Die Legionäre Christi suchen einen Neuanfang nach der Krise

Was bleibt vom "falschen Propheten"?

Veröffentlicht am 09.01.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Orden

Vatikanstadt ‐ Was wären die Franziskaner ohne Franz von Assisi, die Jesuiten ohne Ignatius von Loyola? Das Generalkapitel der "Legionäre Christi" muss sich ebendiese Frage für seinen Orden seit Mittwoch in Rom stellen: Was bleibt übrig, wenn die Persönlichkeit des Gründers komplett wegfällt?

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Die Aufdeckung des skandalösen Doppellebens, das der mexikanische Priester Marcial Maciel Degollado (1920-2008) jahrzehntelang führte, hatte den Orden vor dreieinhalb Jahren schwer erschüttert. Der Vatikan ordnete daraufhin 2010 eine umfassende "Reinigung" und radikale Reformen an. Seither beaufsichtigt der italienische Kurienkardinal Velasio de Paolis die 1941 gegründeten Legionäre. Etliche Vertreter der alten Garde mussten seither ihre Posten räumen. Das Generalkapitel soll den Erneuerungsprozess nun bis Ende Februar abschließen und neue Ordensstatuten verabschieden.

Vernichtendes Urteil nach der vatikanischen Untersuchung

"Objektiv unmoralisches Verhalten" und "gewissenloses Leben ohne echte religiöse Gesinnung": Das abschließende Urteil der von Benedikt XVI. veranlassten Untersuchung über Maciel im Mai 2010 war vernichtend, auch wenn Verfehlungen nur angedeutet wurden. Doch die waren zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon bekannt: Der mexikanische Geistliche hatte jahrelang Seminaristen seines Ordens sexuell missbraucht und mit zwei Frauen drei Kinder gezeugt. Jahrzehntelang war er morphinabhängig. Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs gegen Maciel gab es schon seit längerem. Doch gegen den Freund von Johannes Paul II. , der über einen guten Draht zu Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano verfügte, vermochte der damalige Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, offenbar nichts zu unternehmen.

Kardinal Guiseppe Bertello.
Bild: ©KNA

Kardinal Guiseppe Bertello.

Die Legionäre Christi verstehen sich als "Miliz" Christi. Ihr Kennzeichen ist eine straffe Disziplin bis hin zum Erscheinungsbild. In der Öffentlichkeit fallen sie vor allem durch ihre stets korrekt gescheitelten und gegelten Haarschnitte auf. Kein Geringerer als der Präfekt der vatikanischen Ordenskongregation, Kardinal Joao Braz de Aviz, bescheinigte den Legionären "Autoritatismus" und "Mangel an persönlicher Freiheit". Der Vatikan mahnte eine Neustrukturierung des bislang ganz auf die Person des Gründers zugeschnittenen Ordens an. Die Legionäre unterhalten vor allem Schulen, Universitäten und engagieren sich in der Medienarbeit. Besonders stark sind sie in Mexiko.

In dem Ruf, Avantgarde einer "armen Kirche für die Armen" zu sein, stehen die Legionäre nicht. "Millonarios de Cristo", "Millionäre Christi", nennt sie der Volksmund in lateinamerikanischen Ländern. Ihr Ordensgründer suchte die Nähe der politischen und wirtschaftlichen Eliten und pflegte einen lockeren Umgang mit Geld.

Im Jahr 2010 Entschuldigung bei den Opfern

Der Prozess der Abnabelung war schmerzhaft und ging nicht ohne Verluste vonstatten: Im Februar 2010 distanzierten sich die Legionäre förmlich von Maciel und entschuldigten sich bei seinen Opfern. Im gleichen Jahr wurde der Kult um seine Person erheblich beschnitten: Geburtstag, Taufe, Namenstag und Priesterweihe dürfen seither nicht mehr als Festtage begangen werden. Außerdem mussten alle offiziellen Porträts Maciels in den Niederlassungen entfernt und der Verkauf seiner Schriften eingestellt werden.

Die Anziehungskraft der Legionäre hat zuletzt erheblich gelitten. Seit dem Tod Maciels im Jahr 2008 ging die Zahl der Eintritte von jährlich 200 auf 100 zurück. Insgesamt zählt der Orden, der derzeit übergangsweise von dem Deutschen Sylvester Heereman geleitet wird, nach eigenen Angaben rund 950 Priester und etwa 2.000 Nichtgeistliche in 22 Ländern.

So scharf der Vatikan mit Maciel selbst und seinem Umfeld ins Gericht ging, so bemüht war er, die lauteren Absichten und ehrlichen Überzeugungen einer großen Mehrheit im Orden zu würdigen. Viele seien "von einer falschen Gewalt letztlich doch zum Richtigen gerufen worden", sagte Benedikt XVI. hierzu später im Interview mit Peter Seewald. Das "sei das Merkwürdige, der Widerspruch, dass sozusagen ein falscher Prophet doch eine positive Wirkung haben kann".

Von Thomas Jansen (KNA)