vor kurzem veröffentlicht. (mal)
13.25 Uhr: ergänzt um dritten Absatz.