"Person des Jahres"
Am Abend des 13. März 2013 sprach der neue Mann an der Spitze von rund 1,2 Milliarden Katholiken von der Mittelloggia des Petersdoms sein kirchliches "Yes, we can", im einfachen weißen Gewand. Bevor er die Menge segnen könne, sollte sie für ihn beten - schon das eine ungewöhnliche Geste, der in den 24 Stunden danach unzählige weitere folgen sollten: Er ließ die schwarze Limousine stehen, um mit den anderen Kardinälen gemeinsam den Kleinbus zum vatikanischen Gästehaus zu nehmen. Am nächsten Morgen, dem ersten als Papst, zahlte er persönlich seine Hotelrechnung.
Besuche in Krankenhäusern, bei Waisen, die spektakuläre Reise auf die Flüchtlingsinsel Lampedusa , Bäder in der Menge, unter Jugendlichen, Küsse und Umarmungen für einen furchtbar entstellten Kranken. Dazwischen: Reformankündigungen, Telefonate mit Fremden, die ihm verzweifelte Postkarten geschrieben hatten. Öffentliche Reden und Worte der Ermutigung, die, anders bei seinem Vorgänger Benedikt XVI. keinesfalls hohe Theologie, sondern eher praktische Seelsorge darstellen - und direkt ins Herz treffen.
An die Ränder der Gesellschaft
Zugleich halten seine Ansprachen denen einen Spiegel vor, die sie am lautesten loben. Denn die Appelle des Franziskus, sich den Armen zuzuwenden und an die Ränder der Gesellschaft zu gehen, müssen unbequem klingen in den reichen Ländern - auch dann, wenn diese ein hoch organisiertes kirchliches Wohlfahrtssystem unterhalten. Mehr als einmal hat der Mann aus Argentinien bereits gepredigt: Caritas zu delegieren reicht nicht aus. Der einzelne und sein Tun sind gefragt.
Franziskus hat Ende September die Heiligsprechung seiner Vorgänger Johannes Paul II. und Johannes XXIII. angekündigt; ausgerechnet jener Päpste des 20. Jahrhunderts, denen er mit seinen Eigenschaften vielleicht am meisten ähnelt - und die als bislang einzige Päpste den seit 1927 vergebenen Titel einer "Person des Jahres" erhielten. Johannes XXIII. (1958-1963) war der "Papa buono", der Gefangene besuchte, Witze über seine unattraktive Erscheinung machte und sich selber riet, sich nicht so wichtig zu nehmen.
Johannes Paul II. (1978-2005) war ein Star. Ein Mann der gut gesetzten Gesten, gelernter Schauspieler, Meister der Inszenierung. Und einer, der mit slawischer Sturheit durchsetzte, was er sich in seinen Kopf gesetzt hatte. Das freilich ist noch der ungelöste Wechsel, der in dem Hype um Franziskus und auch in Ehrungen wie der zur "Person des Jahres" steckt.
Neue Kerze am Kranz
Mit enormem Tempo ist der neue Papst an die Umsetzung seiner Pläne gegangen. Ein Rat von acht Kardinälen der Weltkirche arbeitet an Vorschlägen für eine Reform der Römischen Kurie. Doch zugleich: Am Dienstag wird Franziskus 77 Jahre alt.
Kein Alter für einen Mann mit dieser Energie, mag man einwenden - und als Beleg erneut Johannes XXIII. anführen. Der verkündete in genau diesem Alter die Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965), das die katholische Weltkirche veränderte wie kein anderes Ereignis des 20. Jahrhunderts.
Einstweilen herrscht vor allem adventliche Stimmung in der katholischen Welt - und das "Time Magazine" hat dem Kranz am Mittwoch eine neue Kerze zugefügt. Fast schon eine schöne Bescherung, wenn am Freitag im Vatikan der Christbaum auf dem Petersplatz erleuchtet wird.