So leiden Deutschlands Klosterbrauereien unter der Corona-Pandemie
Eigentlich ist der 23. April für Bierbrauer ein besonderer Tag. Schließlich wird an diesem Datum alljährlich der "Tag des deutschen Bieres" begangen, der an die Verkündigung des bayerischen Reinheitsgebots im Jahr 1516 und damit an den Gründungsmythos der deutschen Bierkultur erinnert. Doch der Feiertag, der von vielen Brauereien sonst mit besonderen Aktionen begangen wird, muss in diesem Jahr – wie schon 2020 – weitgehend ausfallen. Die anhaltende Corona-Pandemie sorgt für abermalige Ernüchterung.
Doch nach Feiern wäre den Brauern nach mittlerweile 14 Monaten Pandemie wohl ohnehin nicht zumute. Im Gegenteil: Ende Februar veröffentlichten 300 deutsche Brauereien einen dramatischen Hilferuf. "Aus großer Sorge um die Zukunft der einheimischen Brauereien" wolle man auf die "immer dramatischere wirtschaftliche und finanzielle Lage" der Branche aufmerksam machen, hieß es in einem Offenen Brief. Nach Monaten des Lockdowns mit geschlossenen Gaststätten und ausgefallenen Volksfesten drohe vor allem kleineren Brauereien, "die Weltkriege, Wirtschafts- und Währungskrisen überdauert" hätten, durch die Corona-Pandemie unverschuldet das Aus.
Auch Klosterbrauereien von Corona-Auswirkungen betroffen
Zur Gruppe dieser kleineren Brauereien zählen auch die wenigen noch von Ordensgemeinschaften geführten Klosterbrauereien in Deutschland. Auch sie, das zeigt eine Umfrage von katholisch.de, leiden teilweise stark unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie – mancherorts ist sogar der Fortbestand der Brauerei in Gefahr.
„Der Fassbierausstoß ist um gut 60 Prozent gesunken und die Bierproduktion seit Frühjahr 2020 gedrosselt.“
Das Kloster Kreuzberg in der Rhön etwa bezeichnet die Auswirkungen der Pandemie auf die eigene Brauerei gegenüber katholisch.de als "katastrophal". Seit dem 2. November vergangenen Jahres sei die Brauerei geschlossen und die Bierproduktion vollständig eingestellt. Auf die Frage, ob die wirtschaftliche Lage der seit 1731 existierenden Klosterbrauerei durch die Beschränkungen der Pandemie insgesamt bedroht sei, antwortet die Geschäftsleitung mit einem knappen "Ja".
Sollte die Brauerei tatsächlich dauerhaft ihre Pforten schließen müssen, wäre dies vor allem für die Rhön ein herber Schlag, schließlich ist das Franziskanerkloster auf dem auch als "Heiligem Berg der Franken" bekannten Kreuzberg einer der meistbesuchten Wallfahrtsorte Deutschlands und ein beliebtes Ausflugsziel. Bereits 1901 trug sich der spätere Kardinal Michael von Faulhaber mit der Bemerkung in das Gästebuch ein: "Den Kreuzberg herauf kam ein endloser Zug, die einen zur Kirche, die anderen zum Krug." Biertrinken hat hier also Tradition. Zuletzt produzierte die Klosterbrauerei mit fünf Angestellten jährlich einen Ausstoß von rund 8.500 Hektolitern – vor allem dunkles Bier, Pils und Hefeweizen. Zum Vergleich: Die Radeberger Gruppe mit Marken wie Jever, Berliner Pilsner und Sternburg produziert pro Jahr einen Ausstoß von mehr als 11 Millionen Hektolitern.
Fassbierausstoß von Kloster Scheyern um gut 60 Prozent gesunken
Ein ähnliches Bild wie auf dem Kreuzberg zeigt sich auch im oberbayerischen Kloster Scheyern, wo bereits seit dem Jahr 1119 Bier gebraut wird. Der Cellerar der Benediktinerabtei, Pater Lukas Wirth, spricht mit Blick auf die Pandemie von einem "massiven Umsatzrückgang" der klostereigenen Brauerei. Dies liege vor allem daran, dass die eigene Klosterschänke und die belieferten Gasthäuser seit Monaten geschlossen seien; auch Feste und Veranstaltungen, die sonst für Umsatz sorgten, hätten im vergangenen Jahr kaum stattgefunden. "Der Fassbierausstoß ist um gut 60 Prozent gesunken und die Bierproduktion seit Frühjahr 2020 gedrosselt", betont der Ordensmann.
