Seit Jahrhunderten bischöflicher Weinbau

Trierer "Bischofswein": Zwischen Tradition, Corona und Klimawandel

Veröffentlicht am 07.03.2021 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 

Trier ‐ Unter der Ägide des Bistums Trier entstehen seit vielen hundert Jahren Spitzenweine – seit vergangenem Jahr mit Julia Lübcke als neuer Leiterin mitten in der Pandemie. Im Interview spricht sie über momentane Herausforderungen – und verrät, ob es einen "Corona-Jahrgang" gibt.

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Die Bischöflichen Weingüter Trier haben eine zum Teil jahrhundertealte Geschichte: 1966 wurde der Weinbergsbesitz des Bischöflichen Konvikts (seit 1840), des Bischöflichen Priesterseminars (seit 1773) und der Hohen Domkirche (seit 1851) zusammengeführt, 2004 kam noch das Weingut Friedrich-Wilhelm-Gymnasium dazu, es wird vor allem Riesling angebaut. Seit Mai vergangenen Jahres zunächst interimsweise, seit Herbst nun fest ist Julia Lübcke die Direktorin der Weingüter an Mosel, Saar und Ruwer – mitten in der Corona-Pandemie. Im Interview spricht sie über eine lange Tradition und ganz heutige Herausforderungen des Weinbaus in Bistumshand.

Frage: Frau Lübcke, die Bischöflichen Weingüter Trier setzen sich aus ganz unterschiedlichen Weinbergen zusammen. Wie kann da ein einheitlicher Wein entstehen?

Lübcke: Wir sind hier in einer Region, in der wir eine sehr große Lagenkultur leben, es also auf den genauen Standort des Weinberges ankommt. Natürlich ist nach der Ernte die Verarbeitung in jedem Keller und von jedem Kellermeister ein bisschen anders und jeder hat seine eigene Handschrift für den Weinstil, aber unsere Weine hier an der Mosel entstehen hauptsächlich im Weinberg. Das Terroir, also die geografischen und klimatischen Voraussetzungen, die die Weinberge den Trauben mitgeben, versuchen wir am Ende mit dem Wein in der Flasche erlebbar und schmeckbar zu machen. Zudem hat sich hier über die Jahrzehnte ein Stil für die Bischöflichen Weingüter herausgebildet, der von unseren Kellern, unserem Kellermeister und unseren Fässern geprägt ist.

Frage: Was ist denn das Besondere am "Bischofswein"?

Lübcke: Wir haben hier eine große Vielfalt und ein Weinkulturerbe, das seinesgleichen sucht. Unsere Weinlagen sind über 130 Hektar groß und über hundert Kilometer die Mosel entlang verteilt – das sind wirklich absolute Top-Lagen! Weil wir in den unterschiedlichen Lagen nicht wie kleinere Weingüter nur eine Parzelle haben, sondern mehrere, können wir aus jeder Herkunft verschiedene Qualitätsstufen abbilden – vom einfachen Gutswein bis hoch zu absoluten Ikonen wie trockenen Großen Gewächsen oder fruchtsüßen Auslesen  können wir jede Intensität abbilden. Das Ganze in einem für die Region typischen Stil, der die Mineralität der Riesling-Weine betont. Zudem verfügen wir über einen der größten Fuderfasskeller der Region. Fuderfässer sind für die Mosel typische Eichenholzfässer, die dort schon seit Jahrhunderten verwendet werden. Mit mehr als 250 Fässern ist das eine sehr traditionsreiche Ausbauart, die wir hegen und pflegen.

Frage: Wird in der Arbeit am Wein und im Weingut spürbar, dass es sich um ein bischöfliches Weingut handelt?

Lübcke: Ich merke schon, dass wir hier einen sehr weiten und langen Horizont haben. Das verträgt sich mit dem Weinbau sehr gut, weil der ja auch eine sehr langlebige Kultur ist – und genau die auch benötigt. Man merkt einfach, dass die Gesellschafter nicht den kurzfristigen Profit anstreben, sondern extrem langfristig denken und die Strategie für die Weingüter daraufhin ausrichten.

Bild: ©Privat

Die Güterdirektorin der Bischöflichen Weingüter Trier, Julia Lübcke

Frage: Lastet bei der langen Vergangenheit nicht zu viel Geschichte auf dem Weinbau? Haben Sie da überhaupt die Möglichkeit zu Innovationen?

Lübcke: Es ist sicherlich nicht die Weinregion für große Innovationen, wir können und wollen uns nicht morgen völlig neue Produkte überlegen und völlig andere Wege gehen. Wir wollen weiter unsere Spezialität, den Riesling, pflegen und dieses Erbe weiterführen. Dazu will ich die Arbeit im Weingut modernisieren und digitalisieren. Was mich persönlich sehr reizt und wo ich die nächsten zehn oder zwanzig Jahre meiner Amtszeit meinen Stempel aufdrücken kann, ist die Arbeit an den Details. Die macht bei Premiumweinen einen großen Unterschied. Da geht es um die Verzahnung der einzelnen Bereiche, kleine Schräubchen, an denen man drehen kann, um das qualitative Potential voll auszuschöpfen. Da wäre ich sehr stolz, wenn mir das gelingen würde.

Frage: Können Sie da ein Beispiel nennen?

