Wie bringt man Schülern die Relevanz der Schöpfungsgeschichte nahe?
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Zuerst natürlich doch Corona! Die Kolumne soll ja von meinen Erfahrungen als Religionslehrer berichten. Und die sind momentan nicht durchgängig positiv. Religionsunterricht, der von Beziehung und Kommunikation lebt, schon allein, weil die Inhalte zu einem guten Teil wirklich sehr schwierig und aus der Welt vieler Schülerinnen und Schüler gefallen sind, geht momentan nicht gut. Wenn das, was ginge, dann wenigstens funktionierte! Wie soll Unterricht unter den Vorzeichen der momentanen Einschränkungen gestaltet werden, wenn dafür die (vor allem technischen) Voraussetzungen nicht entwickelt worden sind!
Jedem Examenskandidaten werden Klimmzüge sondergleichen, auf den Punkt genau und nahezu perfekt, abverlangt. Aber eine Legion von manchmal hochbezahlten Fachleuten scheint es nicht möglich zu sein dafür zu sorgen, dass digitaler Unterricht so gestaltet werden kann, dass er nicht in einem peinlichen Desaster endet (wenn er überhaupt, wie Montag- und Dienstagmorgen, je beginnen kann). Ich bin kein Freund der Nörgelei, aber irgendwann habe auch ich keine Lust mehr, ständig gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Es gehört zum Erfahrungsschatz eines Religionslehrers Anfang 2021, dass sein Unterricht in den Sog der Peinlichkeiten deutscher Bemühungen im digitalen Zeitalter gerät. Und das ist mir auch nicht gut und schön zu reden. Die Schülerinnen und Schüler können von mir nicht angemessen betreut werden.
Aber eigentlich wollte ich etwas ganz Anderes erzählen. Ich habe letztens in einer Gruppe mit Achtklässlern einige Zeit zum Thema "Schöpfung" gearbeitet. Bei diesem Thema habe ich stets zwei Erfahrungen im Hinterkopf. Und beide machen mich bis heute, ehrlich gesagt, ratlos. Oberstufenschüler berichteten vor einigen Jahren von der Äußerung eines Physikkollegen, wer sage, er glaube an Gott, könne ebenso gut sagen, er glaube, eine Kaffeekanne flöge um die Erde. Nun weiß ich natürlich nicht, ob zwischen den Unmengen an Weltraumschrott auch irgendwo eine alte Kaffeekanne zu finden wäre. Die Aussage jedoch bestätigt mich bis heute in meiner Meinung, dass die religiöse Sozialisation ein Skandal ist. Zum Glück fanden meine Schüler die ganze Sache damals selbst viel zu abwegig, um dem Kollegen eine nennenswerte theologische Kompetenz zuzuerkennen.
Die zweite Erfahrung hat etwas mit der Ersten zu tun, geht es doch vordergründig um den Streit zwischen Naturwissenschaftlern und Theologen, der so alt und leider sehr oft auch so unsinnig ist, wenn man die biblischen Texte als Tatsachenberichte und Reportagen versteht. In meinem Studium war unerschütterlich von "Schöpfungsberichten" die Rede. Die zeitgenössischen Schülerinnen und Schüler sind nun überwiegend naturwissenschaftlich gebildet und positivistisch eingestellt. In meiner Erfahrung ist es oft nicht sehr nachhaltig, im Unterricht auf den besonderen Charakter der biblischen Schöpfungsgeschichten hinzuweisen und aufzuzeigen, dass sie kein modernes naturwissenschaftliches Interesse haben. Wenn ich nach einiger Zeit wieder darauf zu sprechen komme, merke ich, dass die Schülerinnen und Schüler doch nicht aufgehört haben, die Texte mit Naturforscher-Augen zu betrachten und natürlich entsprechend hohl zu finden.
Was ist eigentlich der Mensch?
