Ex-Erzbischof kann zivilrechtlich nicht mehr haftbar gemacht werden

Vertuschungsvorwurf: Gericht weist Berufung gegen Kardinal Barbarin ab

Veröffentlicht am 14.04.2021 um 16:54 Uhr – Lesedauer: 

Lyon ‐ Kardinal Philippe Barbarin war Anfang 2020 in einem Strafverfahren wegen Missbrauchsvertuschung freigesprochen worden. Betroffene legten daraufhin Berufung ein. Die wurde nun abgewiesen. Begründung: Barbarin sei zur Anzeige der Übergriffe nicht mehr verpflichtet gewesen.

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Die gegen den französischen Kardinal Philippe Barbarin wegen Missbrauchsvertuschung eingelegte Berufung ist abgewiesen worden. Barbarin kann damit nicht von den Betroffenen zivilrechtlich für mögliche Schäden haftbar gemacht werden, wie französische Medien am Mittwoch berichteten. Zivilkläger hatten zuvor Berufung gegen das im vergangenen Jahr beendete Strafverfahren eingelegt, in dem es um sexuelle Übergriffe ging, die sie als Minderjährige erlitten und die Babarin nicht angezeigt hatte. Damals wurde Barbarin freigesprochen.

Das französische Kassationsgericht vertrat nun die Auffassung, dass die Verpflichtung Barbarins zur Anzeige der Übergriffe zu dem Zeitpunkt entfiel, als die Opfer volljährig und somit selbst in der Lage waren, Anzeige zu erstatten. Forderungen nach Schadenersatzzahlungen an Barbarin seien somit nicht rechtskonform, hieß es. Die Entscheidung des Kassationsgerichts hat keine Auswirkungen auf den strafrechtlichen Aspekt des Falles.

Die Kläger im Alter zwischen 34 und 36 Jahren, die familiär, sozial und beruflich integriert seien und nicht an einer Krankheit oder einem Mangel litten, hätten ihre Vorwürfe den Justizbehörden selbst mitteilen können, zitierte "La Croix" das Kassationsgericht. Dagegen sprach der Anwalt der Zivilkläger, Jean Boudot, von einer "verpassten Gelegenheit", das Gesetz zu verbessern und die Erwartungen der Gesellschaft zu erfüllen. "Zu glauben, dass ein sozial integriertes Opfer in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen, um die Tatsachen anzuprangern, läuft allem zuwider, was wir über posttraumatische Effekte wissen", erklärte Boudot laut "La Croix".

Schlagzeilen über mehrere Jahre

Der rechtlich verzwickte Fall hatte über mehrere Jahre und juristische Instanzen hinweg Schlagzeilen gemacht. Anfang 2020 wurde Barbarin vom Berufungsgericht in Lyon vom Vorwurf der Nichtanzeige sexueller Übergriffe freigesprochen. Während des Prozesses hatte sich neben Barbarins Anwalt auch die Staatsanwaltschaft für einen Freispruch ausgesprochen.

Zuvor war Barbarin, von 2002 bis März 2020 Erzbischof von Lyon und "Primas Galliens", im März 2019 in erster Instanz wegen Nichtanzeige von Missbrauchsfällen schuldig gesprochen und zu sechs Monaten Bewährungsstrafe verurteilt worden. Zehn ehemalige Pfadfinder und mutmaßliche Opfer des Priesters Bernard Preynat traten als Nebenkläger auf.

Bereits 2016 war gegen Barbarin ermittelt worden, weil er Fälle sexuellen Missbrauchs nicht bei den staatlichen Behörden angezeigt habe. Damals stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach einigen Monaten ein; es habe keine Hinweise auf eine Straftat Barbarins gegeben. In einem separaten Prozess wurde der Priester Preynat im März 2020 zu fünf Jahren Haft verurteilt. Papst Franziskus nahm im selben Monat das Rücktrittsangebot Barbarins an, nachdem er ein erstes Angebot im Frühjahr 2019 noch abgelehnt hatte. Der 70-jährige Barbarin lebt seit seinem vorzeitigen Amtsverzicht in einem bretonischen Dorf bei Rennes. Sein Nachfolger als Erzbischof von Lyon wurde Olivier de Germay. (tmg/KNA)

14.04., 18:35 Uhr: Ergänzt um Absatz 3.