Papst mahnt Führer im Libanon: Dient dem Land, nicht euch selbst
Papst Franziskus hat die Verantwortlichen im Libanon aufgefordert, sich dem Gemeinwohl aller Bewohner und nicht nur ihren Eigeninteressen zu widmen. In einer am Donnerstag veröffentlichten Weihnachtsbotschaft an die Menschen im Libanon äußerte das Kirchenoberhaupt sich "zutiefst beunruhigt" über "das Leid und die Qualen" im Land. Gleichzeitig sprach Franziskus allen Bewohnern Mut und Hoffnung zu, dass ihr Land wieder zu einem Vorbild respektvollen Zusammenlebens verschiedener Religionen und Gruppen werden könne.
In dem an den maronitischen Patriarchen, Kardinal Bechara Boutros Rai, adressierten Schreiben erinnerte der Papst die politischen und religiösen Führer an ihre Pflicht, bestmöglich öffentlichen Interessen zu dienen. "Ihre Zeit sollte nicht dem eigenen Gewinnstreben gewidmet sein, Ihr Handeln ist nicht für Sie selbst, sondern für den Staat und die Nation, die Sie vertreten", so Franziskus.
Die bereits länger schwelende Wirtschafts- und Regierungskrise des Landes verschärfte sich am 4. August durch die Explosion von rund 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat im Hafen von Beirut. Das Unglück forderte mehr als 200 Menschenleben, weite Teile der Innenstadt wurden verwüstet. Bis heute gibt es kaum nennenswerte Konsequenzen daraus.
Land werde seiner "kostbaren Bemühungen beraubt"
Mit Bezug auf das Landessymbol, die libanesische Zeder, bedauerte Franziskus, dass "die ursprüngliche Widerstandskraft und der Einfallsreichtum des Landes der Zedern erschöpft" seien. Das Land werde seiner "kostbaren Bemühungen beraubt", in Frieden zu leben und weiterhin für unsere Zeit und unsere Welt eine Botschaft der Freiheit und ein Zeugnis für harmonischen Zusammenlebens zu sein". Insbesondere jungen Menschen habe man jegliche Hoffnung auf eine bessere Zukunft geraubt.
Erneut forderte der Papst internationale Solidarität mit dem Land: "Lassen Sie uns dem Libanon helfen, von Konflikten und regionalen Spannungen verschont zu bleiben. Lassen Sie uns dem Libanon helfen, die schwere Krise zu überwinden und wieder zu einem normalen Leben zurückzukehren!" Der Libanon, dessen Bewohner Sunniten, Schiiten sowie Christen sind, leidet unter Einflussversuchen der Regionalmächte Saudi-Arabien und Iran.
In seinem an alle Landesbewohner gerichteten Schreiben erneuerte Franziskus seinen Wunsch, den Libanon zu besuchen. Bereits einen Monat nach der Explosionskatastrophe Anfang August hatte Franziskus Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin nach Beirut geschickt, um dort für Dialog und Reformen zu werben und dem Land die Unterstützung der katholischen Kirche zuzusichern.
Rai: Politiker sollen Regierungsblockade beenden
Patriarch Rai forderte in seiner Weihnachtsbotschaft wiederum die Politiker seines Landes auf, die durch externe Konflikte verschärfte Regierungsblockade zu beenden. Er bedauerte "die Versprechen, die uns gemacht und nicht gehalten wurden, was uns zurück auf Los gebracht hat". Es sei ein Recht der Bürger, dass die Politiker ehrlich mit dem Volk sowie mit der Regierungsbildung seien. Er appellierte an das Gewissen der Politiker und wiederholte seinen Aufruf zu einer raschen Regierungsbildung. "Wir wollen eine spezialisierte Regierung, die immun gegen Politisierung ist; eine, die den Libanon ins System der Nationen zurückführt - und keine Regierung, in der wenige die Nahtstellen des Staates kontrollieren", so Rai.
Der Patriarch ist religiöses Oberhaupt für rund 3,1 Millionen Maroniten weltweit. Von diesen leben mehr als eine Million im Libanon selbst. Die mit Rom verbundene Kirche ist die größte christliche Gemeinschaft im Land und stellt laut einer Übereinkunft bei der libanesischen Unabhängigkeit 1943 stets den Staatspräsidenten. (cph/KNA)