Schauspielerin Janina Hartwig: Die katholische Kirche muss sich öffnen
Die neuen 13 Folgen von "Um Himmels Willen" sind zugleich die letzten: Die ARD hat ein Ende der Serie angekündigt. Janina Hartwig (59), die 15 Jahre lang als patente Schwester Hanna vor der Kamera stand, muss Abschied von ihrer Paraderolle nehmen. Doch zuvor wird es nochmal "furios" – und auch aktuelle kirchliche Streitthemen kommen nicht zu kurz. Ein Interview.
Frage: Frau Hartwig, Jubiläum und Abschied fallen zusammen. Tut es noch weh, dass es keine Fortsetzungen mehr geben wird?
Hartwig: Abschied ist immer schmerzlich. Aber alles, wie wir wissen, hat irgendwann ein Ende. Ich denke, die Entscheidung der ARD ist mutig, weil natürlich viele Fans sehr, sehr traurig sind. Ich weiß das durch viele Reaktionen, die ich bekommen habe. Aber wo ein Ende ist, ist auch ein Anfang für neue Wege.
Frage: Rosel Zech, die erste Mutter Oberin, kommentierte einmal den Erfolg mit den Worten: "In einem Fernsehalltag mit Mord und Totschlag sind eben die Nonnen die Exoten." Worauf führen Sie die anhaltende Begeisterung der Zuschauer zurück?
Hartwig: Ich denke, das hängt damit zusammen, dass sich die Leute immer irgendwie in ihren Problemen wiedererkennen konnten. Sie sehen ihren Kommunalpolitiker, sie sehen Erlebnisse ihres Nachbarn oder eigene. Aber wir haben dem Zuschauer immer die Möglichkeit eines positiven Ausgangs gegeben, um ein wenig Hoffnung und Mut zu machen.
Frage: 15 Staffeln lang spielten Sie die patente Schwester Hanna, von der Drehbuchautor Jürgen Werner sagt, so eine hätte er gerne in der Nachbarschaft. Sie auch?
Hartwig: Es gibt so viele Menschen, die sich im Stillen in die Gesellschaft einbringen. Ich weiß das durch meine Arbeit für den Wünschewagen, eine Initiative des Arbeiter-Samariter-Bundes. Mit einem umgebauten Krankentransporter erfüllen wir mit Ehrenamtlichen letzte, oft langgehegte Wünschen von Sterbenskranken. Aber auch in meinem täglichen Umgang mit Menschen erlebe ich viele, die sich ehrenamtlich engagieren. Ohne sie würde unsere Gesellschaft in vielem gar nicht funktionieren.
Frage: Ihre Leidenschaft für das Tanzen, aber auch das Reisen wurden in der Serie aufgegriffen ...
Hartwig: ... und wir hatten ja auch tolle Dreharbeiten für unsere Weihnachtsfolgen von 90 Minuten. Da waren wir an wunderbaren Orten wie im portugiesischen Fatima, in Rom und in Namibia. Sogar auf einem Schiff durften wir das Mittelmeer rauf und runter fahren. Das habe ich alles sehr genossen.
Frage: Als gebürtiger Ostberlinerin dürfte Ihnen Glaube, Kirche und gar Klosterleben nicht sehr vertraut gewesen sein. Was haben Sie dazu gelernt?
Hartwig: Ich erlebte die ständigen Auseinandersetzungen mit dem Thema Kirche. In der kommenden Staffel geht es neben dem Zölibat vor allem um die Stellung der Frau in der katholischen Kirche. Zu zeigen, an welche Grenzen Schwester Hanna da kommt, um ihren Glauben nicht zu verraten, war für mich superspannend. Die Konflikte mit dem Weihbischof werden so hart, dass sie Entscheidungen treffen muss. Dies darzustellen, wie sie trotzdem bei sich und in ihrer eigenen Kraft bleibt, obwohl ihre Existenz wackelt, war toll zu erzählen.
Frage: Die Drehbücher von "Um Himmels Willen" waren immer nah an aktuellen Diskussionen in und um die Kirche. Wie sehen Sie das?
Hartwig: Die katholische Kirche muss sich öffnen. Ihr bleibt doch gar nichts anderes übrig, sonst verliert sie weiter Mitglieder. Grundsätzlich aber finde ich, müssen wir Frauen uns in der Gesellschaft viel mehr einbringen. Emanzipation heißt für mich nicht, dass wir Frauen so sind wie die Männer, sondern dass wir mit unserer empathischen, fraulichen Stärke immer mehr auch diese Gesellschaft formen und zu Veränderungen führen.
Frage: Trotz der Negativ-Schlagzeilen, die die Kirche liefert, haben Sie mit dieser Unterhaltungsserie eine positive Komponente durch diese Ordensfrau gezeigt. Bewusst?
Hartwig: Absolut. Mit unseren Geschichten sprechen wir nicht nur gläubige Menschen an. Die Zuschauer erkennen sich und ihre Umwelt wieder. Wir machen Hoffnung und bieten Lösungen an. Und das alles mit einem komödiantischen Lächeln. Das ist der Sinn dieser Serie.
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Kaltenthal ist reine Fiktion. Und doch wird es in der 19. Staffel um sehr reale Debatten in der katholischen Kirche gehen - denn auch vor einer Fernsehserie machen "existenzielle Auseinandersetzungen über das Verständnis von Kirche" nicht halt.
Frage: Ein "furioses Finale" ist angekündigt. Was steht an?
Hartwig: Die bewährte Konstellation bleibt erhalten. Bürgermeister Wolfgang Wöller will wieder das Kloster haben, und Schwester Hanna wird es verhindern. Die beiden streiten sich, aber eigentlich mögen sie sich. Diesen permanenten Antagonismus mit Fritz Wepper zu spielen, dass da immer im Augenwinkel dieser kleine Funke war und es um den Menschen geht, hat viel Spaß gemacht. Dieses Mal wird sich Hanna sogar für Wöller einsetzen, weil der plötzlich nicht mehr als Bürgermeisterkandidat aufgestellt wird. In jeder Folge gibt es zudem einen sogenannten Sozialfall. Am Schluss steht die Benefiz-Gala an, wo Wöller und Hanna auftreten.
Frage: Wenn Sie den Habit endgültig ablegen, was wird Ihnen abgehen?
Hartwig: Die Arbeit an dieser wunderbaren Rolle werde ich am meisten vermissen, genauso wie das Team und die Kollegen. Aber so ist es eben beim Film. Da gibt es bei jeder Produktion immer einen letzten Drehtag. Aber die 15 Jahre haben uns bei "Um Himmels Willen" natürlich zusammengeschweißt. Es ist unfassbar viel passiert. Kinder wurden geboren, Menschen sind gestorben, es wurde sich verheiratet, sich geschieden - so viel Schicksal, im Positiven wie im Negativen.
Frage: Was nehmen Sie mit?
Hartwig: Dankbarkeit. Das hat mein Leben bestimmt in den vergangenen 15 Jahren. Ich habe hineingegeben, was ich geben konnte. Und ich nehme mit einen großen Erfahrungsschatz, den ich hoffentlich auch in meinen nächsten Rollen einbringen kann. Und wenn die Grenzen nach der Pandemie-Zeit wieder aufmachen, werde ich wohl im Nullkommanix in Italien sein. Einer meiner Gänge wird mit Sicherheit in eine dieser wunderbaren Kirchen dort sein. Ich liebe es, in Kirchen zu gehen.