Pastoraltheologe Garhammer fordert offene Debattenkultur in der Kirche
Der Pastoraltheologe Erich Garhammer fordert eine offene Debattenkultur in der Kirche. In einem Beitrag für das Münsteraner Forum für Theologie und Kirche (Mittwoch) wendet sich der Theologe gegen eine zu stark rechtliche Argumentation des Lehramts. Garhammer betonte, dass es bei lehramtlichen Akten "letztlich um die Heilsperspektive" gehe: "Nur das kann Dogma sein, was auch in die Gestalt des Gebetes übersetzbar ist", so der Pastoraltheologe. Nur positive Heilsaussagen könnten den Anspruch auf Unfehlbarkeit erheben: "Wer in Rom lehramtliche Gutachten oder Responsen bestellt, um die eigene Position mit Unfehlbarkeitsanspruch aufzuladen, demontiert auf die Dauer nicht nur Rom, er zerstört die Heilswirklichkeit des Glaubens".
Die von Immanuel Kant geprägte Definition der Aufklärung als "Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit" müsse heute kirchlich selbstkritisch weitergeschrieben werden: "Aufklärung ist Ausgang aus der kirchlich verschuldeten Unmündigkeit", betont der Pastoraltheologe. Wenn ein Lehramt sich die Erkenntnisse der Theologie nicht zunutze mache, bleibe es "selbstverschuldet uninformiert". Dagegen sei Protest angesagt wie in der Kölner Erklärung von 1989, die sich gegen den als autoritär empfundenen Stil Papst Johannes Paul II. wandte, oder jüngst die Stellungnahme mehrerer Hundert Theologieprofessoren gegen das Nein der Glaubenskongregation zum Segen für homosexuelle Partnerschaften, die auch von Garhammer unterzeichnet wurde.
Kirche müsse in Optionsgesellschaft argumentieren lernen
Für die meisten Menschen zähle "nicht mehr wie früher das Argument der Macht, sondern die Macht der Argumente". In einer "Optionsgesellschaft" müsse die Kirche so zu argumentieren lernen, "dass sie sich wählbar macht". Für die Kirche heiße das, dass sie mit vernünftig nachvollziehbaren Argumenten für ihre Position werben müsse. Das werde einer Wissensgesellschaft eher gerecht. "Die Kirche hat im 19. Jahrhundert – durch die Definierung der Unfehlbarkeitslehre des Papstes – auf Gehorsam gesetzt", so Garhammer. Dadurch habe sie aber die Metaphorik ihrer eigenen Glaubenssprache zerstört. Dagegen stellte er das Beispiel von Debatten in der frühen Kirche wie beim Konzil von Nizäa, wo freimütig, "existentiell beteiligt und intellektuell informiert" gestritten worden sei.
Erich Garhammer war von 2000 bis zu seiner Emeritierung 2017 Inhaber des Lehrstuhls für Pastoraltheologie und Homiletik an der Universität Würzburg. 2011 gehörte er zu den Unterzeichnern des "Memorandum Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch", in dem mehr als 300 Theologinnen und Theologen nach dem Bekanntwerden von Missbrauchsfällen im Jahr zuvor Reformen von der Kirche wie eine stärkere Beteiligung von Laien auf allen Ebenen der Kirche forderten. (fxn)