Linke und Piraten gegen Bibelverse in Stuttgarter S-Bahnen
Die Fraktion "Die Linke/Pirat" in der Stuttgarter Regionalversammlung fordert ein Verbot von Bibelversen in S-Bahnen. Die Fraktion begründet ihren Antrag laut mehreren Medienberichten mit dem "Verfassungsgebot der weltanschaulichen Neutralität". Sie solle sicherstellen, "dass religiöse und nichtreligiöse Weltanschauungen in unserer vielfältigen Gesellschaft gleich behandelt werden". Darunter falle auch das Recht auf "negative Religionsfreiheit", also das Recht, keiner Religion anzugehören. Die Glaubensbotschaften auf den Plakaten missachteten "das weltanschauliche und religiöse Empfinden von Nichtgläubigen und Andersgläubigen und entsprechen in keiner Weise der Willkommenskultur in unserer Region".
Verein will mit Plakaten "Menschen in ihrem Glauben stärken"
Anlass für den Antrag der fünfköpfigen Fraktion ist eine Werbekampagne der Süddeutschen Plakatmission in den Stuttgarter S-Bahnen, die mit Sprüchen wie "Gott ist für uns – wer will sich dann noch gegen uns stellen" wirbt. Die 1972 gegründete Süddeutsche Plakatmission will mit Kampagnen dieser Art "auf Jesus Christus hinweisen und Menschen in ihrem Glauben stärken". Der Verein, der zum Netzwerk der Evangelischen Allianz gehört, finanziert sich nach eigenen Angaben aus Spenden von landeskirchlichen und freikirchlichen Christen.
Im Antrag der Fraktion "Die Linke/Pirat" heißt es weiter, dass der Öffentliche Personennahverkehr grundsätzlich nicht Ort religiöser Indoktrination sein solle – unabhängig "von Inhalten und Hintergründen der Werbebotschaften". In diesem Zusammenhang wird auf andere Städte und Landkreise verwiesen, in denen ein entsprechendes Verbot bereits umgesetzt worden sei. In der Tat ist etwa in Berlin seit 2009 religiöse und weltanschauliche Werbung in den Fahrzeugen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) verboten. Auch die Region Stuttgart solle sich, so die Antragsteller in der Stuttgarter Regionalversammlung, "dieser positiven Entwicklung hin zu weltanschaulicher Neutralität" anschließen.
Kritik von CDU und evangelischer Landeskirche
Kritik an dem Vorstoß von Linken und Piraten äußerten unter anderem die Evangelischen Arbeitskreise (EAK) der CDU in den Landkreisen Stuttgart und Ludwigsburg. Die Bibelverse gäben "vielen Menschen Kraft und Hoffnung", grenzten niemanden aus und klebten "relativ klein und unscheinbar an den Fenstern der in der Region Stuttgart verkehrenden S-Bahnen", heißt es in einem Bericht der evangelischen Nachrichtenagentur "idea". Die Hauptargumente der Antragsteller liefen laut dem Vorsitzenden des EAK in Ludwigsburg, Jens Wätjen, ins Leere: "Auch andere Religionsgemeinschaften haben die Möglichkeit, in den S-Bahnen für ihre Sache zu werben." Das Recht auf "negative Religionsfreiheit" werde dadurch nicht berührt.
Auch die Evangelische Landeskirche in Württemberg wies die Kritik der Fraktion gegenüber "idea" zurück. Das Grundgesetz garantiere das Recht, den Glauben frei zu bekennen, sagte eine Sprecherin. Religionen dürften in der Öffentlichkeit sichtbar sein: "Aus der Freiheit, einen Glauben nicht zu haben, ergibt sich kein Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit nicht auf Bibelsprüche oder andere religiöse Erscheinungsformen zu treffen." Von einer "staatlich zu verantwortenden Konfrontation ohne Ausweichmöglichkeit" könne hier keine Rede sein. (stz)