"Neues Kapitel": Nachfolger von Kardinal Barbarin tritt sein Amt an
An diesem vierten Adventssonntag kommt in Lyon der neue Erzbischof an: Olivier de Germay, im Oktober von Papst Franziskus ernannt. Der 60-Jährige, der in seiner Militärkarriere mehr als 200 Fallschirmsprünge absolviert hat, muss nun auch an der Rhone eine schwierige Mission erfüllen: nämlich als Nachfolger von Kardinal Philippe Barbarin (70) neues Vertrauen in die Kirche herstellen.
Barbarin hatte sein Amt als Lyoner Erzbischof und den traditionellen Ehrentitel eines Primas von Gallien im März vorzeitig niedergelegt, obwohl er vom Vorwurf der Nichtanzeige sexuellen Missbrauchs in einem Berufungsverfahren freigesprochen worden war. Er wolle der Erzdiözese damit einen Neuanfang ermöglichen, sagte er damals.
Geistliche Laufbahn nach Militärkarriere
Den soll nun de Germay ermöglichen, der schon viel von der Welt gesehen hat. Als Sohn eines Divisionsgenerals am 18. September 1960 in der Martinsstadt Tours an der Loire geboren, schlug er zunächst eine Militärkarriere ein und absolvierte eine Ingenieursausbildung an der Militärhochschule Saint-Cyr in der Bretagne. Als Kapitän eines Fallschirmhusarenregiments in Tarbes bei Lourdes am Pyrenäenrand diente er unter anderem auch in Afrika und Kuwait.
Wie der heilige Martin von Tours kehrte de Germay nach einer Begegnung mit Bedürftigen während eines Einsatzes dem Militär den Rücken und schlug 1991 die geistliche Laufbahn ein. Nach Studien in Toulouse und Rom wurde er 1998 in Toulouse zum Priester geweiht. Zunächst arbeitete er in der Pfarrseelsorge, ab 2004 dann als Bischofsvikar für die sozial teils schwierigen Randbezirke von Toulouse und als Dozent für Sakramenten- und Familientheologie.
2012 machte ihn Papst Benedikt XVI. zum Bischof von Ajaccio auf Korsika, wo es neben vielen ländlich-katholischen Traditionen auch einen teils militanten Nationalitätenkonflikt gibt, dessen Auswüchse de Germay stets verurteilte. Auch damals auf Korsika traf er auf eine Diözese im Konflikt, wie er im Interview der Zeitung "La Croix" (Samstag) berichtet. Dort war er als Schlichter und Versöhner erfolgreich: "Ich bin kein Held, aber ich hatte den Vorteil, von außen zu kommen und in der Sache neutral zu sein." So habe er allmählich neues Vertrauen bilden können.
In seinem neuen, großen Erzbistum spürt er den Wunsch nach einem Neuanfang und einem Ende der Polemiken. Er wolle den Dialogbereiten den Rücken stärken und vor allem eines tun: zuhören. Einige Menschen hier hätten Schlimmes erlebt – und das Bedürfnis, darüber zu sprechen. Runde Tische wolle er nicht mehr; davon hätten die Lyoner genug, sagt de Germay. Allerdings bedeute ein neues Kapitel aufzuschlagen nicht, das alte auszuradieren. Im Umgang mit den Missbrauchsopfern und bei der Prävention gebe es noch sehr viel zu tun.
Schon im Vorfeld Kritik
Der neue Primas erfährt nicht nur Vorfreude und neuen Kredit. Er habe auch Kritik einstecken müssen, "vor allem bestimmter Medien": Er sei ein Konservativer, gar ein "Faschist" und homophob. "Ich versuche, Distanz zu diesen Dingen zu halten, seien es Komplimente oder Angriffe", so de Germay. Seine Amtsbrüder hätten ihn jedenfalls ermutigt – und einige ihm für seinen Mut gedankt, den Posten anzunehmen. "Das wiederum hat mich ein bisschen beunruhigt", gibt er zu.
Nun also besteigt der eher leise auftretende de Germay in Lyon den Bischofsstuhl des Kirchenvaters Irenäus (um 135 - um 200), dessen fünf Bücher "gegen die Häresien" ihn zu einem der wichtigsten Theologen des frühen Christentums machten. Beredsamkeit und Einfühlungsvermögen wird der neue Erzbischof brauchen – nicht zuletzt, weil sich auf seinen Stuhl publikumswirksam auch eine Frau beworben hatte. Die Theologin Anne Soupa (73) argumentierte, das Bistum brauche jetzt mehr Empathie und Weiblichkeit. Keine leichte Aufgabe also für einen Ex-Fallschirmspringer.