Weihnachten auf den Markt bringen
Eine Schwierigkeit, die sich den Kirchen oder gemeinnützigen Organisationen bietet, ist die Kommerzialisierung der Märkte. So sind die Standplätze für die Buden oft auf Jahre hin ausgebucht – und gewerbliche Anbieter haben nach dem Marktrecht vor gemeinnützigen Vorrang. Mit einem Kniff schaffen es die evangelische und katholische Kirche in Bonn seit zehn Jahren trotzdem auf den Weihnachtsmarkt: Man einigte sich mit der Stadt auf eine "Kirchenmeile"mit mehreren Ständen auf dem Boden des Bonner Münsters. Ein Abstand zu den offiziellen Weihnachtsmarktbuden ist kaum auszumachen.
"Positive christliche Provokation"
Es gehe der ökumenischen Initiative darum, eine andere Botschaft zwischen die Stände zu tragen, sagt der Sprecher des katholischen Stadtdekanats, Reinhard Sentis: "Wir bringen Weihnachten, die christliche Botschaft, auf den Markt". Eröffnet wurde die Kirchenmeile am Vorabend des ersten Advents, eine Woche nach dem Start des weltlichen Weihnachtsmarkts. Die Menschen sollen in diesem Jahr mit einer "positiven christlichen Provokation" in die zentrale Kirchenhütte gelockt werden, wie es Bernward Siemes von der katholischen Jugendagentur der Stadt ausdrückt. An der Türschwelle steht eine hochschwangere Schaufensterpuppe mit blauem Gewand und weißem Schleier, die Maria, die Mutter Jesu, darstellt. Eine Idee von Jugendlichen beider Konfessionen.
Unter dem Motto "Das Beste kommt noch" steht das Warten auf die Geburt Jesu im Mittelpunkt. In der Hütte selbst dürfen Besucher nicht nur frisch aufgebrühten Tee trinken und mit ehrenamtlichen Helfern sprechen, sondern auch an einer "Babyparty" teilnehmen. Angelehnt an die US-amerikanische Tradition des "Baby shower", bei dem werdende Mütter von Freundinnen mit Geschenken für das Ungeborene überschüttet werden, kann sich auch der Weihnachtsmarktbesucher überlegen, was er dem Jesuskind wünschen und schenken würde. Die Geschenkideen für dieses besondere Baby können auf Karten geschrieben und in der Hütte aufgehängt werden.
Segen für die Adventszeit empfangen
Auch auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt erklären Christen den religiösen Hintergrund von Advent und Weihnachten. Zu fünf verschiedenen Angeboten laden Gläubige des ökumenischen Projekts "Folge dem Stern!" immer donnerstags und freitags am Nachmittag ein. Der Besucher kann an einem Kunst-Rundgang im Dom teilnehmen, die Krippe besichtigen, Stille in der St.-Severi-Kirche oder Musik in der Allerheiligenkirche finden. Fast Ohne Hemmschwelle kommen die Menschen aber auf den Domstufen mit der Kirche in Kontakt. Dort stehen Mitwirkende gut sichtbar mit gelben Schals und bieten Segnungen an. Der Segen Gottes solle helfen, den Weg auf den Weihnachtsmarkt und in die Stadt erleichtert und voll Freude zu gehen, teilt die Domgemeinde mit.
Außerdem wird an jedem Sonntag um 11.15 Uhr bei einer "Segensfeier am Adventskranz" feierlich eine neue Kerze an einem großen Kranz auf den Domstufen entzündet. Kindergärten beider Konfessionen gestalten dies mit Musik und einem Segensgebet mit. Die Aktion "Folge dem Stern!" wurde von Studenten eines theologisch-pädagogischen Seminars der Universität Erfurt entwickelt und findet inzwischen zum siebten Mal statt. Das Bonifatiuswerk, das christliche Initiativen in der Diaspora fördert, zeichnete das Projekt 2008 für sein missionarisches Engagement aus.
Faire Geschenke und regionaler Glühwein
In Mainz versucht sich die katholische Jugend am dritten Adventswochenende erstmals an einem eintägigen Weihnachtsmarkt für die Menschen im Wohngebiet Hartenberg. Einerseits wolle man mit dem Veranstaltungsort ein Zeichen setzen, dass sich nicht alles in der Innenstadt konzentrieren müsse, sagt Jugendreferent Sascha Zink. Und zweitens wolle man den Advent wieder präsent machen. Das zeigt sich schon am Namen "Familien-Adventsmarkt" und am Start am Samstagvormittag mit einem Gottesdienst. Neben kommerziellen Angeboten – alle Artikel fair gehandelt, die Bratwürste und der Glühwein aus regionaler Produktion – kann man an dem Tag weitere Geschenke selber basteln.
Das Wohngebiet, in das zuletzt viele Familien zugezogen seien, habe großes Potential und man wolle die Zielgruppe des Adventsmarktes offen lassen, so Zink. Jedenfalls solle der Markt im Jugendhaus Don Bosco weitaus mehr Menschen als die engagierten Jugendlichen erreichen. "Dieses Jahr gehen wir raus und laden die Menschen ein", sagt Zink. Wenn das Angebot erfolgreich ist, könne der Markt in den kommenden Jahren auf ein ganzes Wochenende ausgedehnt werden.
Von Agathe Lukassek