Wie die Gemeinschaft von Taizé durch die Corona-Krise kommt
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Frère Timothée von der Gemeinschaft von Taizé zieht eine erstaunlich positive Bilanz aus der Corona-Pandemie, wenn ihm gleichzeitig auch die vielen Tausend Jugendlichen fehlen, die sonst – gerade zu Ostern – zu Besuch kommen, um ihren Glauben zu leben. Die Brüder von Taizé mussten in dieser Zeit kreativ werden und verkauften Töpfereiprodukte, selbstgebackene Kekse und aus blauen Taizé-Zelten genähte Taschen auf den umliegenden Wochenmärkten oder engagierten sich in nahegelegenen Weinbergen. Ein Interview.
Frage: Die letzten beiden Folgen unseres "Himmelklar"-Podcasts haben sich mit der sexualisierten Gewalt in der katholischen Kirche beschäftigt. Wir haben darüber gesprochen mit dem Chef-Kinderschützer im Vatikan, Pater Hans Zollner, und einer Betroffenen, Johanna Beck. Auch die Gemeinschaft von Taizé hat Fälle von Missbrauch aufzuarbeiten. Wie gehen Sie damit um?
Frère Timothée (Bruder in der Communauté von Taizé): Das ist ein Thema, das uns weiter beschäftigt. Wer davon nichts weiß oder mehr darüber wissen möchte, kann das gerne auch auf unserer Internetseite nachlesen. Uns war es wichtig, damit – zwei Jahre ist es jetzt bald schon her – an die Öffentlichkeit zu gehen, um den Betroffenen gerecht zu werden und sie zu ermutigen, sollte es weitere Fälle geben, da auf uns zuzukommen. Wir haben auch die Zeit jetzt, wo weniger Gäste da waren, genutzt, um weiter vorwärts zu schauen, wie man da in Sachen Präventionsarbeit noch aktiver werden kann: Was können wir neu anschauen im Rahmen der Gestaltung von den Jugendtreffen, sodass alle das Thema auf dem Schirm haben und dass das erwähnt wird bei der Ankunft. Auch ist wichtig, dass die Gruppenbegleiter dementsprechend gebrieft sind und nicht ankommen und denken: In Taizé, das ist ein so schöner Ort und alle vertrauen einander und es ist irgendwie eine heile Welt und alles, was uns anderswo beschäftigt, kommt da nicht vor. Das Thema wollen wir offensiv platzieren und auch Aushänge machen in den Schlafräumen, wohin man sich wenden kann, sollte ein Problem auftauchen. Da haben wir die Zeit jetzt genutzt, wo weniger los war, um uns da noch besser aufzustellen.
Frage: Ein schöner Ort, haben Sie gesagt, der ja auch Schutz oder Glaube und Gemeinschaft für Jugendliche und junge Erwachsene bedeutet – schon seit 1942, als Frère Roger die Gemeinschaft der Brüder gegründet hat. Jetzt ist es natürlich durch die Pandemie ruhiger bei Ihnen. Vieles wird im Sinne von ihrem Gründer Frère Roger weitergeführt und in seinem Gedenken gemacht. Was meinen Sie, Frère Timothée, was wäre seine Strategie gewesen, die Pandemie und diese Zeit jetzt gerade in Taizé zu meistern?
Frère Timothée: Oh, diese Zeit, wo gerade im ersten Lockdown in Frankreich wirklich gar nichts mehr ging und jeder nur einen Kilometer wegkonnte von seinem Wohnsitz, wäre für ihn, glaube ich, schwierig gewesen. Als das mal angefangen hatte mit den Treffen, war er immer auch traurig in den Zeiten, zu denen niemand da war. Dann gab es die Jahre, als er noch nicht so alt war, wo er dann im Winter auch viel gereist ist, wenn hier wenig los war. Und als er dann im Alter weniger reisen konnte, war das im Winter immer so eine Zeit, in der er gesagt hat: Wo sind die ganzen Leute? Warum kommt keiner? Insofern wäre wahrscheinlich diese Zeit, zu der wirklich gar nichts mehr los war, für ihn auch sehr überraschend gewesen, wie es für uns alle überraschend war. Ich weiß nicht, da kann man schwer spekulieren, wie er damit umgegangen wäre.
