Gläserne Beichtzimmer sind nicht die Lösung
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In der Kirche entwickelt sich auf den verschiedensten Ebenen eine Art Transparenzoffensive. Eine notwendige Konsequenz der Skandale der vergangenen Jahre, die auf jeden Fall notwendig ist. Die Transparenz ist zum Beispiel eine von vielen Maßnahmen, um präventiv gegen Missbrauch zu schützen. Präventionsmaßnahmen werden – Gott sei Dank – immer mehr zur Selbstverständlichkeit in der Kirche. Mitarbeitende in der Seelsorge und Priester erhalten Schulungen, werden sensibilisiert für besonders verletzliche Momente und sogenannte dunkle Flecken werden mit Licht geflutet – sogar Beichtzimmer bekommen nun Glasfassaden.
Aber wieviel Transparenz verträgt die Seelsorge, verträgt ganz konkret das Sakrament der Versöhnung? Dies ist ein sensibler Ort, an dem Menschen über ihren Glaubens- und Lebensweg sprechen, über Brüche, Verletzungen, für die sie um Vergebung bitten, um Frieden zu schließen. Benötigt wird dafür Diskretion und ein geschützter Raum, der Sicherheit ermöglicht, um die eigene Vulnerabilität sichtbar zu machen. In einem gläsernen Beichtzimmer wären bereits solch basale Voraussetzungen nicht mehr vorhanden, obwohl eben seine Transparenz schützen soll. Vielmehr führt es die Situation und das intimste Sakrament in die Öffentlichkeit, den Blicken des Voyeurismus anderer Kirchgänger "ausgeliefert". Der Schutzraum für Vulnerabilität wird für die Transparenz geopfert, um besonders Vulnerable zu schützen, und führt somit die Transparenzoffensive ein wenig ad absurdum.
Was passiert mit der Pastoral, wenn jedes vertrauliche Gespräch wie auf dem Silbertablett präsentiert wird? Sollten wir uns nicht Alternativen überlegen, die alle Beteiligten schützt und zugleich Vertrauen und Diskretion bewahrt? Sei es ein Milchglas, ein Spaziergang oder für Erstkommunionkinder ein geeigneteres Format als eine "gezwungene Erstbeichte". Sonst wird die gläserne Wand sich auch zwischen die Seelsorge und den Gläubigen schieben und einen wichtigen Schutzraum schutzlos machen.