Oberhirte protestierte in NS-Zeit auch öffentlich gegen Unrecht

Bischof in zwei Diktaturen: Vor 70 Jahren starb Kardinal von Preysing

Veröffentlicht am 21.12.2020 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Als Bischof von Berlin musste er sich nicht nur mit dem NS-Regime, sondern auch mit der aufziehenden SED-Diktatur auseinandersetzen. Kardinal Konrad Graf von Preysing erhob auch in dunklen Zeiten seine Stimme. Nun jährt sich sein Todestag zum 70. Mal.

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Der Respekt der Machthaber war erkennbar. "Persönlich ist Dr. Konrad Graf v. Preysing eine äußerst sympathische Persönlichkeit, dem alles pfäffische und bonzenhafte Wesen vollständig fernliegt", notierte der Chef des Sicherheitshauptamtes im Juni 1935, nachdem das Berliner Domkapitel den damaligen Eichstätter Bischof zum Oberhirten in der Reichshauptstadt gewählt hatte. Ob ihm das "Demagogische und Aggressive, das heute ein Bischof haben muss", liege, werde zwar bezweifelt. "Wenn er dies zu seiner Diplomatie noch hinzu lernt, wird er der gefährlichste Bischof, den man finden konnte."

Das "Aggressive" lag Preysing tatsächlich nicht – das hielt ihn aber nicht davon ab, gegen die Nationalsozialisten und ihre Politik seine Stimme zu erheben. An diesem Montag jährt sich der Todestag des Bischofs und späteren Kardinals, der sich nicht nur mit dem NS-Regime, sondern anschließend auch mit der aufziehenden sozialistischen Diktatur in Ostdeutschland auseinandersetzen musste, zum 70. Mal.

Dabei war eine Kirchenkarriere für den Spross eines Adelsgeschlechts zunächst gar nicht vorgesehen. Geboren am 30. August 1880 auf Schloss Kronwinkl bei Landshut, studierte Konrad Graf von Preysing zunächst Rechtswissenschaften und schlug eine Diplomatenlaufbahn ein, die ihn sogar bis an die bayerische Gesandtschaft nach Rom führte. Er gab diese jedoch 1908 auf, um Priester zu werden – 1912 erhielt er das Weihesakrament. Ein Jahr später berief ihn der Münchner Erzbischof Franziskus von Bettinger zu seinem Sekretär. Bettingers Nachfolger, Kardinal Michael von Faulhaber, ernannte ihn 1921 zum Domprediger an der Münchner Frauenkirche.

Bild: ©picture-alliance / akg-images | akg-images (Archivbild)

Zu Eugenio Pacelli, dem späteren Papst Pius XII., hatte Preysing Zeit seines Lebens enge Bande.

In seiner Münchner Zeit lernte Preysing den damaligen Apostolischen Nuntius Eugenio Pacelli kennen, der seine vielseitige Begabung erkannte und sich wiederholt seiner diskreten Assistenz bediente. Die enge Beziehung zu Pacelli, dem späteren Papst Pius XII., der 1930 das Amt des Kardinalstaatssekretärs übernommen hatte, war wohl nicht ohne Einfluss auf den Entschluss von Pius XI., Preysing 1932 zum Bischof von Eichstätt zu ernennen. Für Kardinalstaatssekretär Pacelli wurde er zum wichtigsten Vertrauensmann unter den deutschen Bischöfen.

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten kommentierte Preysing vertraulich: "Wir sind in den Händen von Verbrechern und Narren." In einem Fastenhirtenbrief betonte er den Gegensatz von Offenbarungsglaube und NS-Ideologie: Christliche Wertvorstellungen und allgemeine Menschenrechte würden verkehrt, wenn "ein Geschöpf, Volkstum, Rasse und Blut zum letzten Ziel, zum Selbstzweck gemacht" und die Religion durch Nationalismus ersetzt werde.

Herkulesaufgabe in der Diaspora

Drei Jahre nach seiner Inthronisierung in Eichstätt wechselte Preysing auf den Berliner Bischofsstuhl. Die dortige Situation war mit der im beschaulichen, katholisch geprägten Eichstätt nicht einmal im Ansatz vergleichbar. Einerseits galt es, das junge, erst 1930 eingerichtete Diasporabistum aufzubauen. Auf diesem Gebiet konnte Preysing durchaus Erfolge vorweisen: Seinem Einsatz war die Errichtung mehrerer neuer Kirchen und zahlreicher neuer Seelsorgestellen zu verdanken. Andererseits stand er als Inhaber des Bischofssitzes im Zentrum des NS-Staates unter besonderer Beobachtung. Gegenüber der kirchenfeindlichen Führung waren vor allem diplomatische Fähigkeiten gefragt – nicht zuletzt deshalb wurde seine Wahl zum Berliner Bischof von Papst Pius XI. und Kardinalstaatssekretär Pacelli forciert.

