Einebnung soll Teil des Aufarbeitungsprozesses sein

Zum ersten Mal: Grab von Missbrauchspriester soll eingeebnet werden

Veröffentlicht am 16.02.2021 um 14:27 Uhr – Lesedauer: 

Dresden/Heidenau ‐ Für die Opfer dürfte es ein wichtiges Zeichen sein: Wohl zum ersten Mal soll in Deutschland in diesem Jahr das Grab eines Missbrauchspriesters eingeebnet werden. Die Auflösung der Grabstätte soll Teil des Aufarbeitungsprozesses in dem Fall sein.

  • Teilen:

Wohl zum ersten Mal soll in Deutschland in diesem Jahr das Grab eines katholischen Missbrauchspriesters eingeebnet werden. Das berichtete die "Sächsische Zeitung" am Wochenende angesichts der geplanten Auflösung der Grabstätte eines Priesters im sächsischen Heidenau. In den deutschen Diözesen sei kein anderer Fall bekannt, in dem das Grab eines des Missbrauchs verdächtigten oder überführten Priesters aufgelöst worden sei, schrieb die Zeitung und berief sich dabei auf eine Aussage der Deutschen Bischofskonferenz. Eine Sprecherin der Konferenz wollte diese Information am Dienstagnachmittag gegenüber katholisch.de zwar nicht bestätigen, da der Konferenz keine entsprechenden Daten vorlägen. Weitere Einebnungen entsprechender Gräber sind in Deutschland bislang aber nicht bekanntgeworden.

Konkret geht es im vorliegenden Fall um das Grab des Priesters Herbert Jungnitsch, der 1971 in Heidenau gestorben ist und auf dem Südfriedhof der Stadt begraben liegt. Aus seiner Zeit als Pfarrer in Heidenau sind nach Angaben des Seelsorgerats der Pfarrgemeinde St. Georg "Fälle sexualisierter und körperlicher Gewalt an mindestens vier Kindern bis hin zu schwerem sexuellen Missbrauch glaubhaft bekannt". Laut der "Sächsischen Zeitung" soll der Pfarrer unter anderem zwei Jugendliche zum Sex gezwungen haben, an anderen Taten sollen weitere Männer aus der Gemeinde und dem Kirchendienst beteiligt gewesen sein. "Heute würde man das wahrscheinlich als Kinderschänder-Ring bezeichnen", zitierte die Zeitung eine Betroffene.

Einebnung soll Teil des Aufarbeitungsprozesses sein

Das Bistum Dresden-Meißen hatte den Missbrauchsfall Jungnitsch im Juli 2010 anonymisiert und gemeinsam mit anderen Fällen öffentlich eingeräumt. Der damalige Bischof Joachim Reinelt habe kurz zuvor durch ein Gespräch mit zwei Missbrauchsopfern erfahren, "dass ein 1971 verstorbener Pfarrer offensichtlich verbrecherische Handlungen an Mädchen begangen und ihnen damit schweren seelischen Schaden zugefügt hat", erklärte die Diözese damals. Von Verwicklungen weiterer Männer aus dem Kirchendienst in diesen Fall soll dem Bistum laut der "Sächsischen Zeitung" dagegen bis heute nichts bekannt sein.

Der Seelsorgerat der Pfarrgemeinde St. Georg hat die Einebnung des Grabes eigenen Angaben zufolge im Januar 2019 und noch einmal im Juli 2020 beschlossen. Die Auflösung der Grabstätte solle "Teil des Aufarbeitungsprozesses in der Gemeinde" sein, heißt es auf der Internetseite der Pfarrei. Sie solle jedoch "nicht im Geheimen und ohne weitere Bemühungen zur Aufarbeitung der entsprechenden Jahre geschehen". Voraussichtlich im Juni solle gemeinsam "mit Betroffenen, dem Bistum sowie weiteren fachlich kompetenten Akteuren" eine Abendveranstaltung durchgeführt werden. Dabei sollten die Fakten des Missbrauchsfalls Jungnitsch klar benannt werden, um daraus für die künftige Prävention sexualisierter Gewalt zu lernen. Wann das Grab des Priesters, das mit dem Bibelspruch "Ich lebe und ihr sollt auch leben" (Joh 14,19) verziert ist, eingeebnet wird, ist noch unklar. Bislang sei die Einebnung an der Corona-Pandemie gescheitert, hieß es. (stz)