Symposium beschäftigte sich mit der Zukunft von Gotteshäusern

Wie man leerstehende Kirchengebäude sinnvoll nachnutzen kann

Veröffentlicht am 18.02.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Hannover ‐ Zahlreiche Kirchen stehen leer, es fehlt Geld für deren Unterhalt. Wie kann eine sinnvolle und respektvolle Nachnutzung aussehen? Damit beschäftigte sich jetzt ein internationales Symposium – und diskutierte verschiedene Lösungsansätze.

  • Teilen:

Die Extrembeispiele stammen aus den 1990er Jahren: Im Brandenburgischen Milow zog eine Sparkassenfiliale in eine ehemalige Kirche. In der Immanuelkirche in Magdeburg ist heute ein Restaurant, in einer Kirche in Bielefeld ebenso. Mittlerweile ist die Debatte um die Nachnutzung von Gotteshäusern in ruhigeres Fahrwasser gekommen: Dass in der Gerhard-Uhlhorn-Kirche in Hannover 2019 ein Studentenwohnheim eröffnete, sorgte kaum noch für überregionale Schlagzeilen.

Doch die Frage nach der Zukunft der gut 42.000 evangelischen und katholischen Kirchengebäude in Deutschland stellt sich weiterhin. Vor allem die evangelischen Landeskirchen in Ostdeutschland, aber auch das noch immer unter den Folgen des Baubooms unter seinem ersten Bischof Franz Hengsbach leidende katholische Bistum Essen sind im Wortsinn "steinreich" und wissen oftmals nichts mehr mit ihren Immobilien anzufangen.

Gotteshäuser nicht zum Selbstzweck da

Wie also weiter mit den Gotteshäusern? Darum ging es am Dienstagabend im "61. Herrenhäuser Gespräch", das die Volkswagen-Stiftung gemeinsam mit dem Norddeutschen Rundfunk als Videokonferenz veranstaltet hat. Es ordnete sich ein in ein mehrtägiges digitales Symposium mit internationalen Experten, das sich ebenfalls mit der Frage der Kirchenumnutzung beschäftigte.

"Historisch ist es so, dass Kirchen in der ganzen Geschichte des Christentums umgebaut wurden", sagte die hannoversche Regionalbischöfin Petra Bahr. Sie betonte, dass Gotteshäuser nicht zum Selbstzweck da seien, und erinnerte daran, dass sich die christliche Gemeinde theoretisch sogar im Wohnzimmer oder einem Keller treffen könne. "Das musste sie ja in ihrer Geschichte oft genug." Dort, wo Kirchen geschlossen oder umgenutzt werden müssten, seien es oft gar nicht die Gottesdienstbesucher, die am vehementesten protestierten. "Es sind die, die seit 20 Jahren selber nicht mehr in der Kirche waren. Da werden Stellvertretungsdiskussionen geführt."

Bild: ©epd/Harald Koch

Wo früher die Orgel spielte, ist künftig die Gemeinschaftsküche: Die ehemalige Gerhard-Uhlhorn-Kirche wurde zu einem Studentenwohnheim umgebaut.

Der stellvertretende Geschäftsführer der Ludwigsburger Wüstenrot-Stiftung, Stefan Krämer, verwies auf eine aus seiner Sicht mangelnde Professionalität der Kirchen im Umgang mit ihrem Gebäudebestand. "Im Regelfall wird mit der Frage nach der Zukunft einer Kirche relativ lange gewartet", sagte Krämer. "Es gibt kaum eine präventive Herangehensweise – dann kommt der finanzielle Hammer, und dann muss schnell eine Lösung gefunden werden, die dann in der Regel dem schnellen, ökonomischen Prinzip folgt."

Der Hannoveraner Architekt Tim Rieniets brach eine Lanze für die oft vernachlässigten Betongebäude der bundesdeutschen Nachkriegszeit. "Es ist ein unglaublich toller und reichhaltiger Fundus moderner Architektur, der hier zu finden ist", sagte Rieniets. "Es tut mir schon weh, wie oft diese Kirchen vom Tisch gewischt werden." Die Herausforderung der Architektur sei im 21. Jahrhundert aber nicht der Neubau, sondern der Umbau von Gebäuden – auch im Kontext von Nachhaltigkeitsdebatten.

"Wir müssen damit leben"

Also doch wieder Sparkassen und Studentenwohnheime? "Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass wir Kirchen verlieren werden", so Krämer. "Wir müssen damit leben, dass wir sie nicht so geliebten Nutzungen zuführen wollen – und wir können nur hoffen, dass es uns gelingt, für möglichst viele Kirchen eine in die Zukunft weisende Perspektive zu finden."

Bahr plädierte vor allem für Lösungen, die den Menschen dienen. Neben der Nutzung durch andere Religionsgemeinschaften sei etwa eine sozial-karitative Fremdnutzung von Kirchengebäuden eine gute Option. "Ich kann mir auch eher ein Mehrgenerationenhaus vorstellen, als eine Werbeagentur, die sich dort ein Loft einrichtet, und sagt, wir sind aber noch cooler als Ihr mit Eurer Fabriketage." Auch die Einrichtung des Studentenwohnheims in der Gerhard-Uhlhorn-Kirche in Hannover gefällt der Bischöfin. "Dort kann man wenigstens zu keiner Zeit verleugnen, dass man sich in einer ehemaligen Kirche aufhält – dort wurde ein Gleichgewicht hergestellt."

Von Benjamin Lassiwe (KNA)