Kirche will Machtmissbrauch gegen Männer stärker in den Blick nehmen
Die katholische Kirche will Machtmissbrauch gegen Männer stärker in den Blick nehmen. Bei einer Auftaktveranstaltung mit knapp 100 Teilnehmern am Freitag wurden online Erfahrungsberichte von Betroffenen und Expertenansichten gehört. "Männer kommen bei erlittenem Machtmissbrauch wesentlich schwieriger aus sich heraus", betonte der Beauftragte für Männerseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Ludwig Schick, nach der Konferenz. Deswegen sei diese Veranstaltung bereits ein wichtiger Schritt aus der Tabuzone.
Viele bemerkten gar nicht, dass sie ihre Macht missbrauchten – andere nähmen nicht war, dass sie von Machtmissbrauch betroffen seien, schilderte der Bamberger Erzbischof eine Schwierigkeit bei der Thematik. Schick betonte, dass es wichtig sei, von den Betroffenen zu lernen und auch Expertisen von Außen einzuholen.
"Eine sakrale Überhöhung der Weihe ist bedenklich"
Prämonstratenser-Abt Hermann-Josef Kugler pflichtete ihm bei und forderte eine unabhängige Ansprechstelle. "Wo kann ich mich hinwenden und beschweren? Die Kirche selber darf es nicht sein", betonte der Vertreter der Deutschen Ordensobernkonferenz. Zudem müsse die Kirche die Rolle und das Selbstverständnis von Priestern stärker in den Blick nehmen. "Eine sakrale Überhöhung der Weihe ist bedenklich", so Kugler.
Die Online-Tagung "Als Mann von Machtmissbrauch in der Kirche betroffen" wurde von der Kirchlichen Arbeitsstelle Männerseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz (AfM) im Auftrag der Pastoralkommission der Bischofskonferenz und der Deutschen Ordensobernkonferenz veranstaltet.
Der frühere Chef der Deutschen Provinz der Jesuiten, Stefan Kiechle, wies darauf hin, dass kirchliche Strukturen Ursachen für Machtmissbrauch auch gegen Männer sein könnten. Kiechle sprach von kirchlichen Männerbünden und regte an, darüber nachzudenken, wie sinnvoll das Gehorsamsgelübde für Ordensleute und Priester seien. Der Chefredakteur der Zeitschrift "Stimmen der Zeit" betonte zudem: "Mancher Machthaber sieht sich als 'Diener Gottes' und rechtfertigt seine Taten damit. Jedoch ist der Dienst etwas, was ich für andere mache, nicht für mich." Dieses Bewusstsein fehle mitunter.
Auch der ehemalige Präventionsbeauftragte des Bistums Speyer, Thomas Mann, forderte die Kirche auf, Machtstrukturen zu durchbrechen. Nach Ansicht des Paderborner Pastoralpsychologen Christoph Jacobs steht die Aufarbeitung und Forschung im Bereich des Machtmissbrauch gegen erwachsene Männer in der Kirche am Anfang. Er regte einen intensiven Austausch mit den Betroffenen an. "Es geht darum, die Würde und das Leben zurückzugeben", unterstrich er.
Schick: Auch auf kirchenrechtlicher Ebene Handlungsbedarf
Erzbischof Schick forderte, Kandidaten für kirchliche Ämter schon bei der Auswahl verstärkt für das Thema zu sensibilisieren. So müsse etwa die Priesterausbildung entsprechend angepasst werden. "Außerdem muss ein jeder, der ein Amt inne hat, bereit sein, sein Leben lang zu lernen", sagte Schick.
Auch auf kirchenrechtlicher Ebene sieht der Erzbischof Handlungsbedarf. "Die freie Wahl der geistlichen Betreuung wie auch der Beichte muss gegeben sein. In manchen geistlichen Gemeinschaften ist dies nicht der Fall", sagte Schick. Er forderte zudem klarere Regeln, um Machtmissbrauch zu verhindern.
Der Leiter der Arbeitsstelle Männerseelsorge, Andreas Heek, äußerte die Hoffnung, dass die Auftaktveranstaltung betroffene Männer dazu ermutige, ihre Erfahrungen zu schildern. Der Austausch solle fortgeführt werden, unter anderem auch mit einem weiteren Treffen am 1. und 2. April 2022 in Siegburg. (KNA)