Dennoch geriet auch die katholische Kirche in Berlin zunehmend unter Druck. Einzelne Geistliche – unter ihnen Dompropst Bernhard Lichtenberg und der Priester Max Josef Metzger – wurden vom Regime verfolgt und drangsaliert. Bischof Preysing beschrieb das antikatholische Klima in einem Adventshirtenbrief so: "Der gläubige Katholik steht in Deutschland unter Ausnahmerecht. Er muss Spott und Hohn, Unfreiheit und Bedrängnis für seinen Glauben dulden, ohne sich verteidigen zu können."

Drei Kardinäle schauen aus einer Flugzeugtür.
Bild: ©KNA (Archivbild)

Kardinal Josef Frings (Erzbischof von Köln), Kardinal Clemens August Graf von Galen (Bischof von Münster) und Kardinal Konrad Graf von Preysing (Erzbischof von Berlin) bekamen 1946 gemeinsam die Kardinalswürde verliehen.

Als Papst Pius XI. sich 1937 mit seiner Enzyklika "Mit brennender Sorge", vor deren Abfassung er auch Preysing konsultiert hatte, an die bedrängten Katholiken in Deutschland wandte, drängte der Berliner Oberhirte die Fuldaer Bischofskonferenz, die Vorgängerorganisation der Deutschen Bischofskonferenz, vergeblich zu einem Kurswechsel: Er setzte sich für einen öffentlichen Protest der Bischöfe ein, als die Menschenrechtsverletzungen der Regierung unübersehbar geworden waren, konnte sich aber innerhalb des Bischofskollegiums nicht durchsetzen. Sein großer Gegenspieler war dabei der Breslauer Kardinal und Konferenzvorsitzende Adolf Bertram, der einen wesentlich konzilianteren Kurs gegenüber den Machthabern fuhr. An den Meinungsverschiedenheiten zwischen Preysing und Bertram wäre die Konferenz 1940 sogar beinahe auseinandergebrochen.

Da sich die Bischofskonferenz nicht auf eine gemeinsame Position einigen konnte, mussten die Bischöfe einzeln vorpreschen. 1942 erregte Preysing mit einem Hirtenbrief über Deutschland hinaus Aufsehen. Gemeinsam mit dem Kölner Erzbischof Josef Frings hatte er eine Stellungnahme zu Rassedenken und Euthanasie, Justizwillkür und Kirchenkampf verfasst. Ganz im Stil eines Diplomaten hielt Preysing fest: "Wer immer Menschenantlitz trägt, hat Rechte, die ihm keine irdische Gewalt nehmen darf. [...] All die Urrechte, die der Mensch hat [...], dürfen auch dem nicht abgesprochen werden, der nicht unseren Blutes ist oder nicht unsere Sprache spricht." Die Botschaft, die den Völkermord an europäischen Juden, russischen Kriegsgefangenen und polnischen Patrioten anprangerte, wurde verstanden. Der Hirtenbrief wurde nicht nur von deutschen Kanzeln verlesen, sondern sogar im amerikanischen Repräsentantenhaus. Preysing hatte sogar Verbindungen zum Kreisauer Kreis, der Widerstandsgruppe, die hinter dem Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 stand. Dazu errichtete er in Berlin das "Hilfswerk beim bischöflichen Ordinariat", das verfolgten Juden Ausreise, Flucht oder ein Überleben im Versteck ermöglichte.

Kardinalshut als Würdigung

Bei Kriegsende 1945 erstreckte sich Preysings Bistum über die vier Sektoren Berlins und einen Teil der sowjetischen Besatzungszone; sein Amtssitz lag im amerikanischen Sektor. Preysing zweifelte an der weiteren Lebensfähigkeit seines Bistums, dennoch verfasste er zahlreiche Protestschreiben an den Alliierten Kontrollrat, die Sowjetische Militäradministration in Deutschland und später an die DDR-Regierung. Daneben engagierte er sich beim Wiederaufbau der durch den Weltkrieg fast komplett zerstörten Stadt. Als Würdigung seines Einsatzes gegen das NS-Regime wurde Preysing von Papst Pius XII., dem früheren Kardinalstaatssekretär und Apostolischen Nuntius Eugenio Pacelli, Ende 1945 zum Kardinal ernannt – gemeinsam mit dem Münsteraner Bischof Clemens August von Galen und dem Kölner Erzbischof Josef Frings. Die drei wurden schließlich am 18. Februar 1946 offiziell in das Kardinalskollegium aufgenommen.

Doch in seinen letzten Lebensjahren verschlechterte sich Preysings Gesundheitszustands zunehmend. Am 21. Dezember 1950 starb er schließlich an einem Herzleiden. 1969 wurden seine sterblichen Überreste in die Krypta der neu aufgebauten Berliner Sankt-Hedwigs-Kathedrale überführt, die sich damals im sozialistischen Ostteil der Stadt befand. Preysing hatte das Gotteshaus einst ausbrennen sehen, als es 1943 durch alliierte Luftangriffe bis auf die Umfassungsmauern zerstört wurde.

Von Matthias Altmann