"Spirituelle Gefahr" durch reduzierte Zahl an Feiern

Kardinal Sarah fordert Rücknahme von Privatmessen-Verbot im Petersdom

Veröffentlicht am 29.03.2021 um 13:25 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Die Diskussion um das Verbot von Einzelzelebrationen im Petersdom hält an. Nun hat sich auch Kardinal Sarah zu Wort gemeldet. Der ehemalige Präfekt der Liturgiekongregation sieht eine spirituelle Gefahr am Horizont.

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Kardinal Robert Sarah fordert von Papst Franziskus die Rücknahme des Verbots der Einzelzelebration im Petersdom. In einer am Montag durch den italienischen Journalisten Sando Magister veröffentlichten Stellungnahme stellt er in den vom vatikanischen Staatssekretariat erlassenen Anweisungen einen "Mangel an Gerechtigkeit und Liebe" fest. Sie entsprächen "weder der Wahrheit noch dem Recht" und trügen nicht zur "Würde der Feier, zur frommen Teilnahme an der Messe und zur Freiheit der Kinder Gottes" bei, sondern gefährdeten diese. Ausdrücklich schließt sich der ehemalige Präfekt der Liturgiekongregation den Kardinälen Raymond Leo Burke, Gerhard Ludwig Müller und Walter Brandmüller an, die die Entscheidung bereits zuvor aus verschiedenen Blickwinkeln kritisiert hatten.

Die Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils drücke zwar eine Präferenz für die gemeinsame Feier der Messe aus, betone aber auch ausdrücklich den Wert der Einzelzelebration. "Das Lehramt verbietet sie nicht nur nicht, sondern billigt sie und empfiehlt den Priestern, jeden Tag die heilige Messe zu feiern, denn aus jeder Messe fließt eine große Menge von Gnaden für die ganze Welt", so Sarah. Außerdem befürchtet er negative Auswirkungen durch die reduzierte Zahl an Messen: "Es ist zu bedenken, dass zumindest die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass durch den Zwang der Priester zur Konzelebration und die damit verbundene Verringerung der Zahl der gefeierten Messen die Gnadengabe an die Kirche und die Welt abnimmt", befürchtet der Kardinal.

Unter Pandemiebedingungen unverständlich

Die Feier von Einzelmessen an den Seitenaltären des Petersdoms ist seit vergangenem Montag nicht mehr gestattet. Das Verbot wurde über eine Anweisung aus dem eigentlich weder für die Liturgie noch für den Petersdom zuständigen Staatssekretariat ausgesprochen. Zuvor feierten täglich Dutzende von Priester, viele von ihnen Kurienmitarbeiter, dort Privatmessen. Zwischen 7 und 9 Uhr werden gemäß dem Schreiben vier Zeitfenster für Messen an eigens definierten Altären zur Verfügung gestellt, Pilgergruppen können in den Grotten von St. Peter unterhalb des Petersdoms Eucharistie feiern. Für die Feier der Messe in der außerordentlichen Form sind vier Zeiten zwischen 7 und 9 Uhr in der "Capella Clementina" reserviert. Ziel des Schreibens ist es,  Messfeiern mit mehreren Gläubigen zu fördern, auch durch den Einsatz von Kantoren und Lektoren.

Neben theologischen Gründen führt Sarah auch praktische Gründe an: So sei unter den bedingungen der Pandemie die Order zum Verzicht auf Einzelmessen zugunsten von Konzelebration problematisch, außerdem würden im Petersdom Messen auf italienisch gefeiert, was ausländische Priester, die der Sprache nicht mächtig sind, ausschließe. Mit der Anweisung können künftig auch Messen in der außerordentlichen Form des römischen Ritus nur noch in sehr begrenztem Umfang gefeiert werden können. Dadurch sieht Sarah die von Papst Benedikt XVI. in seinem Motu Proprio "Summorum Pontificum" gesetzten Normen zur Feier der Messe in der Form von 1962 als verletzt an. Die Erfordernis einer "Zulassung" von Priestern für die Feier des außerordentlichen Ritus werfe Fragen auf, wer und zu welchen Bedingungen diese Zulassung vornehme.

Kardinal Robert Sarah war von 2014 bis 2021 Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung. Seinen im Vorjahr bei Erreichen der Altersgrenze von 75 Jahren eingereichten Rücktritt nahm Papst Franziskus am 20. Februar diesen Jahres überraschend an. Sarah gilt als Vertreter des konservativen Flügels der Kirche, betont jedoch stets seine Nähe zu Papst Franziskus. Nach der Annahme des Rücktritts bezeichnete Sarah es als "Blödsinn", ihn einen Gegner des Papstes zu nennen. Während seiner Amtszeit gab es jedoch immer wieder Anzeichen von Meinungsverschiedenheiten zwischen Sarah und dem Papst; so äußerte sich der Präfekt etwa kritisch zur Entscheidung von Franziskus, Bischofskonferenzen mehr Freiraum bei der Übersetzung der Liturgie in die Landessprachen zu gewähren. 

Ein Nachfolger Sarahs als Präfekt der Liturgiekongregation ist noch nicht benannt. Stattdessen wurde bekannt, dass zur Findung eines Nachfolgers ein durch den Vorsitzenden der Liturgiekommission der italienischen Bischofskonferenz, Claudio Maniago, geleiteter Konsultationsprozess eingeleitet wurde. (fxn)