Aguirre: Kein Zweifel an der Heiligkeit Josef Kentenichs

Postulator: Vorwürfe gegen Schönstatt-Gründer "unseriös"

Veröffentlicht am 11.02.2021 um 13:01 Uhr – Lesedauer: 

Rom ‐ Nach den Vorwürfen psychischer und sexualisierter Gewalt gegen den Schönstatt-Gründer Josef Kentenich war es lange ruhig geworden – nun meldet sich der Postulator des Seligsprechungsverfahrens zu Wort. Er hält an der Heiligkeit des "Vaters" fest.

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Der Postulator im Seligsprechungsverfahren des Schönstatt-Gründers Josef Kentenich, der Schönstattpater Eduardo Aguirre, bestreitet weiterhin alle Vorwürfe sexualisierter Gewalt gegen den Gründer. In einem auf der Webseite der brasilianischen Schönstatt-Bewegung am Mittwoch veröffentlichten Interview wies er die von der Kirchenhistorikerin Alexandra von Teuffenbach erhobenen und mit einer Archivdokumentation belegten Vorwürfe gegen Kentenich zurück und bezeichnete sie als als "schäbig und unseriös" (portugiesisch: "malfeitas e pouco sérias"; in einer später intern verbreiteten deutschen Fassung, die katholisch.de vorliegt, wurde die Übersetzung "unglücklich und unseriös" verwendet). Teuffenbach habe Quellen "manipuliert" und sie aus dem Zusammenhang gerissen. Konkrete Beispiele dafür legte Aguirre in dem Interview nicht vor.

Der Postulator betont, er habe "zu keiner Zeit an der moralischen Integrität unseres Vaters und Gründers noch an seiner Heiligkeit" gezweifelt. Durch die Vorwürfe, die sich vor allem auf beeidete schriftliche Zeugenaussagen mehrerer ehemaliger Schönstatt-Schwestern im Seligsprechungsverfahren berufen und die Teuffenbach in Auszügen im Oktober des vergangenen Jahres veröffentlicht hatte, habe das Verfahren eine "überraschende Beschleunigung" erfahren: Die Vorgänge hätten "in weiten Kreisen unserer Familie eine erneute Sorge um die Person unseres Vaters motiviert" und das Interesse an historischer Forschung zu seiner Person intensiviert.

"Sicher", dass Heiliges Offizium nicht vertuschen würde

Aguirre erklärte, er habe im Archiv der Glaubenskongregation insgesamt etwa 400 Dokumente im Umfang von insgesamt 2.000 Seiten in Augenschein nehmen können und rechne damit, noch einmal eine ähnliche Anzahl zu sichten. Dabei habe er "wenig Neues" erfahren. Relevant seien vor allem die Akten der römischen Visitation durch den Jesuiten Sebastian Tromp (1951-1955), auf die sich auch Teuffenbach stützt. Auch der Kirchenhistoriker und Schönstattpater Joachim Schmiedl bestätigte bereits, dass diese Unterlagen nicht Teil des Prozesses waren. Auf die von der Kirchenhistorikerin angeführten Zeugenaussagen, die zu den Akten des diözesanen Verfahrens gehören und sich unter anderem im Archiv der Pallottiner in Limburg befinden, ging der Postulator nicht ein.

In den Archiven des Heiligen Offiziums, der heutigen Glaubenskongregation, hat Aguirre nach eigenen Angaben "keine Anschuldigungen gegen Pater Kentenich zu sexuellem Missbrauch, Gewalttaten oder unmoralischem Verhalten" gefunden. Man könne "sicher" sein, dass derartige Anschuldigungen ernst genommen und dokumentiert worden wären und das Offizium "diese Art von Fehlverhalten nicht vertuscht oder 'ein Auge zugedrückt'" hätte, so Aguirre weiter. Zudem seien bei der Recherche auch Schreiben an das Heilige Offizium sowie an Papst Pius XII. (1939-1958) aufgetaucht, in denen Kentenich und seine Lehre verteidigt würden, die bisher nicht berücksichtigt worden seien.

Neue Historikerkommission noch nicht offiziell eingerichtet

Vorwürfe einer einseitigen Dokumentation hatte Teuffenbach bereits zuvor widersprochen. In der Sammlung "Vater darf das" stützt sie sich vor allem auf Material aus dem Limburger Provinzialarchiv der Pallottiner und dokumentiert die Aussagen ehemaliger Schönstatt-Schwestern. Ein zweiter Band auf Grundlage der lateinischen Dokumente aus den römischen Archiven ist angekündigt. Die Kirchenhistorikerin hatte im Juli des vergangenen Jahres erstmals auf ihre Archivfunde aufmerksam gemacht und Kentenich psychische und sexualisierte Gewalt vorgeworfen. Im Zuge der Veröffentlichungen wurden auch deutliche Zweifel an einer "Rehabilitierung" Kentenichs geäußert, der über mehrere Jahre auf Geheiß Roms von seiner Gemeinschaft getrennt in den USA leben musste. Belege für eine Rehabilitierung konnten bisher nicht vorgelegt werden, stattdessen gibt es einige Dokumente, unter anderem vom damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, die einer Rehabilitierung ausdrücklich widersprechen. Auch der ehemalige Postulator bestätigte, dass es kein Rehabilitierungsdekret gebe.

Das Generalpräsidium der Schönstatt-Bewegung sicherte nach Bekanntwerden der Vorwürfe eine gründliche historische Aufarbeitung zu. Der für das diözesane Verfahren zuständige Trierer Bischof Stephan Ackermann kündigte an, eine neue Historikerkommission einzurichten, um die neu aufgetauchten Dokumente einzubeziehen. Das Seligsprechungsverfahren läuft bereits seit 1975. Eine erste Historikerkommission hatte ihre Arbeit 2007 abgeschlossen, ohne dass danach das diözesane Verfahren beendet wurde. Die bereits im Juli angekündigte Kommission ist bisher noch nicht offiziell ernannt. Nach Informationen von katholisch.de stehen die sechs Mitglieder jedoch bereits mindestens seit Dezember fest. Unter ihnen sollen sich zwei Mitglieder der Schönstattbewegung befinden. Der Grund für die Verzögerung der Einrichtigung ist nicht bekannt. Der aus Chile stammende Schönstattpater Eduardo Aguirre ist seit 2017 als Postulator für die Durchführung des Seligsprechungsverfahrens zuständig. (fxn)

Ergänzung, 16. Februar 2021: Die Übersetzung von "malfeitas e pouco sérias" wurde auf Grundlage einer innerhalb der Schönstatt-Bewegung angefertigten deutschen Übersetzung des Interviews näher erläutert.