Warum die Universität Würzburg Theologie für "Grünschnäbel" anbietet
Die Zahl der Theologie-Studenten sinkt. Doch das Interesse an theologischen Themen ist weiter ungebrochen. Dieses Phänomen macht sich die Universität Würzburg in einer neuen Seminarreihe zu Nutzen: Theologie für Grünschnäbel. Initiatorin Katharina Leniger verrät im Interview, dass Kirchenthemen unter den Studenten heiß diskutiert werden und dass auch die Dozenten von dem Format profitieren.
Frage: Frau Leniger, warum bieten Sie das Seminar "Theologie für Greenhorns" an?
Leniger: Wir bemerken in unseren Kursen immer wieder großes Interesse an theologischen Fragestellungen von komplett fachfremden Studierenden. Denen wollten wir ein Format bieten, in dem sie offene Fragen stellen können und wir ihnen für sie zugeschnittene Antworten geben können: "Theologie für Greenhorns" war geboren. Wir können durch dieses Angebot außerdem rausgehen und dem Vorwurf, Theologie sitze in einem Elfenbeinturm, etwas entgegenhalten.
Frage: Die Zahl der Theologie-Studierenden sinkt auch an der Uni Würzburg. Versuchen Sie mit dem Kurs, bei Studierenden anderer Fachrichtungen zu „missionieren“?
Leniger: Missionierung ist ein schwieriger und belasteter Begriff, der absolut nicht dem entspricht, wie ich gerne Theologie betreiben möchte. Uns geht es bei Theologie für Greenhorns darum, den Studierenden den Raum zu geben, erst einmal so zu sein, wie sie sind. Sie haben Interesse an theologischen Fragestellungen und diese versuchen wir zu bearbeiten und eine Diskussionsgrundlage anzubieten. Dass wir immer weniger Theologie-Studierende haben, ist ein altbekanntes Phänomen, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es immerhin ein großes Interesse an theologischen Fragen gibt.
Frage: Im vergangenen Semester hat der erste Kurs zum Thema „Kirche und Nationalsozialismus“ stattgefunden. Wie ist ihr Eindruck?
Leniger: Insgesamt erhalten wir sehr gute Resonanz. Die Studierenden haben uns zurückgemeldet, dass sie sprachfähiger geworden sind und viele kirchliche und theologische Themen differenzierter sehen. In besagtem Seminar wurde beispielsweise auch über den Sophie-Scholl-Vergleich der Querdenker-Demonstrantin Jana aus Kassel diskutiert. Dabei sind ja unterschiedliche Fragen denkbar, wie "Ist dieser Vergleich angebracht?" oder "Was passiert jetzt mit Jana in den sozialen Medien?". Meiner Meinung nach macht das auch eine zeitgemäße Theologie aus: Dass man sich zu relevanten Fragestellungen kritisch Gedanken macht und allzu voreiligen Schlüssen zunächst einmal Einhalt gebietet. Diese Greenhorn-Seminare sind so ausgerichtet, dass viele interdisziplinäre Anschlussmöglichkeiten gegeben sind.
Frage: Muss die Theologie, um relevant zu bleiben, auch Fachfremde mitnehmen?
Leniger: Unbedingt! In der Theologie haben wir den Auftrag hinauszugehen, sonst versumpfen wir in unserer eigenen Fachlichkeit. Wenn wir mit Theologie anschlussfähig bleiben wollen, müssen wir auf aktuelle Themen im Alltag eingehen. Ein Austausch ist dabei bereichernd für beide Seiten. Für die Studierenden, die sich selbst hinterfragen müssen, aber auch für die Dozierenden, die unheimlich gefordert werden und dazu angeregt werden, ihre eigene Forschung und Haltung zu überdenken.
Frage: Die Kirche ist gerade stark in Skandale verwickelt. Kommen dazu viele kritische Nachfragen von den Studierenden?
Leniger: Ja, diese Themen sind unheimlich präsent. Ich empfinde akademische Debatten mit den Studierenden als kritisch, dabei aber fair und wertschätzend. Die Studierenden haben ein ehrliches Interesse, diese Themen zu verstehen, und geben der Kirche und der Theologie eine Chance, Dinge zu erklären oder auch selbst kritisch zu hinterfragen. Das ist eine schöne Erfahrung, besonders weil es gesellschaftlich so einen starken Gegenwind gibt. Wir stehen als wissenschaftliche Theologie natürlich immer vor der Frage, in welchem Verhältnis wir zur Kirche stehen und müssen uns auch persönlich anfragen lassen.
Frage: Bleibt Ihr Seminar damit nicht unter dem Niveau der Theologie?
Leniger: Überhaupt nicht. Wir behandeln in jedem Seminar bestimmte und sehr spezifische Themen, in die man sich jedes Mal neu einfuchsen muss. Dadurch, dass es immer eine Zusammenarbeit von zwei verschiedenen Fachbereichen ist, hat man besondere Möglichkeiten des Austauschs mit den anderen Dozierenden und erhält dadurch ganz andere und weiterbringende Erkenntnisse.
Frage: Wie viele Studierende haben teilgenommen?
Leniger: In diesem Semester waren es neun Personen, allerdings haben wir auch eine begrenzte Zahl an Teilnehmenden, weil die Umstellung erst auf die Hybrid- und dann auf die Online-Lehre dies nötig macht. Für den Sommer ist der Kurs ausgebucht. Die Teilnehmenden kamen aus ganz unterschiedlichen fachlichen Richtungen wie den Politik- und Sozialwissenschaften oder unterschiedlichen Lehramtsstudiengängen. Das macht die Seminare besonders bereichernd.
Frage: Sollte es solche Angebote öfter geben, auch an anderen Fakultäten?
Leniger: Wenn man die Chance an der Fakultät hat, kann ich das aus persönlicher Erfahrung nur empfehlen. Aber es ist natürlich auch Aufwand, das ins Rollen zu bringen. Es gibt sicher andere Fakultäten, an denen es viel schwieriger ist, so etwas umzusetzen. Aber wir haben die Möglichkeit, dann sollten wir es auch tun
Frage: Um was wird es im nächsten Kurs gehen?
Leniger: Das Thema ist "Apokalypse". Wir werden Vorstellungen von Weltuntergängen in der Bibel und heute beleuchten. Hier hat sich ein Team zusammengefunden von Dozierenden der biblischen Theologie und aus der Fundamentaltheologie und Theologischen Ethik. Wir wollen auch aktuelle Fragen zu diesem Thema beantworten, z.B. Wie stellt man sich heute einen Weltuntergang vor, wie sind künstliche Intelligenz oder Digitalität zu bewerten? Unsere Vorfreude ist schon sehr groß, ins Gespräch zu kommen und Gesprächsräume zu schaffen.
Zur Person
Katharina Leniger ist Theologin (M.A.) an der katholisch-theologischen Fakultät der Justus-Maximilian-Universität Würzburg. Seit 2018 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Christliche Sozialethik und arbeitet an einem Promotionsprojekt zur Rolle der Versöhnung für die Resozialisierung im Strafvollzug. Gemeinsam mit anderen Dozierenden der Theologie initiierte sie das Projekt "Theologie für Greenhorns", bei dem fachfremde Studierende niedrigschwellige, theologische Seminare besuchen können.