Essener Oberhirte für mehr Wertschätzung von schwulen und lesbischen Paaren

Bischof Overbeck für kirchliche Neubewertung von Homosexualität

Veröffentlicht am 19.03.2021 um 14:52 Uhr – Lesedauer: 

Essen ‐ Anfang der Woche hatte das Verbot von Segnungen homosexueller Paare durch den Vatikan hohe Wellen geschlagen. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck widerspricht der Glaubenskongregation und fordert eine Weiterentwicklung der Kirchenlehre.

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Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck hat sich für eine kirchliche Neubewertung von Homosexualität ausgesprochen. Die Lehre der Kirche benötige "dringend eine erweiterte Sichtweise auf die menschliche Sexualität", schreibt Overbeck in einem Brief an die Pfarreien seines Bistums, der am Freitag veröffentlicht wurde. Der Bischof fordert darin eine "ernsthafte und zutiefst wertschätzende" Hinwendung der Kirche zu Schwulen und Lesben. Sie dürfe nicht "fundamentalistischen Versuchungen" erliegen, sondern müsse, "– bei aller Wertschätzung von Schriftzeugnis, Lehramt und Tradition – um die Übersetzung der Zeichen der Zeit" bemüht sein. Diese Aufgabe habe das Christentum seit seinen Anfängen.

In seinem Brief erwähnt Overbeck zahlreiche Rückmeldungen, die ihn nach dem am Montag bekannt gewordenen Verbot der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare durch die Glaubenskongregation erreicht hätten. Gerade in den Zuschriften vieler Seelsorger und engagierter Katholiken komme "eine offene Ablehnung der lehramtlichen Position zum Ausdruck, die nicht mehr ignoriert werden darf", so der Essener Bischof weiter. Er verweist angesichts der Äußerung aus dem Vatikan auf die von Papst Franziskus empfohlene "Kunst der Unterscheidung", die für sorgfältiges Abwägen, die Einnahme unterschiedlicher Perspektiven und den Verzicht auf vorschnelle Urteile und Bewertungen stehe.

Kirchliche Lehre werde nicht mehr verstanden und akzeptiert

Die allgemeine Empörung über die Entscheidung der Glaubenskongregation zeige, "dass die bloße Wiederholung der bisherigen lehramtlichen Wahrnehmung und Wertung von Homosexualität auf naturrechtlicher Basis" nicht mehr verstanden und akzeptiert werde. Zudem fühlten sich viele gläubige Homosexuelle sehr gekränkt. Deshalb müsse sich die Kirche vielmehr um angemessene Angebote in der Seelsorge bemühen, die dabei helfen würden, "dass homosexuelle Christen mit unserer Kirche in Verbindung bleiben, weil sie als Getaufte ein Teil von ihr sind". Die Segensfeiern für homosexuelle Paare seien daher besonders wichtig. Sie seien aus der seelsorglichen Begleitung von Schwulen und Lesben heraus entstanden und ermöglichten, "über das Gute ihres Lebens einen Segen zu sprechen, der nicht einer Trauung ähnelt, wohl aber Zeichen der Begleitung ist". Die Kirche könne so zusagen, dass "Gott in dieser Beziehung gegenwärtig" sei. Dieses "zarte Porzellan" bei glaubenden Menschen dürfe die Kirche nicht zerbrechen.

Die Glaubenskongregation hatte am Montag erklärt, dass die katholische Kirche keine Vollmacht habe, homosexuelle Partnerschaften zu segnen. Zwar sei bei solchen Initiativen "der aufrichtige Wille" zu erkennen, "homosexuelle Personen anzunehmen, sie zu begleiten und ihnen Wege des Glaubenswachstums anzubieten", heißt es in dem Papier. Da aber die Verbindungen von homosexuellen Paaren nicht dem göttlichen Willen entsprächen, könnten sie nicht gesegnet werden. Das sei auch die Position von Papst Franziskus. Mehrere deutsche Bischöfe, katholische Verbände und Theologen kritisierten die Entscheidung, andere begrüßten sie. An einer Unterschriftenaktion für die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften haben sich bereits mehr als 1.000 Menschen beteiligt, ein Großteil davon Priester und andere Seelsorger. (rom)