Was wir erlebt haben in dieser ganzen Zeit, war, dass es auch irgendwie einen Freiraum geschaffen hat, andere Erfahrungen zu machen. Einerseits Dinge, die mit den Treffen zu tun haben. Ein Beispiel hatte ich angesprochen. Andere Dinge auch, wo man durch den Freiraum überlegen konnte, was man auch anpassen kann oder was man neu gestalten kann. Aber man konnte auch unabhängig von den Treffen neue Erfahrungen machen hier in der Umgebung. Wir Brüder sind sehr kreativ geworden. Wir mussten uns ja auch überlegen: Wenn weniger Gäste hier sind, sind auch weniger Leute im Laden, wo wir die Töpfereiprodukte verkaufen. Da mussten wir uns auch überlegen: Was können wir in der Hinsicht machen?
Da haben Brüder ganz unterschiedliche Ideen gehabt. Die Brüder haben Rezepte ausprobiert und wir haben Kekse gebacken und verkauft. Ein Bruder hat herumexperimentiert und dann ist es gelungen, aus alten Zeltplanen von den blauen Großzelten, die wir für die Unterkünfte verwenden, solche Tragetaschen oder Rucksäcke zu machen. Andere haben hier in die Umgebung im Weinberg mitgeholfen in verschiedenen Jahreszeiten. Es war auch eine Zeit, wo viele neue Erfahrungen gemacht werden konnten.
Frage: So meistern Sie also jetzt die Zeit in Taizé. Frankreich ist inzwischen aktuell als Hochrisikogebiet eingestuft worden von Deutschland – mit einer Inzidenz von über 300. Wie macht sich das bemerkbar oder wie wirkt sich das aus? Wie gehen Sie damit um, können überhaupt Menschen kommen?
Frère Timothée: Ja, es können im Moment schon Menschen kommen. Aus Deutschland ist das jetzt hochgestuft worden auf das gesamte französische Gebiet. Da stellen sich dann die Deutschen natürlich dreimal die Frage: Ist das jetzt wirklich der richtige Zeitpunkt, um nach Taizé zu fahren? Aber die französischen Maßnahmen sind im Moment (zum Zeitpunkt des Interviews, Anm. d. Red.) noch differenziert nach Département. Ich habe jetzt die genauen Zahlen nicht im Kopf, aber wir sind auf jeden Fall unter 200 – und sind nicht auf der Liste von den Départements, wo nun innerhalb Frankreichs die Maßnahmen verschärft worden sind. Insofern ist das im Moment noch möglich, Leute auch hier zu haben mit den Abstands- und Hygieneregeln, die wir das ganze Jahr über hatten und die im Prinzip, wenn keine nationalen Lockdown-Maßnahmen waren, auch zu unterschiedlichen Punkten 2020 und jetzt auch 2021 Treffen möglich gemacht haben. Es gibt in der Kirche markierte Plätze. Unsere Kirche ist so groß, dass wenn 30 bis 40 Gäste da sind, man gut mit Abstand da sitzen kann. Jetzt in 2021 ist es auch so, dass die einzeln Reisenden, die dann ankommen, feste Tische zugewiesen bekommen. Also wenn mehr als sechs Leute da wären, sollen immer die gleichen sechs Leute gemeinsam essen und gemeinsame Gesprächsgruppen im Austausch von den Bibeleinführungen haben, sodass da möglichst wenig Durchmischung stattfindet.
Mit all diesen Maßnahmen ist es eigentlich gelungen, auch zu den Zeitpunkten, zu denen mehr Leute da waren, hier kein wirkliches Infektionsgeschehen zu haben. Als die französischen Herbstferien waren, da mussten einzelne mal abreisen, wenn sie Kontakt-Fall von der Familie daheim waren. Oder von einem wissen wir, aber das war der Freund und die Freundin, dass die sich hier das Virus weitergegeben haben. Aber sonst hat es eigentlich sehr gut funktioniert. Natürlich muss man sich an das ganze Masken-Tragen gewöhnen. Insofern haben sich natürlich auch hier Dinge verändert durch die Hygiene- und Abstandsmaßnahmen, aber man gewöhnt sich auch daran. Dadurch ergibt sich schon eine Form von, ich weiß nicht, ob man es Normalität nennen kann, aber auf jeden Fall finden Treffen statt und Begegnung wird möglich.
