Keine Vollmacht? Die Kirche macht sich zur Zensorin Gottes
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Alle Macht in der Kirche ist Dienst. In dieser Woche wird dieses Wort der Mächtigen Bild: In der Gründonnerstagsmesse wäscht der Zelebrant zwölf Menschen vor aller Augen die Füße. Die Geste nimmt Bezug auf die im Johannes-Evangelium beschriebene Szene, in der Jesus vor dem letzten Abendmahl an den Aposteln den Reinigungsdienst vollzieht. Was haben die Nachfolger der Apostel, nunmehr in der Rolle Jesu, darüber nicht schon alles gepredigt? Über die Erniedrigung, die Entäußerung, das Herunterbeugen, das Sich-in-den-Dreck-begeben. Und vor allem eben: über das selbstlose Dienen.
Dabei können Predigt und Symbolhandlung den Sinn der Übung auch verstellen oder sogar ins Gegenteil verkehren. Dann nämlich, wenn die Demutsgeste zugleich die Grenzen des Machtverzichts definiert: "Bis hierher und nicht weiter! Zu noch mehr Dienst sind wir nicht ermächtigt." Oder wenn im Ritus ein Dienst zelebriert wird, an dem den Bedienten heutzutage womöglich gar nicht gelegen ist.
Dem "Sinn der Übung" kommt man auf die Spur, wenn man in der Bibel die Geschichte von der Heilung eines Blinden bei Jericho nachliest. Da fragt Jesus: "Was willst du, dass ich für dich tun soll?" (Mk 10,51 parr). Die wahre Macht des Dienstes liegt demnach bei den Bedienten: Sie entscheiden, was sie nötig haben. Sie bestimmen, was sie brauchen. Die Frage Jesu ist auch nicht mit irgendeiner Konditionierung verbunden: Was willst du, dass ich für dich tun soll – sofern ich deinen Wunsch denn für berechtigt, angemessen, verhältnismäßig halte und natürlich, sofern ich mich dazu ermächtigt sehe…
Das Segnungsverbot für homosexuelle Paare dreht die Logik des Dienens in die Logik der Macht um, die sich hier der theologischen Tarnkappe der "Vollmacht" bedient. "Gott segnet nicht die Sünde, und er kann sie nicht segnen“ – mit diesem zentralen Argument der Glaubenskongregation wird die (dienende) Kirche zur Zensorin und zur Bevollmächtigten, die sogar darüber verfügen zu können glaubt, wozu Gott selbst in der Lage ist und wozu eben nicht.
Damit wird im Grunde glatt unterlaufen, was die Glaubenskongregation im nächsten Argumentationsschritt behauptet: Die Kirche habe von Gott keine Vollmacht, dieses oder jenes zu tun beziehungsweise zu lassen. Immer dann, wenn das kirchliche Lehramt zu dieser Argumentationsfigur greift, heißt es aufpassen: Mit der Behauptung fehlender Ermächtigung setzt die Kirche ihre Macht in Kraft. Dabei läge es in der Logik der Machtumkehr, von Jesus ins Symbol der Fußwaschung gefasst, auch nicht mehr über die Reichweite der eigenen Macht und die Grenzen des Dienens verfügen zu können.
Stattdessen gerät die Pose kirchlicher Selbstentmächtigung faktisch zur Machtdemonstration par excellence: Wir müssen noch nicht einmal nicht wollen, wir brauchen nur nicht zu können. Das ist beim Thema Weiheamt genauso augenfällig wie jetzt beim Segnungsverbot. Vollmacht wird zur machtvollen Totalverweigerung: des Hörens, des Lernens und – vor allem – des Dienens.
Der Autor
Joachim Frank ist Chefkorrespondent des "Kölner Stadt-Anzeiger" und der "Mitteldeutschen Zeitung". Außerdem ist er Vorsitzender der Gesellschaft Katholischer Publizisten Deutschlands (GKP). Die GKP verleiht mit der Deutschen Bischofskonferenz und dem Katholischen Medienverband alljährlich den Katholischen Medienpreis.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung des Autors wider.