"Reformationsfenster" von Markus Lüpertz ist Geschenk des Altkanzlers

Urteil: Marktkirche Hannover darf Gerhard-Schröder-Fenster einbauen

Veröffentlicht am 14.12.2020 um 16:18 Uhr – Lesedauer: 

Hannover ‐ Ein von Altkanzler Gerhard Schröder geschenktes Buntglasfenster darf in die Hannoveraner Marktkirche eingebaut werden: Das entschied das Landgericht Hannover und wies somit eine Klage des Kirchenarchitekten-Erben Georg Bissen ab.

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Die Marktkirche in Hannover darf ein von Altkanzler Gerhard Schröder geschenktes Buntglasfenster einbauen. Die 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wies am Montag ein Klage von Architekten-Erbe Georg Bissen ab. Der Eingriff in das Urheberrecht seines 1994 gestorbenen Stiefvaters und Gestalters der Marktkirche, Dieter Oesterlen, sei gerechtfertigt, sagte der Vorsitzende Richter Florian Wildhagen. Er berief sich dabei unter anderem auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht und die Religionsfreiheit. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Im Mittelpunkt des Streits steht ein Fenster des Star-Künstlers Markus Lüpertz (79), das die Marktkirche eigentlich schon im Jahr 2018 einbauen lassen wollte. Der Entwurf des 150.000 Euro teuren "Reformationsfensters" zeigt eine stilisierte Martin-Luther-Figur, neben der fünf schwarze Fliegen zu sehen sind. Bissen wehrte sich gegen den Einbau. Sein Stiefvater habe eine Atmosphäre der Schlichtheit für das Gotteshaus vorgesehen, argumentierte er.

Der hätte sich jedoch von Anfang an darauf einstellen müssen, dass an seinem Werk Änderungen aus religiösen Gründen vorgenommen werden müssen, urteilte Richter Wildhagen. Die einheitliche Gestaltung der Kirche werde durch den Einbau des Fensters nicht berührt. Ihr Selbstbestimmungsrecht erlaube den Kirchen, ihre Häuser nach Belieben zu errichten und zu gestalten. Darin sei auch ein Akt der Verkündigung und damit der Religionsfreiheit zu sehen. Die 40-seitige Urteilsschrift zeige, dass sich das Gericht die Entscheidung nicht leicht gemacht habe, betonte Wildhagen.

Kirchenvorstand erleichtert

Der Vorsitzende des Kirchenvorstands der Marktkirche, Reinhard Scheibe, reagierte mit Erleichterung auf den Richterspruch. "Ich finde, dass die Begründung des Urteils sehr eindrucksvoll ist und vielleicht auch wegweisend für andere Fälle", sagte er direkt im Anschluss an die Verkündung. Mit dem Lüpertz-Fenster wolle die Gemeinde ein Zeichen setzen für eine neue Sicht auf die Reformation und den Reformator Martin Luther. Da es bereits zur Hälfte fertig sei, bestehe die Chance, dass es im Frühsommer nächsten Jahres eingebaut werde. Weder Bissen noch sein Anwalt erschienen zur Urteilsverkündung. Sie können innerhalb eines Monats Berufung gegen die Entscheidung einlegen. Dann müsste sich das Oberlandesgericht Celle mit der Klage befassen.

Schröder hat das 13 Meter hohe Kunstwerk der zentralen Marktkirche als Ehrenbürger von Hannover gespendet und die bisherigen Kosten für die Herstellung nach Angaben der Marktkirche bereits beglichen. Die Gesamtkosten will der Altkanzler demnach durch Vortragshonorare begleichen.

Die evangelisch-lutherische Marktkirche Sankt Georgii et Jacobi ist die älteste der drei Pfarrkirchen in der Altstadt von Hannover. Das im 14. Jahrhundert errichtete Gotteshaus wurde im Zweiten Weltkrieg bis auf die Außenmauern zerstört. Der Wiederaufbau erfolgte 1946 bis 1952 nach Plänen Oesterlens. Für das Lüpertz-Werk ist das mittlere der drei großen Fenster an der Südseite vorgesehen. Dieses geht Richtung Marktplatz, wo die Hannoveraner sich am 26. Juni 1533 feierlich zur Lehre Luthers bekannt hatten. (tmg/KNA/epd)