Und wir spüren, wie wichtig das ist für alle die, die dann auch herkommen. Im Herbst hatten wir dann schon gezögert, weil absehbar war, dass nach den französischen Herbstferien auch hier in Frankreich wieder ein Lockdown kommen würde. Da haben wir gezögert und uns gefragt: Macht es jetzt vom Gesamtgeschehen Sinn? Da waren 400 Leute da, glaube ich. Aber die Gruppenleiter aus Paris und anderen Gegenden haben so sehr gesagt, wie wichtig das in dem Moment für ihre Jugendlichen ist. Dann haben wir gesagt: Nein, dann machen wir das – und dann waren wir natürlich froh, dass dann alles gut funktioniert hat.
Frage: Gehen wir einen kleinen Schritt zurück für alle, die noch nicht bei Ihnen zu Gast waren. Es sind Jugendliche, junge Erwachsene, die in der Regel für eine Woche zu Ihnen kommen. Können denn auch Jugendliche als Freiwillige, sogenannte Volunteers, für einen längeren Zeitraum zu Ihnen im Moment nach Frankreich kommen?
Frère Timothée: Ja, wir haben weiterhin eine Gruppe Freiwilliger hier vor Ort und es können auch neue dazukommen. Da wären wir, glaube ich, auch ganz froh, wenn perspektivisch Richtung Sommer hoffentlich auch noch mehr wieder möglich wird. Dann sind wir auch immer froh um Unterstützung. Die Treffen finden im Wochenrhythmus statt. Wer hier herkommt, kommt im Allgemeinen von Sonntag bis Sonntag, um an den drei täglichen Gebetszeiten teilzunehmen, die Bibeleinführungen beziehungsweise biblischen Impulse zu haben und Gesprächsgruppen und Austausch danach. Gleichzeitig gestalten wir Brüder die Treffen nicht alleine, sondern gemeinsam mit einer Schwesterngemeinschaft, die im Nachbarort lebt und mit jungen Erwachsenen, die mehrere Wochen, mehrere Monate, manche auch ein Jahr hier mitleben, als Gruppe auch eine Form von Gemeinschaftsleben auf Zeit haben, an den drei Gebeten täglich teilnehmen und dann mit uns den Empfang tragen und gestalten.
Frage: Sie haben gesagt, es hat sich jetzt einiges geändert beziehungsweise es ist eine neue Normalität da. Wie wird es in Zukunft? Was glauben Sie, kann es so weitergehen?
Frère Timothée: Im Moment ist es natürlich immer schwierig, weitgehende Zukunftsprognosen zu machen. Ich denke, solange die Einschränkungen nötig sind, kann man natürlich immer auf dem Level, das dann möglich ist, weitermachen. Wie gesagt, es ist nicht auszuschließen, dass auch in Frankreich noch oder auch in unserer Region in den nächsten Wochen vielleicht auch noch mal stärkere Regeln greifen. (Der vierwöchige Lockdown in Frankreich ist seit dieser Woche inkraft, Anm. d. Red.)
Letzten Sommer – das war vor den Mutationen, daher wird man sehen, wie das diesen Sommer ist – aber letzten Sommer ist es gelungen, mehrere Wochen lang ein paar Hundert Leute da zu haben. Von allem, was man schätzen kann, könnte ich mir vorstellen, dass das vielleicht diesen Sommer auch wieder so wird. Ich denke eher nicht, dass diesen Sommer schon wieder Verhältnisse wie von 2019 oder vorher da sind, wo mehrere Tausend Leute dann hier wären während einer Woche. Ganz so schnell wird es mit den Impfungen dann doch nicht vorwärtsgehen.
Dann muss man sehen, was diese anderthalb Jahre oder zwei Jahre oder je nachdem, wie lange das alles dauert, dann für Spuren hinterlassen. Im Moment habe ich den Eindruck von den einzelnen, die hier herkommen, dass eher auch ein großer Wunsch und eine große Sehnsucht da sind, sich wieder wirklich begegnen zu können. Klar kann man über das Internet Formate aufgreifen. Sie haben den "Himmelklar"-Podcast gemacht, wir haben auch von hier aus Treffen über das Internet angeboten. Gleichzeitig sagen auch viele, gerade diejenigen, die vielleicht auch online studieren: Irgendwann hat man dann auch genug von den Bildschirmen und reale Begegnung ist wichtig.
