Papst habe dagegen "Entscheidungen für ein bestimmtes Gebiet" legitimiert

Wolf zum Synodalen Weg: Bischöfe schieben Verantwortung auf Weltkirche

Veröffentlicht am 02.02.2021 um 13:37 Uhr – Lesedauer: 

Münster ‐ Schieben die deutschen Bischöfe die Verantwortung von Reformen auf die weltkirchliche Ebene ab? Diese Ansicht vertritt Kirchenhistoriker Hubert Wolf. Seiner Meinung nach verkomme die Kirche zu einer "fundamentalistisch verbogenen Form von Religion".

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Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf hat den deutschen Bischöfen vorgeworfen, sich in kirchlichen Reformfragen zu wenig für nationale Veränderungen einzusetzen. Das Grundproblem des Synodalen Wegs bestehe darin, dass eine ganze Reihe von Bischöfen sich hinter der Behauptung verstecken würde, Entscheidungen könnten nicht auf nationaler, sondern nur auf Ebene der Weltkirche getroffen werden, sagte der Theologieprofessor in einem Interview in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Publik-Forum". Dieser Ansicht habe Papst Franziskus mit der Amazonas-Synode aber selbst widersprochen: Auch wenn das dazugehörige Schlussdokument "etwas schwammig" sei, scheint es nach "päpstlicher Lesart legitim zu sein, wenn Bischöfe Entscheidungen für ein bestimmtes Gebiet treffen", so Wolf.

Mit Blick auf die konkrete Situation in Deutschland stellte der Kirchenhistoriker die Frage, warum etwa die Finanzhoheit der Diözesen nicht längst gewählten Laiengremien übertragen werde, oder warum bisher keiner der Bischöfe offen die Weihe von Diakoninnen fordere. Da der Synodale Weg im Unterschied zu einer echten Synode keine "klare rechtliche Struktur und Kompetenz" habe, befürchtet Wolf, dass am Ende des Reformprozesses nichts "außer Enttäuschung" herauskomme. Eine solche Enttäuschung würden aber selbst engagierte Gläubige nicht noch einmal hinnehmen, sondern stattdessen "lieber gehen". Um wirkliche Veränderungen zu erreichen, brauche es deshalb Bischöfe, die "den Rückhalt in den Gemeinden haben" und den Gläubigen nicht "einfach vor die Nase gesetzt" würden.

Änderungen in der katholischen Kirche möglich

Wolf wies außerdem die Annahme zurück, "dass die Kirche nicht einmal so und dann wieder anders lehren könne". So zeigten etwa die heute positive Bewertung der Gewissensfreiheit oder die grundsätzliche Verurteilung der Todesstrafe, dass Änderungen in der katholischen Kirche möglich seien. Indem sie aber grundlegende Reformen blockiere, werde die Kirche ihrem eigenen Anspruch, "die Sorgen und Freuden der Menschen zu teilen und sie im Lichte des Evangeliums zu interpretieren", nicht gerecht und konzentriere sich stattdessen vor allem auf sich selbst. Allerdings tue sie auch das "nicht richtig", so Wolf weiter, "weil sie nicht bereit ist, zu den vertuschten Verbrechen in ausreichendem Maße zu stehen und diejenigen Bischöfe, die im Missbrauchsskandal Schuld auf sich geladen haben, zur Rechenschaft zu ziehen".

Seine Kritik am deutschen Episkopat ordnete der Kirchenhistoriker in den Kontext einer umfassenden Zentralisierungstendenz ein, die seiner Einschätzung nach seit dem 19. Jahrhundert innerhalb der katholischen Kirche wirksam ist. Während man mit Blick in die Geschichte "nicht von einem Einheitskatholizismus, sondern von Katholizismen im Plural sprechen" müsse, seien die zum Zentrum strebenden Kräfte mit der Dogmatisierung der päpstlichen Unfehlbarkeit auf dem Ersten Vatikanischen Konzil zu einem Höhepunkt gelangt. Seitdem sieht Wolf die katholische Kirche auf dem Weg zu einer "fundamentalistisch verbogenen Form von Religion". (mfi)