Viermal Fastenzeit extra: Die Tradition der Quatembertage
"Nach Asche, Pfingsten, Kreuz, Luzei, gedenke, dass Quatember sei": So lautet ein uralter Merkvers, der in manchen Kalendern noch heute abgedruckt wird. Und auch ein kleiner Hinweis im Direktorium, dem liturgischen Kalender der Kirche, macht darauf aufmerksam, dass vier Wochen im Jahr als sogenannte "Quatemberwochen" zu halten sind. Wer in diesen Wochen allerdings die Gottesdienste besucht, wird vielerorts keinen Unterschied zu den normalen Eucharistiefeiern in dieser Zeit feststellen. Offiziell ist die Quatember zwar nicht abgeschafft, doch in den meisten Gegenden ist diese sehr alte Tradition mittlerweile gänzlich in Vergessenheit geraten. Manch einer wird sich vielleicht noch an den alten Merkspruch erinnern oder beim Blättern im Messbuch erstaunt auf das Messformular für die Quatembertage stoßen. Doch eine wirkliche Bedeutung im liturgischen Leben haben diese Tage schon lange nicht mehr. Ein Grund mehr, auf Spurensuche zu gehen, nachzuspüren, wann und warum diese besonderen Tage entstanden sind, und zu fragen, was sie uns heute wohl sagen können.
Ausrichtung an den Jahreszeiten
Der Name "Quatember" ist eigentlich eine Abkürzung des Lateinischen "Quatuor tempora", was nichts anderes heißt als "vier Zeiten". Im Blick auf die Einteilung des bürgerlichen Jahres kennt man diese vier Zeiten nur zu gut: Frühling, Sommer, Herbst und Winter lautet die klassische Einteilung der vier Jahreszeiten. Und im kaufmännischen Bereich hat sich bis heute diese Gliederung in den vier Quartalen gehalten. Die christlichen Quatembertage richten sich dabei vor allem nach den Jahreszeiten: Ursprünglich war jeweils die erste Woche einer neuen Jahreszeit als Quatemberwoche zu halten. Diese Woche lagen also im März, im Juni, im September und im Dezember; teilweise idealisiert an den christlichen Festtagen Aschermittwoch, Pfingsten, Kreuzerhöhung und dem Gedenktag der heiligen Luzia ausgerichtet. Da allerdings nur Kreuzerhöhung am 14. September und der Luzia-Tag am 13. Dezember einen fixen Termin besitzen, konnten die Quatemberwochen im Frühling und Sommer flexibel ausfallen. Dennoch waren sie jeweils um den Beginn der jeweils neuen Jahreszeit herum terminiert.
Wann und warum die Quatembertage entstanden sind, lässt sich nicht restlos aufklären. Sicher ist, dass sie wohl in Rom ihren Ursprung haben, da Papst Leo der Große in seinen Predigten zu den Quatembern bereits bezeugt, diese seien eine alte Tradition, die vor allem aus Fasten, dem Gebet und der Eucharistiefeier in Sankt Peter bestehe. Besonders Mittwoch und Freitag wurden in der Quatemberwoche als Fasttage gehalten. Möglich ist es, einen Zusammenhang zu den jahreszeitlichen Gegebenheiten zu suchen: Vielleicht rezipierte man christlicherseits alte heidnische Aussaat- oder Erntetermine und gab ihnen eine neue Füllung.
Eventuell griff man auch auf die jüdische Praxis zurück, die ebenfalls bestimmte Feste zu den Zeiten der Aussaat und der Ernte kannte (zum Beispiel das Laubhüttenfest oder das Fest Shawuot). Solche Spekulationen sind allerdings nicht unumstritten und können historisch jedenfalls nicht hinreichend belegt werden. Die Nähe der Quatembertage zum Beginn der neuen Jahreszeiten ist allerdings höchst auffällig und darf wohl als Indiz gelten, dass man hierbei tatsächlich altes heidnisches Brauchtum mit einem christlichen Inhalt füllte.
Noch vor der Jahrtausendwende galten die Quatembertage als herausragende Ordinationstermine, an denen die heiligen Weihen gespendet wurden. Das weist zumindest darauf hin, dass die Quatember eine ausgezeichnete Zeit im Jahreskreis war. Mit der römischen Synode von 1078 wurden auch die Termine für die Quatember festgelegt, wie sie bis ins 20. Jahrhundert hinein geübt wurden: die erste Woche der Fastenzeit, die Pfingstwoche, die Woche nach Kreuzerhöhung und die Woche nach dem Fest der heiligen Luzia.