Wir singen hier auch mit großem Abstand und mit Masken in der Kirche. Jemand, der gestern angekommen ist, hat mir das wieder ins Bewusstsein gerufen, dass es ja auch Orte gibt, das ist, glaube ich, auch in Deutschland regional unterschiedlich oder von den Kirchen unterschiedlich gehandhabt, aber wo man teilweise ein Jahr nicht gesungen hat. Es scheint mir schon auch ein großer Durst und eine Sehnsucht da zu sein, diese Dinge wiederzufinden. Gleichzeitig muss sich noch herausstellen, welche Angewohnheiten sich auch durch die Erfahrungen der Pandemie verändern.
Frage: Der Glaube lebt ja von diesem Zusammensein. Singen gehört sicherlich auch dazu. Zusammenleben, Gemeinschaft erleben, das alles macht man ja in Taizé sonst. Was gibt es für Alternativen, die auch funktionieren und nachhaltig sind? Welche digitalen Angebote sind das zum Beispiel?
Frère Timothée: Wir haben uns da im Laufe des Jahres unterschiedlich entwickelt. Während des ersten Lockdowns haben wir sehr viel und auch jeden Abend Gebete per Video gestreamt. Das haben wir dann im Laufe des Jahres sich unterschiedlich entwickeln lassen: Wir sind auf Audio gegangen oder in unterschiedliche Rhythmen und hatten dann an Wochenenden oder auch anstelle des europäischen Treffens zum Jahreswechsel mehr inhaltliche Treffen, gestreamt über Zoom mit Workshops und Bibeleinführungen. Zu den zwei Punkten haben wir auch Austauschgruppen über Zoom angeboten, in 10er-Gruppen, das heißt nicht nur über YouTube einen biblischen Impuls, sondern wo auch noch mal Austausch möglich war.
Das war sehr spannend in dem Sinn, dass das einen Austausch über Kontinente hinweg möglich gemacht hat, den man sonst zwar vielleicht im August hier ein bisschen hat, wenn wir in normalen Sommern vor 2019 Jugendliche aus anderen Kontinenten für zwei, drei Monate hier hatten. Aber über diese Internet-Austauschgruppen konnte man da interkontinental einen Austausch möglich machen, der so in der Breite ja sonst auch nicht möglich ist, weil man dann einzelne Vertreter und Vertreterinnen ihrer Länder hier hat, aber nicht irgendwie 200 Leute. Aus dem Tschad war eine Gruppe angemeldet, aus Lateinamerika waren mehrere Länder auch zahlenmäßig stark vertreten. Aus den Philippinen und aus Indonesien merken wir, gibt es Leute, die auf die Internet-Angebote sehr reagieren. Da greift also etwas ineinander, wo man schauen kann, ob das auch, selbst wenn europäische Treffen präsenzmäßig wieder mehr möglich sind, ob man da noch etwas ausweiten kann über so Einzelpersonen hinaus, die sonst von anderen Kontinenten aus teilgenommen haben.
„Das Echo derer, die dann da sind, die Freude, sich präsent begegnen zu können, miteinander singen zu können, bringt dann auch die Osterfreude noch einmal klarer und konkreter zum Vorschein und zum Ausdruck, als wenn wir Brüder hier so alleine vor uns hin beten.“
Frage: Genau, diese Europäischen Jugendtreffen am Jahresende, die irgendwo in der Welt stattfinden – das hat natürlich letztes Jahr in Corona-Zeiten auch nicht geklappt und ist ausgefallen. Gibt es schon eine Idee für nächstes Mal?