Lübcke: Bei der Herstellung eines Spitzen-Rieslings hat man früher relativ viel der Natur überlassen und ihn sich von ihr schlicht schenken lassen. Heute gehen wir es gezielter an und denken darüber nach, wie wir im Weinberg schon auf diesen Weinstil hinarbeiten können. Eine wichtige Einflussmöglichkeit ist der Rebschnitt: Lege ich den Weinberg von Anfang an auf etwas weniger Ertrag und dafür sehr gute Qualität an oder ist mir bei einem Weinberg auch die Ertragsstabilität besonders wichtig und verlange ich dem Rebstock da ein bisschen mehr ab. Dann geht es in die Feinheiten: Wie viel Abstand haben die Pflanzen zueinander, was wird maschinell, was per Hand gemacht, wie bearbeite ich den Boden? Da ist es schon etwas anderes, ob ich einen vergleichsweise einfachen Gutswein oder einen Spitzenwein mache.

Frage: Seit Beginn Ihrer Amtszeit haben Sie mit der Corona-Pandemie zu tun. Wie beeinflusst die Ihre Arbeit?

Lübcke: Wir sind davon betroffen wie alle anderen Gesellschaftsbereiche auch, wir dürfen zum Beispiel keine Weinverkostungen oder andere Veranstaltungen im Weingut machen und nutzen die Möglichkeiten mobilen Arbeitens. Allerdings kommen wir wirtschaftlich gesehen mit einem blauen Auge davon, weil sowohl in Deutschland wie auch in anderen Ländern der Weinkonsum nicht zurückgegangen ist. Was vorher in der Gastronomie oder im Urlaub getrunken wurde, kaufen sich die Leute jetzt für zu Hause. Von daher profitieren wir sogar ein Stück weit von der Krise und können uns nach wie vor über sehr gute Umsätze freuen. Deshalb möchte ich gar nicht groß klagen. Wir haben uns allerdings auch neue Formate überlegt wie etwa Online-Weinproben.

Bild: ©Adobe-Stock/saiko3p

In Trier ist die Kirche eng mit dem Weinbau verbunden.

Frage: Funktioniert das denn, Wein per Videokonferenz zu probieren?

Lübcke: Ich glaube, dass das eine gute Ergänzung zu den Tischweinproben ist. Ich ganz persönlich habe als Teilnehmerin solcher Weinproben etwa mit unseren Kunden, Kollegen oder zur Weiterbildung die Erfahrung gemacht, dass ich besser probiere als an einem großen Tisch mit vielen Leuten oder auf einer Messe. Vom rein fachlichen her ist das ein intensiveres Erlebnis, weil man sehr fokussiert ist und es wenig Ablenkung gibt. Aber Ablenkung kann natürlich auch sehr schön sein – etwa, wenn das heißt, mit Menschen zu reden und sich über Weine auszutauschen. Ich glaube, dass Online-Formate ein ergänzendes Mittel bleiben werden, etwa für weiter verstreute Gruppen oder Freundeskreise – da kann so eine Weinprobe ohne lange Anreise eine schöne Sache sein.

Frage: Beeinflusst die Pandemie-Situation auch die eigentliche Weinherstellung, wird es also eine Art Corona-Jahrgang geben?

Lübcke: Nein, die Natur ist vom Pandemie-Geschehen völlig unbeeindruckt. (lacht) Unsere Herausforderungen liegen eher im Klimawandel und bei den Steillagen. Dennoch haben wir einen sehr schönen Jahrgang 2020 eingelagert und hatten durch Ausnahmeregelungen für Saisonarbeitskräfte keine Einschränkungen. In den nächsten Wochen füllen wir nun die ersten Weine ab.

Frage: Der Klimawandel ist also eine größere Herausforderung – inwiefern?

Lübcke: Beim Klimawandel denkt man ja immer daran, dass es wärmer wird – das spielt bei uns aber bisher keine so große Rolle, außer dass wir bei manchen Jahrgängen etwas größere Sonnenbrandschäden haben. Der Temperaturanstieg im Winter und Frühjahr führt aber dazu, dass die Reben früher austreiben – und dass dann eventuell auftretende Spätfröste einen größeren Schaden anrichten. Das ist uns in den letzten Jahren immer mal begegnet. Ein anderes Problem ist die Trockenheit, die in den Sommermonaten immer weiter zunimmt. Da haben wir gerade bei unseren sehr skelettreichen, also steinhaltigen Böden mit wenig Humus ein Problem. Diese Böden können ganz hervorragend Wärme speichern, aber keine Feuchtigkeit. Es kommt mittlerweile in Bezug auf die Traubenqualität sehr darauf an, wo im Sommer nochmal ein bisschen Niederschlag fällt. Da müssen wir also unsere Methoden anpassen.

Frage: Das heißt, Sie gießen?

Lübcke: Aus Tradition bewässern wir die Reben generell nicht – und das wäre auch nicht so einfach. Das Wasser muss ja erstmal hoch auf den Berg und es fehlt dann an anderer Stelle. Da gibt es keine einfachen Antworten, die Diskussion darum wird momentan noch nicht geführt. Wir nutzen andere Möglichkeiten: Um den Humusanteil zu erhöhen, kann man um die Reben Rindenmulch, Grünschnitt oder Stroh aufbringen. Früher hat man die die Weinreben umgebenden Pflanzen als potentielle Wasserkonkurrenten für den Wein abgemäht, heute walzen wir sie eher, damit sie mehr Biomasse liefern. Dazu kommen Beschattungssysteme und vieles mehr – wir müssen hier relativ schnell lernen und unsere Arbeit anpassen. Die Lagen kommen damit unterschiedlich gut zurecht, außerdem haben ältere Pflanzen einen Vorteil, weil sie tiefere Wurzeln haben. An sich ist der Riesling aber relativ unverwüstlich, deswegen bin ich zwar nicht pessimistisch, wir müssen aber in Bewegung bleiben.

Von Christoph Paul Hartmann