Bericht: Zahl der weltweit ermordeten Christen um 60 Prozent gestiegen
Afrika wird einem neuen Bericht zufolge zunehmend zum Epizentrum der Christenverfolgung durch Islamisten. Auch die Corona-Krise hat dazu beigetragen, dass christliche Minderheiten weltweit im vergangenen Jahr noch stärker unter Druck geraten sind – weil die Weltöffentlichkeit wegschaute, weil Reise- und Ausgehverbote verhängt wurden und Unterdrückung und Diskriminierung sich verschärften. Das alles sind Ergebnisse des Weltverfolgungs-Index 2021, den die Hilfsorganisation Open Doors am Mittwoch in Kelkheim veröffentlichte.
Die dokumentierte Zahl der Christen, die weltweit wegen ihres Glaubens getötet wurden, wuchs demnach um 60 Prozent: von 2.983 Fällen im Zeitraum 2018/19 auf mindestens 4.761 Fälle zwischen Oktober 2019 und September 2020. Insgesamt, so der Bericht, werde Christen in mehr als 74 Ländern durch ihre Regierungen oder extremistische Gruppierungen eine freie Ausübung ihres Glaubens verweigert.
Nordkorea erneut auf Platz 1
Der 29. Weltverfolgungs-Index enthält eine Rangliste von 50 Ländern mit der stärksten Christenverfolgung. Erneut steht Nordkorea ganz vorn. Auf den Rängen 2 bis 10 folgen Afghanistan, Somalia, Libyen, Pakistan, Eritrea, Jemen, Iran, Nigeria und Indien.
91 Prozent der dokumentierten Fälle getöteter Christen ereigneten sich laut Bericht in Afrika. Dabei hatte Nigeria (2021: Rang 9 / 2020: Rang 12) mit 3.530 die meisten Getöteten zu beklagen. Vor allem zwischen April bis August 2020, als das Land wegen der Covid-19-Pandemie abgeriegelt war, wurden Christen Opfer religiös motivierter Angreifer. Die islamistische Terror-Organisation Boko Haram baute die Zusammenarbeit mit extremistischen Fulani-Kämpfern und kriminellen Banden weiter aus.
Linktipp: Wann man wirklich von Christenverfolgung sprechen kann
Ob Nordkorea, Afghanistan oder Somalia: Täglich müssen Christen in aller Welt für ihren Glauben Leid ertragen. Trotzdem ist es schwierig, den Begriff Christenverfolgung genau zu fassen – denn zwischen Diskriminierung, Bedrängnis und Verfolgung gibt es große Unterschiede.
Auch in der Sahelzone und in Ostafrika waren Dschihadisten verstärkt aktiv. So wurde Burkina Faso, das für ein friedliches Zusammenleben der Religionen bekannt war, 2019 von tödlichen Angriffen auf Kirchen erschüttert, die sich 2020 fortsetzten. Dazu kamen zwischen Januar und Juli mehr als 85 Angriffe auf Bildungseinrichtungen in Mali, Burkina Faso und Niger.
Weit nach vorn gerückt ist China: von Rang 43 im Jahr 2018 auf aktuell Rang 17. Open Doors verweist auf die immer engere digitale Überwachung der Bürger unter Staatschef Xi Jinping. Im Land seien geschätzt 570 Millionen Überwachungskameras im Einsatz. Ausgestattet mit einer fortschrittlichen Gesichtserkennungssoftware, trügen sie zu einem Punktesystem zur ideologischen Bewertung aller Einwohner bei. Religionszugehörigkeit führe dabei zu Minuspunkten.
Zugleich setzt das Regime laut Open Doors verstärkt auf die Kontrolle christlicher Gemeinden, auch mit Hinweis auf die Eindämmung von Corona. Kameras zur Überwachung der Gottesdienste seien Standard. "Die etwa 97 Millionen Christen erleben Kontrolle bis hinein in ihren Privatbereich", sagt Markus Rode, Leiter von Open Doors Deutschland. Seit 2013 habe das Regime rund 18.000 Kirchen oder kirchliche Einrichtungen schließen oder zerstören lassen.
Religiöser Nationalismus
In Indien sowie der Türkei macht die Hilfsorganisation religiösen Nationalismus für eingeschränkte Religionsfreiheit verantwortlich. Unter der hindu-nationalistischen Regierung von Indiens Premierminister Narendra Modi habe sich die Anzahl der gemeldeten Übergriffe gegen Christen zwischen 2014 und 2018 verfünffacht. Im September beschlossene rechtliche Einschränkungen für Nichtregierungsorganisationen sorgten dafür, dass Tausende von Christen geführte Krankenhäuser, Schulen und Initiativen keine Spenden mehr aus dem Ausland erhalten dürften.
Mit Blick auf die Türkei wirft die Hilfsorganisation Präsident Recep Tayyip Erdogan vor, die Religionsausübung etwa durch Verweigerung der Aufenthaltsgenehmigung von ausländischen Geistlichen oder Mitarbeitern zu behindern. Verhängnisvoll für Christen auch die Rolle der Türkei in den Nachbarstaaten: Durch die türkische Militäroffensive im Nordirak würden abermals viele jener Christen vertrieben, die ab 2014 vor dem IS aus der Ninive-Ebene in die Region Dohuk geflohen waren. Auch im Nordosten von Syrien hätten islamistische Söldner unter Führung der Türkei viele Christen vertrieben.