Frère Timothée: Wir hatten natürlich für den letzten Jahreswechsel eigentlich vorgesehen, das Treffen in Turin in Italien zu haben. Das machte dann wenig Sinn, bei so wenig Planbarkeit irgendwie da herunter zu fahren, um zu versuchen, von dort was zu machen. Dann haben wir rein von hier aus digital etwas angeboten. Ich denke, der Wunsch sowohl von uns als auch von den Kirchen in Turin wäre, Ende dieses Jahres zum Jahreswechsel etwas zu machen. Im Zweifelsfall zumindest von dort aus was digital zu machen, um es nicht wieder von hier aus digital zu machen. Oder dann irgendwie hybrid, dass man zwar von dort aus digital was macht, aber in kleinem Rahmen dort auch präsenzmäßig etwas möglich macht. Oder wer weiß, wenn die Impfungen sehr schnell gehen – aber das weiß ja keiner … wenn die Impfungen durch sind, inwieweit die Abstandsregeln weiter greifen oder notwendig sind oder nicht. Insofern bleibt da weiterhin eine geringe Planbarkeit. Da muss man, denke ich, in der zweiten Jahreshälfte sehen: Was ist realistisch? Was macht Sinn? Was wünschen sich die Kirchen vor Ort? Was kann man sich vorstellen, das auch für die Teilnehmenden aus unterschiedlichen Ländern interessant ist? Da haben wir noch keine sehr klare Idee heute.
Frage: Aber zum Glück dürfen ja zumindest ein paar Leute nach Taizé kommen. Gerade in der Karwoche und rund ums Osterfest sind eigentlich immer besonders viele bei Ihnen. Wie haben Sie Ostern gefeiert in diesem Jahr, dem zweiten Jahr Ostern im Lockdown und der Pandemie-Situation?
Frère Timothée: Wir sind froh, dass wir nicht wieder ganz alleine waren, wie im vorigen Jahr. Natürlich ist es nicht, wie es vor der Pandemie war, dass jetzt irgendwie mehrere Tausend Leute da waren. Aber auch mit 100 Leuten am Wochenende war es auf jeden Fall schon was ganz anderes. 2020 konnten wir nur ganz unter uns feiern, es waren immer noch die Maßnahmen in Frankreich, wo niemand raus konnte. Das Echo derer, die dann da sind, die Freude, sich präsent begegnen zu können, miteinander singen zu können, gerade in so einem sonnigen Frühling, wie wir ihn dieses Jahr haben, und jetzt sich selbst in geringer Zahl treffen zu können, bringt dann auch die Osterfreude noch einmal klarer und konkreter zum Vorschein und zum Ausdruck, als wenn wir Brüder hier so alleine vor uns hin beten.
Frage: Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Was gibt Ihnen Hoffnung in dieser Zeit?
Frère Timothée: Einerseits ist es natürlich die ganz konkrete Hoffnung, dass durch die Fortschritte im Testen und im Impfen auch wieder mehr möglich wird und man auch für Leute, die sich wünschen, herzukommen, wieder mehr möglich machen kann. Aber unabhängig von den ganz konkreten Gestaltungsfragen der Pandemie und den Einschränkungen oder Öffnungen schaue ich schon auf diese ganze Zeit mit einer Form von ... Staunen. Es ist immer schwer, jetzt zu positive Sachen wie "Dankbarkeit" oder "Freude" zu sagen, weil man sich natürlich bewusst macht, wie viele Menschen auch ganz konkret an unterschiedlichen Orten da sehr von betroffen sind und sehr leiden. Aber wir haben die Erfahrung – natürlich auch ein bisschen abseits der großen Städte – gemacht, wir sind ja auf dem Land. Es ist manchmal komisch, weil man sich bewusst machen muss, wie konkret das anderswo ist und wie gravierend und wie schlimm. Gestern habe ich jemand getroffen, der nicht nur vom fehlenden Singen erzählt hat, sondern auch im Krankenhaus arbeitet und ganz hautnah miterlebt hat, wie viele Leute da auch auf Intensivstationen waren und gestorben sind.
Gleichzeitig war es hier auch eine Zeit, in der sich viel aufgetan hat oder sich verändert hat und andere Erfahrungen möglich waren. Die Kreativität in den Werkstätten, der Kontakt mit den Menschen aus der Umgebung, der sich intensiviert hat, dadurch, dass wir auf die Wochenmärkte gegangen sind, um da zu verkaufen oder auch in der Landwirtschaft hier mitgeholfen haben, sind ganz andere Kontakte möglich geworden, die sonst in normalen Jahren neben den Jugendtreffen in großer Anzahl vielleicht auch nicht immer so möglich waren. Insofern war es für uns nicht nur eine Zeit der Einschränkungen, sondern auch eine Zeit, in der etwas entstanden ist. Darum schauen wir nicht nur negativ darauf, sondern sind auch dankbar für manches, was passiert ist. So sehr wir uns natürlich freuen, wenn uns auch wieder viele Leute besuchen kommen können.