Unternehmensberater: Neu-Bischof Bonnemain muss Kritiker integrieren
Der Theologe und Führungskräfte-Coach Tobias Heisig rät dem neuen Churer Bischof Joseph Bonnemain, auch gegen Widerstände Menschen mit anderen Meinungen zu integrieren und zugleich eine klare Strategie zu verkörpern. "Die wesentliche Führungsaufgabe besteht darin – und dies gilt im Unternehmen wie im Bistum – Kooperationen für gemeinsame Problemlösungen und Ziele zu fördern", sagte Heisig in einem Interview mit dem Schweizer Online-Portal "kath.ch" am Mittwoch. "Am Anfang steht die bewusste Entscheidung von allen Mitwirkenden: Will ich mit den anderen Menschen, auch dem Bischof, unterstützend zusammenarbeiten? Diese Fragen und eine entsprechende Hoffnung muss der Bischof formulieren", so der Unternehmensberater.
Am Anfang seines Episkopats sollte Bonnemain eine kurze und prägnante Selbstpositionierung als Brückenbauer geben, rät Heisig: "Ziel ist es, Gemeinschaft zu fördern. Alle sind willkommen und anerkannt, auch wenn der Dialog schwierig ist. Gemeinschaft heißt: kirchenfern Interessierte, Gläubige, Hauptamtliche, Amtsträger – in dieser Reihenfolge, oder, wie der Papst sagt: 'Von den Rändern her denken'." Dabei solle man eine Zuversicht zeigen, die aus der christlichen Hoffnung resultiere und auch in Konflikten das Positive betonen. "Denn Konflikte bedeuten Leidenschaft und Einsatz – wer streitet, will weiter machen."
Durchsetzungsstärke und Autorität erst später gefragt
Nach dieser ersten Positionierung komme eine Phase des Zuhörens und Hinschauens. "Der Bischof sollte viele Gespräche auf allen Ebenen und in vielen Gremien führen. Er sollte an die Basis gehen, weiterhin diakonisch arbeiten und in der Spitalseelsorge wirken, aber auch mit Kirchenfernen sprechen." Anschließend beginne die Phase der Entwicklung gemeinsamer Ziele und übergreifender Strategien. Um strittige Themen anzugehen, brauche es aber Geduld. Der Bischof solle erst Schritt für Schritt seine eigenen Kompetenzen mit Selbstvertrauen und Willen durchsetzen. "Durchsetzungsstärke und natürliche Autorität sind also durchaus gefragt. Aber nicht sofort."
Die Kernfrage für einen neuen Bischof sei, wie es ihm gelinge, miteinander klar zu kommunizieren, gleichzeitig Verbundenheit erfahrbar zu machen und Unterschiede auszuhalten. "Unternehmen sind hier kulturell manchmal näher am christlichen Anspruch dran als die Kirche", so Heisig. "Wir haben nicht gelernt, Unterschiede als wertvoll und als Bereicherung für die Weiterentwicklung der eigenen Glaubenshaltung zu betrachten. Dabei sind es gerade die Kontraste, die uns weiterbringen."
Papst Franziskus hatte den 72-jährigen Joseph Bonnemain am Montag zum künftigen Bischof der Schweizer Diözese Chur ernannt, nachdem das Domkapitel auf eine Wahl verzichtet hatte. Das Bistum gilt seit Jahrzehnten als gespalten. (cbr)