Noch viele Vorurteile

Veröffentlicht am 15.01.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Zuwanderung

Bonn ‐ In der Zuwanderungsdebatte sieht Jan Opiela, Leiter der katholischen Seelsorge für Roma und Sinti in Deutschland, auch die katholische Kirche gefragt. In einem Interview mit der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" (Donnerstag) schlägt er vor, Sinti und Roma in ungenutzte kirchliche Immobilien aufzunehmen: "Ich könnte mir vorstellen, dass ein Seelsorgebereich, der ein leeres Pfarrhaus zu vermieten hat, sagt: Das gestalten wir um, dort können zwei Romafamilien wohnen, die sich dem katholischen Glauben nahe fühlen. Sie werden sozial betreut. Wenn das mehrere christliche Kirchengemeinden machen würden, das wäre was".

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Allerdings ist die Personaldecke der Seelsorger für Roma und Sinti nach Opielas Ansicht zu dünn. "Die Kollegen, die diese Arbeit aufrechterhalten, gibt es bald nicht mehr", so Opiela: "Es werden keine Arbeitsstellen zur Verfügung gestellt". Bundesweit seien im aktiven kirchlichen Dienst noch fünf Mitarbeiter aktiv, einige davon in Teilzeit. Auch seine eigene Stelle ist aufgeteilt: Zu 60 Prozent arbeitet er nach eigenen Angaben im Auftrag der Bischofskonferenz als Leiter der Katholischen Seelsorge für Roma und Sinti, jeweils 20 Prozent entfallen auf Seelsorgearbeit mit Sinti und Roma in Köln und Trier.

Vor einem Wohnwagen steht ein Pfarrer, er singt mit einigen Kindern.
Bild: ©KNA

Pfarrer Jan Opiela, Leiter der katholischen Seelsorge für Roma, Sinti und verwandte Gruppen, studiert mit den Kindern ein Lied ein.

Zu wenig Personal

Daher sieht der Priester die Seelsorge für Roma und Sinti derzeit auch nicht in der Lage, angemessen zu reagieren, falls tatsächlich vermehrt Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien nach Deutschland kommen. Man sei aber in Verhandlungen mit den Bistümern: In der Vergangenheit sei bereits im Erzbistum München eine neue Vollzeitstelle geschaffen worden, im Erzbistum Berlin sei eine im Gespräch.

Auf den Rückhalt für seine Arbeit in der katholischen Kirche angesprochen, wählt Opiela ein drastisches Bild: "Wenn man als freilaufender Priester in eine Kirchengemeinde kommt, ist es, als würde man als freigelassener Löwe vor dem Löwenkäfig stehen. Die eingesperrten werden wild. Weil einer auftaucht, der nicht Teil des Systems ist". Derzeit sieht er in der Kirche noch zu viele Vorurteile gegenüber Sinti und Roma.

Wenig Einblicke in die Lebenswelt von Sinti und Roma

Doch auch ganz allgemein könnte das Zusammenleben mit Sinti und Roma in Deutschland nach Ansicht des Pfarrers noch besser laufen. "Die meisten Menschen kennen den Unterschied nicht zwischen Zigeuner, Sinti, Roma, schon gar nicht zwischen deutschen Sinti, deutschen Roma und denen, die jetzt aus Bulgarien und Rumänien kommen", sagt er. Anderseits gäben Roma und Sinti und ihre Interessenvertreter zu wenig Einblicke in ihre alltägliches Leben, so dass davon in der Gesellschaft nur eine nebulöse Vorstellung existiere: "Sie selbst geben über sich kaum Auskunft. Das ist ihr Verhängnis". Im Vergleich dazu werde die Verfolgung durch die Nationalsozialisten für den Seelsorger überbetont.

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Video: © Diözese Rottenburg-Stuttgart

Sinti aus Stuttgart erinnern sich

Von der Politik fordert Opiela, einen verbindlichen Sprachkurs in deutscher Sprache einzuführen. Auch die Schulpflicht müsse nachdrücklicher eingefordert werden: "Wenn die Sinti- und Roma-Kinder wochenlang nicht in die Schule kommen, sagt sich mancher Schulleiter: Bevor ich Ärger mit der Presse bekomme und man mir nachsagt, dass ich Zigeuner verfolge, bleibe ich lieber untätig", so beschreibt Opiela die Situation. Dass aufgrund der aktuellen Debatte nun von der Großen Koalition ein Arbeitskreis eingesetzt wurde, begrüßt der Priester: "Es wird Zeit, dass man mal prüft, wer hier was bezieht".

CSU löste Debatte um Armutszuwanderung aus

In Deutschland wird seit Wochen über eine vermeintliche Armutszuwanderung diskutiert . Ausgangspunkt war ein Positionspaper der CSU, das Zuwanderern den Zugang zum deutschen Sozialsystem erschweren soll. Hintergrund ist die Sorge um einen Missbrauch von Sozialleistungen etwa durch Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien. Seit dem 1. Januar gilt auch für Bürger dieser Länder die volle Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union. Das Papier hatte eine hitzige Debatte nach sich gezogen. Unter anderem hatte Caritas-Präsident Peter Neher kritisiert , er finde den im Zusammenhang mit dem Papier oft zitierten Satz "Wer betrügt, der fliegt" inakzeptabel. Eine solche Verkürzung sei "populistisch und birgt die Gefahr, Vorurteile zu verstärken".

Von Gabriele Höfling

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