Ich gebe zu, dass meine Entscheidungen den Unterricht betreffend anfechtbar sind. Aber ich führe diese Diskussion nicht mehr, jedenfalls forciere ich sie nicht, reagiere höchstens auf Schüleranfragen und -bemerkungen. Ich habe mir überlegt, um was es eigentlich geht, was für jetzt die Botschaft der Texte ist, die zu vermitteln in einer einzigen Stunde im achten Jahrgang lohnt und genügen muss. Ich greife drei Aspekte aus der ersten Schöpfungsgeschichte heraus: das Licht, das Bild, die Ruhe. Die Fragestellungen drehen sich um den Menschen, also um jeden in der Lerngruppe (als geöffneter Kurs sind das momentan 26 Leute): Was ist eigentlich der Mensch? Was ist eigentlich von diesem Leben zu erwarten? Was ist das Ziel der Reise? Ich denke, damit sind drei mögliche Fragen (unter vielen anderen ebenfalls möglichen), die die Schülerinnen interessieren dürften – und dass es sie interessiert, haben sie eindrucksvoll gezeigt –, aufgeworfen. Und die Möglichkeit, dass ein solch uralter Text zeitgenössische Relevanz haben könnte, erweist sich ebenfalls. Und niemand hat mit irgendeinem Naturwissenschaftler auch nur den Ansatz eines Streits!
Als Beispiel möchte ich die erste Frage herausgreifen. Wir haben den Text gelesen und ihm eine Struktur gegeben, wissen bereits, dass er so weit von naturwissenschaftlichen Aussagen nun auch nicht entfernt ist, wenn er davon erzählt, dass sich die Erde und auf ihr die Menschen in Raum und Zeit befinden, und die Menschen – klarer wird das zugegebenermaßen in der zweiten, aber älteren Geschichte vom Garten Eden – auf Gedeih und Verderb mit diesem Planeten (wie wir heute wissen) verbunden sind. Die Schülerinnen und Schüler bekommen zwei Zettel. An die Tafel hänge ich diese Stichworte: "Finsternis", "Öde", "Wüste", "Leere". Der Auftrag lautet: "Was sagen dir diese Worte?"
Ich bin in der Regel von der Ernsthaftigkeit des Arbeitens angetan. Es gibt so eine Art von Stille im Raum, die ist anders als die Stille sonst. Ich nenne sie betroffene Stille. Schnellere und – ja, auch die gibt es – weniger ernsthaft beschäftigte Leute müssen höflicherweise auf die langsameren Kolleginnen und Kollegen warten; jede(r) bekommt die nötige Zeit. Leider tickt die Uhr ohne Gnade! Dann hänge ich das Wort "Licht" neben die anderen. Manchmal sage ich gar nichts und weise nur auf den zweiten Zettel hin. Manchmal zitiere ich den Vers: "Es werde Licht!" Das ergibt sich aus der Situation. Alle schreiben ihre Gedanken oder Stichworte, ihre Fragmente der Annäherung auf den Zettel.
Ich kann sagen, dass die Schülerinnen und Schüler mit dieser einfachen Übung verstehen, um was es in der Schöpfungsgeschichte geht. Sie finden einen Zugang, der meines Erachtens weit tiefer reicht als die doch recht oberflächliche Frage, ob alles denn so passiert sei. Dass Menschen, die im Finstern sitzen, die oftmals wüste Erfahrungen machen und Leere wahrnehmen, etwas mit der Zusage, dass Licht werden solle, anfangen können, wird jedem klar. Es wird auch klar, dass diese Schöpfung hier und heute geschieht, wenn wir denn das Licht in unsere Finsternis lassen und es in die Finsternis der anderen senden. Aber das ist bereits ein neuer Schritt. Insofern erhält ein uralter Text Relevanz für moderne Jugendliche, insofern wird ihnen klar, dass uralte Schreiber nicht deswegen geringzuschätzen sind, weil sie sich nicht unserer modernen Art zu denken und zu kommunizieren bedienen (können).
In meiner nächsten Kolumne möchte ich die Jugendlichen selbst zu Wort kommen lassen. Bis dahin allen Leserinnen und Lesern ein gesegnetes und gelassenes neues Jahr!