Theologin: Westen kann von politischer Theologie der Ostkirchen lernen
Die Fribourger Dogmatikerin Barbara Hallensleben sieht es als eine Schwäche westlicher Theologie an, "die säkulare Welt als die unhinterfragbare Voraussetzung einer gottlosen Welt" zu akzeptieren. Im Interview mit kath.ch (Freitag) betonte die Schweizer Ostkirchen-Expertin, dass der Westen im Dialog von einer orthodoxen "Theologie des Säkularen" lernen könnte. “Ohne einen tiefen Grund für die Kostbarkeit alles Endlichen und die Hoffnung auf die Verklärung des Kosmos, um einmal orthodox zu sprechen, versinkt die Säkularität in Nihilismus", so Hallensleben. Das sei die gemeinsame Herausforderung der Kirche. Eine Schwäche der gegenwärtigen Theologie sei es zudem, sich auf das Thema "Religion" festlegen zu lassen. Die Theologie sei daher auch an einer Marginalisierung des Religionsunterricht nicht unschuldig. "Sie hat in den letzten Jahren sehr stark auf Ethik gesetzt und sich vielfach in eine 'Religionswissenschaft des Christentums' verwandelt", so Hallensleben weiter.
Die Leiterin des Zentrums St. Nikolaus für das Studium der Ostkirchen am Institut für Ökumenische Studien an der Universität Freiburg (Schweiz) gehörte zu den Teilnehmern des vom deutschen Auswärtigen Amts einberufenen Experten-Dialogs "Villa-Borsig-Gespräche über Religion und Aussenpolitik", der sich am Montag mit der Rolle der Orthodoxie in Osteuropa befasste. Gegenüber kath.ch erläuterte Hallensleben, dass die Situation in Osteuropa sehr vielschichtig sei und damit auch die Rolle der unterschiedlichen orthodoxen Kirchen. Verschiedene der traditionell stark an ihrem jeweiligen Staat orientierten Kirchen würden dazu tendieren, dass es gut sei, nicht mit dem Staat zusammenzufallen. "Christen besinnen sich auf ihre Verantwortung in der Zivilgesellschaft. Wenn die politischen Optionen quer durch das Kirchenvolk gehen und sich nicht mehr auf einen Nenner bringen lassen, muss die Kirche ihre eigene Haltung unweigerlich prüfen", so Hallensleben.
Von der politischen Theologie der Ostkirchen könne aber auch der Westen etwas lernen. "Die Ostkirchen tragen in sich die Erfahrung, dass Christentum etwas mit 'good governance' zu tun hat, mit Jesus, dem Pantokrator", betont die Dogmatikerin. Sie sähen Politik nicht bloß als Verwaltungsakt, sondern als Berufung: "Das macht sie anfällig für eine Art Staatshörigkeit, aber auch fähig, eine echte Theologie des Politischen zu entwickeln", so Hallensleben weiter. (fxn)