Anders als die Franziskaner vom Kreuzberg sieht Pater Lukas den Fortbestand der eigenen Brauerei derzeit aber nicht in Gefahr: "Die Brauerei ist ein Eigenbetrieb des Klosters, statt einer Fünf-Tage-Woche arbeiten unsere Mitarbeiter derzeit nur regelmäßig vier Tage pro Woche. Der Bestand ist nicht bedroht, da das Kloster zu seinen Betrieben und damit zu seinen Mitarbeitern steht." Darüber hinaus versuchen die Scheyerner Brauer kreativ mit den Corona-bedingten Herausforderungen umzugehen. Nicht verkauftes Bier aus den belieferten Gasthäusern etwa habe man kostenlos zurückgenommen und in der hauseigenen Brennerei zu Bierbrand weiterverarbeitet, erzählt der Cellerar.
Desinfektionsmittel statt Bierlikör
Christian Loth von der Benediktinerabtei Ettal bestätigt ebenfalls, dass die Pandemie die klostereigene Brauerei "stark getroffen" habe. "Zwar ist der Absatz des Bieres in Kästen über den Getränkehandel gestiegen, dies kompensiert aber bei weitem nicht die Ausfälle bei den Veranstaltungen und in der Gastronomie", so Loth, der das Absatzminus auf etwa 30 Prozent beziffert. Hinzu komme, dass mit dem Einbruch des Tourismus auch viele potenzielle Kunden nicht mehr in die Region kommen würden. Viele Mitarbeiter der im Jahr 1609 gegründeten Brauerei seien deshalb in Kurzarbeit. Die wirtschaftliche Lage des Betriebs sieht Loth aber nicht in Gefahr. "Dank des soliden Wirtschaftens in der Vergangenheit und den Werkzeugen 'Kurzarbeit' und 'Überbrückungshilfen' werden unsere Kunden auch nach der Pandemie noch in den Genuss der Ettaler Klosterbiere kommen", verspricht er.
Obwohl die Benediktiner in Ettal neben der Brauerei auch eine eigene Likörmanufaktur betreiben, war die Weiterverarbeitung unverkäuflicher Biervorräte zu Bierlikör laut Loth keine Option – auch weil man bereits seit Jahren einen "sehr schmackhaften Hopfen-Zupfer" herstelle. Mit den Herausforderungen durch Corona ist man in der Manufaktur dennoch auf besondere Weise umgegangen: Als Krankenhäuser und Arztpraxen auf dem Höhepunkt der ersten Welle der Pandemie händeringend große Mengen an Desinfektionsmittel benötigten, erweiterten die Benediktiner ihre Produktpalette kurzerhand um ein entsprechendes Angebot. Dadurch habe man dem Klinikum im nahen Garmisch-Partenkirchen und Gesundheitsanbietern in der Region "Planungssicherheit in diesem Mangelbereich" verschaffen können, berichtet Loth nicht ohne Stolz.
„Unsere wirtschaftliche Lage erlaubt uns nach wie vor das umfangreiche soziale und caritative Engagement der Abtei in München und Andechs zu finanzieren.“
Kaum Probleme bereitet die Corona-Pandemie derweil dem Platzhirsch unter Deutschlands Klosterbrauereien – der Brauerei des Klosters Andechs. Die Corona-bedingten Absatzrückgänge im Fassbier-Segment etwa hätten durch einen "sehr positiven Verlauf unseres Flaschenbier-Geschäftes" zu einem großen Teil kompensiert werden können, erläutert Pressesprecher Martin Glaab. Dadurch habe man auch 2020 – wie in den Jahren davor – über 100.000 Hektoliter Bier absetzen können. Auch Kurzarbeit sei für die Mitarbeiter des Betriebs derzeit nicht notwendig. "Unter den aktuellen Rahmenbedingungen ist unser derzeitiges Modell flexibel und durchaus konkurrenzfähig", so Glaab wörtlich.
Hoffnung auf konkrete Perspektive für eine Wiedereröffnung der Gastronomie
Der Fortbestand der traditionsreichen Brauerei auf dem "Heiligen Berg" oberhalb des Ammersees, die derzeit zehn verschiedene Biere anbietet, sei durch die Beschränkungen der Pandemie "definitiv nicht" bedroht. Im Gegenteil: "Unsere wirtschaftliche Lage erlaubt uns nach wie vor das umfangreiche soziale und caritative Engagement der Abtei in München und Andechs zu finanzieren und nachhaltig Verantwortung für unsere über 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in allen Wirtschaftsbetrieben zu übernehmen", betont der Sprecher.
Trotzdem hofft auch Glaab zeitnah auf eine "möglichst konkrete Perspektive für eine Wiederöffnung der Gastronomie" – und spricht damit wohl allen Klosterbrauern aus der Seele. Klar scheint zu sein: Nur wenn die kleinen Ordensbrauereien bald wieder ihre Produktion hochfahren und Bier verkaufen dürfen, haben sie langfristig eine Überlebenschance. Ansonsten könnte durch Corona zumindest in Teilen das Ende einer jahrhundertealten Brautradition in Deutschland drohen.