"Ich stelle mich meiner Verantwortung"

Nach Gutachten: Erzbischof Heße bittet Papst um sofortige Entpflichtung

Veröffentlicht am 18.03.2021 um 17:29 Uhr – Lesedauer: 

Hamburg ‐ Insgesamt elf Pflichtverletzungen werfen die Gutachter dem jetzigen Hamburger Erzbischof Stefan Heße aus seiner Kölner Zeit vor. Nun zieht er daraus die Konsequenz. Damit wolle er "Schaden vom Amt des Erzbischofs und vom Erzbistum Hamburg" abwenden, so Heße.

  • Teilen:

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße hat Papst Franziskus seinen Rücktritt angeboten und ihn um eine sofortige Entpflichtung von seinem Amt gebeten. Das teilte der Erzbischof am Donnerstagnachmittag in einer persönlichen Erklärung mit. Damit wolle er "Schaden vom Amt des Erzbischofs und vom Erzbistum Hamburg" abwenden. Heße betonte zudem, "immer nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt" zu haben. Er habe mit vielen Betroffenen Gespräche geführt, um ihnen zuzuhören und sie zu verstehen. Ihm sei bewusst, dass er Fehler gemacht habe. Erst recht mit dem Blick von heute würden ihm diese Fehler bewusst.

An den Feststellungen der Studie könne und wolle er nicht vorbei. Heße bezeichnete das zuvor in Köln veröffentlichte Gutachten als "bedeutsam, weil es mir heute wie in einem Spiegel mein eigenes Handeln vor Augen führt." Ein solcher Blick von außen sei für jede Aufarbeitung unersetzlich.
"Ich habe immer gesagt, dass ich mich der Untersuchung stellen werde", so Heße. Die Übernahme von Verantwortung sei wichtig, um in eine bessere Zukunft zu kommen. "Ich habe mich nie an Vertuschung beteiligt, bin aber dennoch bereit, meinen Teil für das Versagen des Systems zu tragen", versicherte der Erzbischof. Er müsse die Konsequenzen aus seinem Handeln und den zur Last gelegten Pflichtverletzungen ziehen. Er bedauere es außerdem, wenn er den Betroffenen und Angehörigen neuerliches Leid zugefügt haben sollte.

Die Kölner Gutachter stellten bei Heße insgesamt elf Pflichtverletzungen fest, die sich auf neun Aktenvorgänge beziehen. Auf seine Zeit als Leiter der Hauptabteilung Seelsorge-Personal im Kölner Generalvikariat (2006–2012) entfielen sieben nicht ordnungsgemäß bearbeitete Fälle. Darin sei es zu fünf Verstößen gegen die Aufklärungspflicht und zwei Verstößen gegen die Meldepflicht gekommen. Insgesamt seien in seiner Zeit als Personalverantwortlicher zwischen 2006 und 2011 laut den Akten 98 Verdachtsmeldungen im Erzbistum eingegangen. Von 2012 bis 2014 war Heße Generalvikar von Kardinal Joachim Meisner. Nach dessen Rücktritt führte er das Erzbistum als Diözesanadministrator bis zum Herbst 2014. In dieser Zeit identifizieren die Gutachter drei nicht ordnungsgemäß bearbeitete Fälle, einer davon stammte noch aus seiner Tätigkeit als Hauptabteilungsleiter. Insgesamt gingen in diesem Zeitraum 37 Verdachtsmeldungen ein. Bei den Heße angelasteten Fällen handele es sich um einen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht sowie drei Verstöße gegen die Meldepflicht. Nach dem Amtsantritt von Rainer Maria Woelki als Erzbischof nennt das Gutachten keine Fälle von Fehlverhalten mehr.

"Flutartiger" Anstieg der Verdachtsfälle ab 2010

Die Gutachter halten Heße dabei zugute, dass 2010, dem Jahr der Veröffentlichung der Missbrauchstaten am Berliner Canisius-Kolleg, Missbrauchsmeldungen "flutartig im Erzbistum Köln eingingen und die Verantwortungsträger mit einer neuen Dimension des Problems konfrontiert" worden seien, außerdem habe es eine Vielzahl von rechtlichen Änderungen gegeben. Die interne rechtliche Beratung im Erzbistum durch den Offizial Günter Assenmacher und die Justiziarin seien allerdings "teilweise unzureichend" gewesen sei. Assenmacher wurde nach Veröffentlichung des Gutachtens noch am selben Tag von Kardinal Woelki wie Heßes Vorgänger als Generalvikar, der heutige Weihbischof Dominikus Schwaderlapp, vorläufig freigestellt.

Heße war bis zu seiner Ernennung zum Hamburger Erzbischof im Frühjahr 2015 Generalvikar in Köln. Sein Nachfolger in Köln war Dominik Meiering. Am 14. März wurde Heße in Hamburg zum Erzbischof geweiht und in sein Amt eingeführt. Im selben Jahr wurde er zum Flüchtlingsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) gewählt. Sein Amt als Geistlicher Assistent des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK), das er seit 2016 ausübte, ließ er aufgrund von Medienveröffentlichungen zu seiner Rolle beim Umgang mit sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln ab November 2020 ruhen. Zugleich kündigte er an, die vatikanische Bischofskongregation um eine Prüfung der Vorwürfe zu bitten, da er nicht "Richter in eigener Sache" sein könne. (fxn)