Vergewaltigungsvorwurf gegen "Speckpater" Werenfried van Straaten
Dem Prämonstratenserpater und Kirche-in-Not-Gründer Werenfried van Straaten wurde durch eine apostolische Visitation im Jahr 2009 massives Fehlverhalten nachgewiesen, darunter eine versuchte Vergewaltigung. Wie die Zeit-Beilage "Christ & Welt" (C&W) berichtet, habe der damalige Visitator, der Paderborner Weihbischof Manfred Grothe, "Verstöße in vier Bereichen der katholischen Moral- und Sittenlehre sowie der katholischen Soziallehre" vorgeworfen. Das geht aus einem Schreiben des Weihbischofs an den damaligen Präfekten der Kleruskongregation, Kardinal Mauro Piacenza, vom November 2010 hervor, auf das sich C&W beruft. "Es handelt sich um einen Versuch der sexuellen Vergewaltigung, um Maßlosigkeiten in der Lebensführung, um erhebliche Defizite in der Personalführung sowie um Anfälligkeiten für faschistoide Ideen", so Grothe, der für seine Vorwürfe Belege durch Zeugenaussagen vorweisen könne, laut dem Schreiben, das C&W vorliege.
Die betroffene Frau habe "Kirche in Not" 2009 von der versuchten Vergewaltigung berichtet, der sie 1973 als Mitarbeiterin des Hilfswerks durch seinen Gründer ausgesetzt gewesen sei. Sie wolle anonym bleiben, mit ihrer Aussage allerdings eine mögliche Seligsprechung des Paters verhindern. Piacenza habe Grothe auf sein Schreiben hin versichert, dass seine Kongregation einer Seligsprechung das Einverständnis verweigern würde. Zugleich ordnete er jedoch Geheimhaltung an. Nur ein ausgewählter Personenkreis in der Leitung von "Kirche in Not" solle informiert werden. "Es muss nämlich vermieden werden, dass im Namen des Institutes ein falsches Bild vom Gründer vermittelt wird", zitiert C&W aus dem Antwortschreiben des Kardinals. Von den Ergebnissen der Visitation sei neben Rom auch der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, informiert worden.
Vorwürfe waren "Kirche in Not" bekannt
Auf Anfrage räumte "Kirche in Not" laut C&W ein, dass dem Hilfswerk der Vorgang bekannt sei. Der Betroffenen habe man geglaubt, weitere Fälle von sexualisierter Gewalt seien jedoch nicht bekannt. Der ehemalige Vorsitzende des Hilfswerks habe sich 2011 mit der Betroffenen in Kontakt gesetzt und einen “Betrag in Höhe von 16.000 Euro in Anerkennung des Leids" an sie ausgezahlt. Laut dem Schriftverkehr mit dem Vatikan seien außerdem bereits Ende der 1990er Jahre 800.000 belgische Francs (20.000 Euro) an die Betroffene seitens des Hilfswerks geflossen. Die weiteren Vorwürfe gegen den Gründer werden von "Kirche in Not" eingeräumt und als "sehr schwerwiegend" eingestuft. Von einer Veröffentlichung der Vorwürfe habe man 2010 abgesehen, "um einen Reputationsschaden von der Institution abzuwenden und die Projektarbeit nicht zu beeinträchtigen".
Nach der Recherche von C&W wurde ein im Januar geplanter Gedenkgottesdienst für van Straaten im Kölner Dom abgesagt. Während die Vorwürfe dem ehemaligen Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, durch einen Brief Grothes bekannt gewesen waren, sei sein Nachfolger, Kardinal Rainer Maria Woelki, darüber nicht im Bilde gewesen, zitiert C&W eine Auskunft der Kölner Pressestelle. Mittlerweile hat auch "Kirche in Not" im Online-Shop des Hilfswerks Filme und Bücher zu ihrem Gründer entfernt.
Der 1913 geborene Niederländer Werenfried van Straaten wurde als "Speckpater" bekannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er sich für die Aussöhnung mit den Deutschen ein und forderte seine Landsleute zur Hilfe für die Heimatvertriebenen aus den deutschen Ostgebieten ein. "Ich brauche kein Geld von euch, denn mit Geld kann man sich in Deutschland nichts kaufen. Ich verlange Speck!", so van Straaten in einem Artikel von 1947. Er gründete 1947 die später in "Kirche in Not" umbenannte "Ostpriesterhilfe", die 1984 als gesamtkirchliche Vereinigung päpstlichen Rechts anerkannt wurde. 2011 wurde die Vereinigung als Päpstliche Stiftung neu organisiert. Seitdem wird sie von Kardinal Piacenza als Präsident geleitet. Über die Eröffnung eines Seligsprechungsverfahren, das nach van Straatens Tod 2003 von verschiedener Seite ins Gespräch gebracht wurde, ist nichts bekannt. (fxn)