Vertreterinnen der Jugendverbände treffen sich digital zur Bundesfrauenkonferenz

BDKJ-Chefin: Kirchlich engagierte Frauen werden zunehmend hinterfragt

Veröffentlicht am 17.04.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Düsseldorf ‐ Wie kann man als emanzipierte Frau noch in der Kirche sein? Mit dieser Frage werden junge Katholikinnen aus den Verbänden immer öfter konfrontiert, sagt Lisi Maier. Im katholisch.de-Interview erklärt die BDKJ-Bundesvorsitzende, warum viele dennoch bleiben – und weiter auf Veränderungen hoffen.

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An diesem Wochenende treffen sich 60 junge Frauen aus dem Mitgliedsverbänden zur jährlichen Bundesfrauenkonferenz des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) – in Corona-Zeiten selbstverständlich online. Dabei werden die Anträge an die BDKJ-Hauptversammlung aus mädchen- und frauenpolitischer Sicht beraten, Beschlüsse im Feld der Mädchen- und Frauenpolitik gefasst – und aktuelle kirchenpolitische Themen besprochen. Katholisch.de sprach im Vorfeld mit der BDKJ-Bundesvorsitzenden Lisi Maier, die in dieser Funktion auch Präsidiumsmitglied der Bundesfrauenkonferenz ist.

Frage: Frau Maier, die Bundesfrauenkonferenz des BDKJ betrachtet aktuelle Themen aus Kirche und Gesellschaft nochmal besonders mit der "weiblichen" Brille. Was sind Themen, die zurzeit am brennendsten sind?

Maier: Das sind zunächst einmal alle Fragen, die mit der Corona-Pandemie zu tun haben. Gerade im Blick auf Mädchen- und Frauenrechte gibt es in der Gesellschaft aktuell einen sehr starken Role-back. Auch bei der häuslichen Gewalt haben die Zahlen enorm zugenommen, nicht nur in Deutschland, sondern europa- und weltweit. Das ist ein großes Problem, das angegangen werden muss. Da gilt es auch in die Politik und die Gesellschaft hinein Forderungen zu formulieren. Wir werden uns ganz besonders mit dem Hass im Internet auseinandersetzen. Alle Erhebungen weisen nämlich darauf hin, dass Frauen und Mädchen viel stärker von Hatespeech betroffen sind als Männer.

Frage: Wie sieht der Einsatz jenseits von Positionspapieren und Beschlüssen aus?

Maier: Im Hinblick auf die Gewalt gegenüber Frauen bringen wir uns auch in andere verbandliche Bündnisse ein, zum Beispiel in den Deutschen Frauenrat und mit den katholischen Frauenverbänden, wo auch Beratungsstellen und weitere Organisationen, die mit Betroffenen zusammenarbeiten, mit im Boot sind. Wir treten zum Beispiel auch intensiv dafür ein, dass es mehr Frauenhausplätze geben soll.

Frage: Sie haben gerade davon gesprochen, dass Frauen stärker von Hatespeech im Netz betroffen sind. Wurden auch aus Ihren Reihen schon jemand damit konfrontiert?

Maier: Absolut! Ich habe das auch selbst schon oftmals erlebt. Wenn sich der BDKJ etwa positiv zum Thema Frauenpriestertum positioniert hat, bekam ich oft Hassbotschaften. Ganz extrem war es erst vor Kurzem: Frauen, die Teil des Synodalen Wegs waren, wurden bedroht und in die Enge getrieben, als sie sich der Kampagne #loveisnosin im Anschluss an das vatikanische Nein zur Segnung homosexueller Paare angeschlossen haben. Das war auch nochmal ein Auslöser für uns, sich damit zu beschäftigen. Wir haben uns in den vergangenen Monaten immer wieder mit anderen Organisationen und Verbänden ausgetauscht, was Strategien sein können, um sich gegenseitig zu bestärken und Ideen gesammelt, wie wir Frauen aus unseren Verbänden bei solchen Vorfällen unterstützen können.

„Für viele engagierte Frauen ist ein Austritt auch deshalb keine Option, weil sie Kirche in ihrer Biografie anderes kennengelernt haben – nämlich in der Jugendverbandsarbeit. Dort wird ein gleichberechtigtes Miteinander zwischen Männern und Frauen, zwischen Priestern und Laien gelebt.“

—  Zitat: Lisi Maier über die Gründe engagierter Frauen, der Kiche nicht den Rücken zu kehren

Frage: Wenn wir den Fokus jetzt auf die Kirche richten: Als BDKJ setzen Sie sich vehement für eine geschlechtergerechte Kirche ein, auch im Hinblick auf das Weiheamt. Gerade bei diesem Thema gibt es einige "Dauerbaustellen" sowie manche Verlautbarungen, die von vielen als Rückschlag empfunden werden. Hat man da als junge Frau überhaupt noch Lust, sich zu engagieren?

Maier: Diese Rückschläge demotivieren natürlich enorm, weil man glaubt, dass man im Diskurs schon weiter ist. Viele Frauen verlassen deswegen auch gerade die Kirche – und man kann es ihnen eigentlich nicht verübeln. Aber zahlreiche Frauen bleiben auch. Sie glauben an Veränderung und Bewegung und bringen sich ein. Auch die jungen Frauen und Mädchen aus unseren Verbänden glauben daran, dass Tradition im positiven Sinne fortgeschrieben wird. Für viele engagierte Frauen ist ein Austritt auch deshalb keine Option, weil sie Kirche in ihrer Biografie anderes kennengelernt haben – nämlich in der Jugendverbandsarbeit. Dort wird ein gleichberechtigtes Miteinander zwischen Männern und Frauen, zwischen Priestern und Laien gelebt. Viele Dinge, die sie verwirklicht sehen wollen, wurden im kleineren Rahmen schon auf den Weg gebracht. Die Kirche hat sich zwar langsam, aber doch immer wieder weiterentwickelt. Und gerade in der Frage nach der Gleichstellung von Frauen muss es in der Kirche weitergehen, weil diese besonders an ihrer Glaubwürdigkeit rüttelt.