Weihen wurden an Quatember-Samstagen terminiert
Waren die Quatembertage ursprünglich vor allem mit dem Motiv der Buße und der Umkehr verbunden, so trat im Mittelalter besonders das Bitten für das Wachsen und Gedeihen der Feldfrüchte in den Vordergrund. Der Blick richtete sich nun von der eigenen Umkehr und dem Geben von Almosen auf die ganze Schöpfung und den Dank für die Gaben, welche die Menschen aus dieser Schöpfung immer neu empfangen dürfen. Interessant ist, dass selbst der Codex des kanonischen Rechts von 1917 noch die Weihen an den Samstagen der Quatembertage terminierte (vgl. c. 1006 § 2 CIC/1917). Nach dem neuen Kirchenrecht gibt es diese Verbindung der Weihespendung mit den Quatembertagen nicht mehr. Dies macht jedenfalls deutlich, dass eine sehr alte kirchliche Praxis bis hinein ins 20. Jahrhundert Bestand hatte und die Quatembertage inhaltlich füllte.
Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist die Quatember mitunter weitgehend in Vergessenheit geraten. Die Liturgiereform überließ die Festlegung der Quatembertage den örtlichen Bischofskonferenzen. In der Grundordnung des Kirchenjahres werden die Quatembertage zusammen mit den Bitttagen genannt, die vielerorts traditionell vor dem Fest Christi Himmelfahrt begangen werden. Es heißt, dass die Kirche an diesen Tagen "für mannigfache menschliche Anliegen, besonders für die Früchte der Erde und für das menschliche Schaffen" betet; sie seien auch "als Tage für den öffentlichen Dank" geeignet. Für den deutschen Sprachraum wurden 1979 als Termine für die Quatember die erste Advents- und Fastenwoche, die Woche vor Pfingsten und die erste Oktoberwoche festgelegt.
Die neue Terminierung der Quatember ist wohl auch ein Grund dafür, dass diese besonderen Tage im Kirchenjahr kaum noch begangen werden. Die Quatemberwochen sind bereits mit anderen Inhalten besetzt, sodass es beinahe unmöglich ist, auch noch auf die Quatember hinzuweisen. Der Advent und die Fastenzeit haben als geprägte Zeiten bereits ihren eigenen Schwerpunkt; die Woche vor Pfingsten wird meist als Pfingstnovene mit der Bitte um die Aussendung des Heiligen Geistes begangen; Anfang Oktober rückt die Schöpfung und der Dank für ihre Gaben bereits mit dem Erntedankfest in den Fokus. Somit scheint es wenig verwunderlich, wenn die Praxis der Quatembertage kaum noch geübt wird. Inhaltlich wurde die Quatember im deutschsprachigen Raum zwar besonders durch das Gebet um geistliche Berufungen gefüllt – anknüpfend an die alte Praxis der Weihespendung zu diesem Zeitpunkt –, doch sind auch hier andere Termine, wie der vierte Ostersonntag, mittlerweile enger mit diesem Anliegen verbunden.
So bleibt am Ende die Frage offen, wie die Quatemberwochen im Kirchenjahr noch gebührend begangen werden können. Zunächst sollte wohl grundsätzlich die Frage nach dem Termin der Quatember gestellt werden: Aufgrund der hohen Dichte an inhaltlichen Themen sollte versucht werden, die Quatembertage aus den geprägten Zeiten zu verlagern. Zum anderen sollte der Blick auf die inhaltliche Füllung dieser Tage gelenkt werden. Einerseits können sie sicher bewusst als Gebetstage um geistliche Berufungen begangen werden, andererseits sollten aber auch andere Themen in den Fokus rücken, die gerade aktuell sind. Vielleicht eignen sie sich, um ausdrücklich um die Anliegen einer Gemeinde oder Pfarrei zu beten. Die Quatembertage könnten dann Kristallisationspunkt von all dem sein, was die Menschen gerade bewegt.
Als besondere "Themenwochen" im Kirchenjahr könnten sie auch mit unterschiedlichen liturgischen Angeboten verbunden werden, wie der eucharistischen Anbetung oder einem Vespergottesdienst. Letztendlich sollte aber auch hierbei sehr sensibel überlegt werden, damit es nicht zu einer inhaltlichen Überfüllung kommt. Bei den vielen Gebetstagen und Themenwochen, die es schon im Kirchenjahr gibt, bleibt jedenfalls die abschließende Anfrage, ob es wirklich sinnvoll ist, diesen noch zusätzliche hinzuzufügen. Oder ob es nicht weiterführender wäre, beispielsweise die Gebetsoktav für die Einheit der Christen, mit der Quatember zu verbinden.