Bingener: Sternsingeraktion durch Corona-Krise dringender denn je
Digitalität statt um die Häuser ziehen: Bei den Sternsingern ist vieles anders im Corona-Jahr. Pfarrer Dirk Bingener (48) ist der Präsident des Kindermissionswerks "Die Sternsinger" und von missio Aachen. Im Interview erzählt er von Enttäuschung und neuen Aufbrüchen bei den Sternsingern angesichts der Corona-Situation.
Frage: Herr Bingener, Sternsingen ohne Hausbesuche – wie kann das gehen?
Bingener: Wir hatten ja lange damit gerechnet, dass die Kinder von Haus zu Haus gehen können. Das ist nun nicht möglich, deshalb empfehlen wir derzeit, das nicht zu tun. Die Pfarreien und auch wir im Kindermissionswerk haben sich eine Reihe von Alternativen ausgedacht, etwa Segenspakete oder Segensbriefe, die in die Häuser kontaktlos gebracht werden. Manche Sternsingergruppen stellen sich auch auf zentrale Plätze und können dort mit Voranmeldung besucht werden. Oder es entsteht eine lebendige Krippe, in der die Kinder die Heiligen Drei Könige darstellen und nach den Gottesdiensten die Segensaufkleber an die Besucher verteilen. Es gibt natürlich auch eine Vielzahl digitaler Angebote: Vielerorts entstehen kleine Videos, damit die Sternsinger online ins Haus kommen.
Frage: War es einfach, die Basis in den Gemeinden zu motivieren?
Bingener: Die Sternsinger und ihre Begleiterinnen und Begleiter hatten direkt unglaublich viele Ideen, das hat uns hier in Aachen sehr motiviert. Es machte Freude, gemeinsam neue Ideen und Formate zu entwickeln, zumal viele Menschen in diesem ganzen Jahr daran schon gewöhnt waren, Alternativen zu finden. Denn eins war klar: Nichts machen ist keine Alternative! Beeindruckend finde ich auch, dass viele Pfarreien auch ältere Menschen in den Seniorenzentren nicht vergessen und sich Möglichkeiten überlegt haben, sie zu erreichen. Die Sternsinger verstehen, dass vor allem jenen die Botschaft der Hoffnung, des Neuanfangs, der Menschwerdung Gottes gilt.
Frage: Das diesjährige Motto ist "Heller denn je" – würden Sie die Sternsingeraktion also als Zeichen der Hoffnung verstehen?
Bingener: Auf jeden Fall! Ich würde auch nicht nur sagen "heller denn je", sondern das Engagement der Sternsinger ist auch dringender denn je. Die Situation von Kindern in der einen Welt und in unseren Projekten ist durch die Corona-Situation derzeit besonders schwierig, Kinder leiden besonders darunter. Deswegen ist es jetzt wichtig, sich zu engagieren – sonst stünden wir schnell vor einer doppelten Katastrophe: Einerseits verschärft sich die ohnehin schwierige Situation in vielen Ländern durch Corona, andererseits könnten wir den Menschen ohne Spenden hier aus Deutschland nicht mehr helfen. Ich setze in dieser Situation auf doppelte Großzügigkeit – und aus vielen Pfarreien höre ich, dass man darauf auch setzen darf. Dafür bin ich unglaublich dankbar, das ist wirklich ein Zeichen der Hoffnung.
Frage: Normalerweise geht der Sternsingeraktion eine umfangreiche inhaltliche Vorarbeit voraus. Konnte die dieses Jahr stattfinden?
Bingener: Auch die hat sich verändert. Das diesjährige Thema ist "Kindern halt geben", Beispielland ist die Ukraine. Es geht um Arbeitsmigration. Dort müssen viele Eltern im Ausland arbeiten und deren Kinder sind oft viele Monate ohne ein Elternteil oder auch ohne beide Eltern. Thematisch vorbereitet haben wir die Sternsinger durch einen Film mit Willi Weitzel, der die Problematik für Kinder gut erklärt. Viele Pfarreien haben auch Formate gefunden, wie sie die Kinder digital zum Thema informieren. Die Corona-Situation und die Frage nach der Organisation der Aktion stand für viele in diesem Jahr aber natürlich auch sehr im Vordergrund.
Frage: Wie haben die Kinder auf die Empfehlung reagiert, nicht von Haus zu Haus zu gehen?
Bingener: Zuerst gab es natürlich eine kleine Enttäuschung, viele Kinder freuen sich ja auf das Sternsingen und den Gang von Haus zu Haus. Darauf folgte aber großes Verständnis und dann begann schon das Überlegen, wie es denn jetzt anders laufen könnte. Kinder sind ja flexibel und begeisterungsfähig für Neues. Sie haben auch unter den veränderten Bedingungen die Wichtigkeit ihres Engagements erkannt. Sie wissen, wie notwendig ihr Dienst für Kinder in anderen Ländern ist.