Vor 30 Jahren starb wegweisender Jesuitengeneral

Pedro Arrupe: Missionar und Vorkämpfer der "Option für die Armen"

Veröffentlicht am 05.02.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Unter Pedro Arrupe rangen die Jesuiten um eine neue innere Ausrichtung ihres Ordens und verstärkten ihr soziales Engagement. Vor 30 Jahren starb der Ordensgeneral, für den seit 1995 ein Seligsprechungsverfahren läuft.

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Als Pedro Arrupe im Mai 1965 zum 28. Generaloberen der Gesellschaft Jesu gewählt wurde, war er überrascht. "Und was mache ich jetzt?", war seine erste Frage an Jose Onate, der neben ihm saß. Dieser gab die geistesgegenwärtige Antwort: "Zum letzten Mal gehorchen." Doch Onate sollte sich täuschen. In den 18 Jahren seines Generalats wurde Arrupe von den Päpsten auf schwere Gehorsamsproben gestellt. 1981 zwang ihn ein Schlaganfall bis zu seinem Tod vor 30 Jahren, am 5. Februar 1991, für fast ein Jahrzehnt auf das Krankenbett.

Der Baske gehört zu den wichtigsten kirchlichen Persönlichkeiten der Nachkonzilszeit. Sein spanischer Biograf nennt ihn "eine Explosion in der Kirche". Auch über seinen Tod hinaus entfaltete Arrupe eine große Inspirationskraft. Geboren am 14. November 1907 in Bilbao, begann er nach dem Abitur ein Medizinstudium. Nach sieben Semestern trat er jedoch in den Jesuitenorden ein.

Ein Lebenstraum geht in Erfüllung: Arrupe geht nach Japan

1939 erfüllte sich für ihn ein Lebenstraum: Arrupe durfte als Missionar nach Japan gehen. Ab 1942 war er als Novizenmeister in Hiroshima verantwortlich für die Ausbildung junger Jesuiten - und erlebte dort am 6. August 1945 die Explosion der ersten Atombombe. Er funktionierte das Noviziat in ein improvisiertes Krankenhaus um und sorgte über Monate für die Pflege von 150 Schwerverletzten.

Als Generaloberer der Gesellschaft Jesu machte es sich Arrupe ab 1965 zum Programm, das Zweite Vatikanische Konzil für den Jesuitenorden umzusetzen und fruchtbar zu machen. Die Erneuerung des Ordens vollzog sich in der "Option für die Armen" als durchgehender Dimension all ihrer Arbeiten. Für Arrupe gab es keinen Zweifel, dass diese Reform von Gott gewollt war. Doch sie führte auch zu Konflikten: In den vergangenen vier Jahrzehnten wurden mehr als 50 Jesuiten wegen ihres Eintretens für Glauben und Gerechtigkeit umgebracht.

Bild: ©picture-alliance/ dpa/dpaweb / epa

Das Zentrum der japanischen Stadt Hiroshima nach dem Abwurf der Atombombe am 6. August 1945. Der Jesuit Pedro Arrupe erlebte diese Katastrophe hautnah mit.

Für die Verbreitung des christlichen Glaubens in fremden Kulturen führte Arrupe den Begriff der Inkulturation in die katholische Kirche ein. In seine Zeit als Generaloberer fällt auch eine der schwersten Krisen zwischen dem Jesuitenorden und dem Vatikan: Sie hatte ihren tiefsten Grund in den Auseinandersetzungen um die Interpretation des Konzils - und war damit nicht nur ein Problem des Ordens.

Der Kurie und manchen Bischöfen ging das Engagement der zumeist sehr gut ausgebildeten Jesuiten im konziliaren Aufbruch zu weit - etwa bei der Befreiungstheologie in Lateinamerika oder beim interreligiösen Kontakt mit asiatischen Religionen und Ritualen. Nach Arrupes Schlaganfall griff Papst Johannes Paul II. persönlich in die Eigenständigkeit des Ordens ein und installierte eine "Übergangsregierung" - ein Novum in der Geschichte der Jesuiten. Später soll der Papst inoffiziell eingeräumt haben, über den Zustand des Ordens falsch informiert gewesen zu sein.

Arrupe: "Für mich ist Jesus Christus alles"

Arrupe war ein Weltbürger. Durch seine 27-jährige Tätigkeit in Japan wurde er zu einem Brückenbauer zwischen Ost und West. Seine Weltsicht war universal. Lange vor der ökologischen Bewegung sah er voraus, dass ein ungebremster Konsumismus die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört. Er forderte eine "Gesellschaft der Genügsamkeit" - eine Forderung, die heute neue Aktualität gewinnt.

Eine der letzten wichtigen Initiativen Arrupes war im November 1980 die Gründung des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes, um auf die humanitäre Katastrophe der vietnamesischen Boat People zu reagieren. Inzwischen ist der Flüchtlingsdienst in mehr als 50 Ländern in der Arbeit für Flüchtlinge und Migranten aktiv. Schwerpunkte der Arbeit in Deutschland sind die Seelsorge in der Abschiebehaft und die Aufklärungsarbeit über Migration.

Das Geheimnis Arrupes, der die Mächtigen der Welt ebenso wie einfache Menschen zu begeistern vermochte, liegt in seiner Glaubwürdigkeit und in einer tiefen Christus-Verbundenheit. Über ihn sprach er in einer faszinierenden und ansteckenden Lebendigkeit. In einem TV-Interview antwortete er auf die Frage, wer Jesus Christus für ihn sei, spontan und mit Begeisterung: "Für mich ist Jesus Christus alles. Nehmen Sie Christus aus meinem Leben, und alles wird zusammenstürzen, wie ein Körper, dem man das Skelett, den Kopf und das Herz wegnimmt."

Von Martin Maier (KNA)