Frage: Inwiefern?

Maier: Frauenrechte sind Menschenrechte. Die Kirche tritt an ganz vielen Stellen für Menschenrechte ein – beispielsweise für die Rechte von Geflüchteten, für die Menschen in den Ländern des globalen Südens. Sie hat den Anspruch, sich um Gerechtigkeitsfragen zu kümmern und ein starker Akteur zu sein, der gehört wird. Aber sie wird in Zukunft weniger oder gar nicht mehr wahrgenommen werden, wenn sie so eine zentrale Gerechtigkeitsfrage einfach vernachlässigt. Ich kann nicht Gerechtigkeit und Menschenrechte einfordern, wenn ich selbst als Institution Mädchen und Frauen nicht die gleichen Rechte zukommen lasse wie Männern.

Frage: Der Synodale Weg setzt sich auch intensiv mit der Frage nach einer geschlechtergerechten Kirche auseinander – und diskutiert da sehr kontrovers. Wird da irgendwann eine Art "Durchbruch" gelingen oder liegen die Positionen aus Ihrer Sicht zu weit auseinander?

Maier: Wir wissen von der MHG-Studie, dass die männerbündischen Strukturen der Kirche systemisch dazu beitragen, dass es zu sexualisierter Gewalt in der Kirche kommt. Eine Mehrheit auf dem Synodalen Weg weiß das und setzt sich deshalb für eine geschlechtergerechte Kirche ein. Ich habe die Erwartung, dass sich diese Mehrheit dann auch für Strukturveränderungen hin zu einer geschlechtergerechten Kirche einsetzt.

Regionenkonferenz Frankfurt
Bild: ©KNA/Bert Bostelmann (Symbolbild)

Kommt es beim Synodalen Weg zum "Durchbruch" beim Thema Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche? Eine Mehrheit setze sich dafür ein, so Lisi Maier.

Frage: Es gibt auch jenseits der Ämter- und Strukturfrage Bestrebungen für eine geschlechtergerechte Kirche. Die deutschen Bischöfe hatten vor einigen Jahren beschlossen, den Frauenanteil in diözesanen Leitungspositionen sukzessive auf ein Drittel und mehr zu erhöhen. Ist das ein Anfang?

Maier: Da muss man differenzieren: Auf der einen Seite ist es natürlich wichtig, Positionen, für die es nicht unbedingt eine Weihe braucht, vermehrt mit Frauen zu besetzen. Ich glaube, dass das auch gut möglich ist, wenn man sich ansieht, wie viele Frauen bereits für die Kirche arbeiten und sich für sie engagieren. Da ist ihr Anteil vermutlich sogar höher als bei den Männern. Das mit einer Quote oder mit einer Zielvorgabe zu verstärken, ist sicherlich eine gute Möglichkeit und trägt zu einer geschlechtergerechteren Kirche bei. Dabei wird aber außer Acht gelassen, dass es Frauen gibt, die konkrete Berufungserlebnisse haben und Priesterin werden möchten. Ihnen wird etwas verwehrt, was gottgewollt, aber institutionell nicht möglich ist.

Frage: Gerade im Zusammenhang der Debatte um kirchliche Reformen steht immer wieder der Vorwurf im Raum, dass die Leitungsgremien des BDKJ bloß aus Funktionären bestünden, die etwas forderten, was mit dem konkreten Leben an der katholischen Basis nichts zu tun habe. Wie begegnen Sie dem?

Maier: Wenn man einen Blick in die Pfarreien oder in die Ortsgruppen der Verbände wirft, sind die Themen, die wir weitertransportieren, auch die, die junge Menschen bewegen. Beim Synodalen Weg gibt es die 15 unter 30, also 15 Synodale unter 30 Jahren, die wir begleiten. Das sind viele dabei, die eben nicht aus unseren Strukturen kommen. Aber auch die stellen sich die gleichen Fragen wie wir. Oder wenn man sich in den Social-Media-Kanälen umschaut: Da äußern sich ja nicht nur Leute aus den Jugendverbänden zu den aktuellen kirchenpolitischen Entwicklungen. Wir erleben aber auch in unseren internationalen Begegnungen und im Austausch, dass junge Frauen aus anderen Ländern oder anderen kirchlichen Zusammenhängen die gleichen Themen umtreiben, auch wenn sie das nicht immer so laut sagen können.

Frage: Der BDKJ ist stark auf gesellschaftspolitischer Ebenen aktiv. Wird da eine kirchliche Stimme noch ernst- oder wahrgenommen – gerade aus dem heraus, was Sie vorhin zum Thema Gleichberechtigung und Geschlechtergerechtigkeit gesagt haben?

Maier: Kirchliche Akteure in ihrer Vielfalt – beispielsweise Jugendverbandsarbeit, die Caritas oder die politische Bildungsarbeit – sind in der Politik nach wie vor relevante Ansprechpartner. Ich merke aber schon, dass man immer stärker hinterfragt wird, wie man denn insbesondere als emanzipierte Frau Teil der katholischen Kirche sein kann. Man muss sich da sicher mehr erklären als noch vor einigen Jahren. Doch ich will auch in säkularen Kontexten immer noch sagen, dass Katholischsein vielfältig ist, was unsere Grundwerte ausmacht und warum es nach wie vor wichtig ist, dass man uns auch auf gesellschaftlicher Ebene Gehör schenkt.

Von Matthias Altmann